Kapitel 18

1.6K 75 5
                                    

T y r o n

Immer tiefer sank ich in die Polster des Ledersessels und lauschte den Ideen der anderen Alphas. Wir alle hatten uns schon vor 3 Stunden hier versammelt und diskutierten seitdem unsere kritische Situation. Jeder von uns war allein angereist, damit dem Rudel genug Krieger zum Schutz blieben, auch alle Lunas, außer die von Raphael, waren somit abwesend. Die Spannung, die dadurch im Raum entstand, entlud sich immer wieder in Gefühlsausbrüchen, oft vor Wut und Unruhe. Auch ich konnte den Drang spüren, endlich wieder nach Hause zu rennen und auf meine Mate zu achten.

„Verdammt, so kommen wir nicht voran. Ich weiß wir alle wollen wieder in unsere Gebiete, aber wir müssen uns nun mal zusammenschließen, damit wir unserem Rudel den höchstmöglichen Schutz bieten können", mein Fluch hallte von den Wänden wieder. Bisher hatte ich mich immer zurückgehalten, aber auch mir wurde das alles zu viel. Einige sahen mich überrascht an, da ich auch sonst als ruhiger und gefasster Alpha bekannt war.

„Tyron hat recht, die inneren Rudel, die von anderen Gebieten umgeben sind, könnten ihre Krieger an unseren Grenzen einsetzen. Vielleicht wäre eine Zusammenlegung für den Moment eine der sichersten Einigungen." Raphaels Überlegung schien nicht allen zu gefallen. Wir alle waren Alphas und die Grenzen gab es nicht umsonst. Zu viele von uns auf einem Fleck, so wie gerade, konnten es nicht lange ohne Machtkämpfe aushalten. Jeder von uns war dazu geboren worden ein Anführer zu sein und uns jemandem unterzuordnen, fiel uns schwer. Die einzige Ausnahme stellten unsere Mate und später unsere Kinder da.

Noch zwei weitere Stunden mit vielen Verhandlungen vergingen, bis wir einen endgültigen Kompromiss fanden und jeder sich auf den Weg zurück zu seinem Rudel machte. Da ich gestern schon bei Raphael angekommen war, verspürte ich besonders den Drang dazu, so schnell wie möglich zurück in mein Gebiet zu kommen. Mittlerweile war es mir egal, wie Cassandra sich entschieden hatte, ich wollte einfach wieder in ihrer Nähe sein. Wenn sie es zuließ, würde ich vielleicht noch einmal ihre Hand halten dürfen oder sie schlief noch einmal bei mir im Bett. Egal auf welche Weise, ich brauchte ihre Nähe auf jede erdenkliche Weise, die sie erlaubte.

So fuhr ich den ganzen Tag ohne größere Pausen zurück. Als ich die Grenze passierte war es schon dunkel, die Uhr an meinem Handgelenk verriet mir, dass wir es schon 23 Uhr hatten. Ich parkte auf dem gemeinsamen Parkplatz nahe dem Rudelhaus und wurde schon freundlich von einigen der Rudelmitglieder begrüßt. So sehr ich mich auch nach meiner Mate sehnte, ich würde erst noch ein paar Unterlagen im Büro ablegen müssen. Vielleicht war Ares noch da, um mich über alles Neue zu informieren. Tatsächlich traf ich jedoch niemanden im Büro an und auch alle der anfallenden Arbeiten der letzten Tage schienen erledigt zu sein, was mich zufrieden aufseufzen ließ. Vielleicht konnte ich mir den morgigen Tag mal frei nehmen und ihn mit Cassandra verbringen, wenn sie es erlaubte.

Ihr Geruch stieg mir schon von weitem in die Nase und ich hörte nur ihren Herzschlag in unserem Haus. Milan musste wohl schon gegangen sein. Schlafen tat sie wohl noch nicht, da ihr Herz dafür zu unregelmäßig schlug. Einen Moment blieb ich in der offenen Haustür stehen und atmete ihren wunderbaren Geruch ein. Sog ihn tief in meine Lungen und versuchte sie damit zu füllen, dabei schloss ich die Augen. Nie in meinem Leben hatte sich etwas so sehr nach zu Hause angefühlt wie ihr Geruch.

Angetrieben von dem Gedanken sie endlich wiederzusehen, stieg ich mit schnellen Schritten die Treppe rauf und fand sie schließlich in meinem Schlafzimmer. Überrascht hielt ich in der Tür inne, denn sie saß auf dem Boden zwischen verschiedenen Büchern und Zetteln auf einem Kissen. Ihre Beine waren nur von einer kurzen Shorts bedeckt, ihr verletztes Bein ausgestreckt, dass andere angewinkelt neben sich. Konzentriert strich sie sich eine lose Strähne hinter ihr Ohr, die restlichen Haare zu einem unordentlichen Knoten auf ihrem Kopf zusammengefasst. Der Rest ihres Körpers wurde von einem riesigen dunklen T-Shirt, welches wie immer hoch geschlossen war, verhüllt. Eindeutig nicht meines, aber ich konnte auch keinen anderen Geruch außer den ihrigen ausmachen. Sie sah noch schöner aus als sonst und ich konnte sie einfach nur anstarren, wie sie immer weiter in den Büchern las und sich gelegentlich etwas notierte. So konzentriert wie sie war, bemerkte sie mich nicht, bis ich mich leise räusperte. Sofort schoss der Blick aus ihren dunkelbraunen Augen zu mir und sie setzte sich aufrechter hin, bevor ein atemberaubendes Lächeln auf ihren Lippen erschien. Ich konnte mich nicht daran erinnern schon einmal der Grund für ihr Lächeln gewesen zu sein, aber ab jetzt würde ich mich bemühen es immer wieder auf ihre Lippen zu zaubern.

„Du bist wieder da", flüsterte sie und richtete sich vorsichtig auf, wobei sie es vermied ihr Bein allzu sehr zu knicken. Helfend reichte ich ihr eine Hand, vor der sie nicht zurückschreckte, sondern sie überraschender Weise auch ergriff und mich wieder anlächelte. Am liebsten wäre ich bei diesem Ausdruck auf ihrem Gesicht vor ihr auf die Knie gesunken und hätte ihr einen Antrag gemacht. Es spielte keine Rolle, was vorher gewesen war. Dieser Moment mit ihr war der schönste in meinem Leben.

„Ja ich bin wieder da und du bist auch noch hier", meine Stimme war gerade mal so laut, dass sie sie hören konnte und ihr Lächeln wurde etwas mitfühlender und entschuldigender, verlor aber nicht an Wirkung oder Intensität. Einen Moment sahen wir uns einfach nur an, ich hielt ihre Hand, genau wie ich es mir gewünscht hatte und verlor mich in den Tiefen ihrer Augen.

„Setzten wir uns doch hin, dann kannst du mir von dem Alphatreffen berichten und ich kann dir...", ich unterbrach sie in dem ich mich weiter auf sie zu bewegte und in meine Arme schloss. Diese Geste geschah ganz automatisch und nicht wirklich durchdacht, doch ich brauchte das gerade einfach. Kurz versteifte sie sich in meinen Armen und ich wollte schon mit schlechtem Gewissen zurückweichen, weil ich einfach meinen Bedürfnissen gefolgt war, doch sie entspannte sich und legte ihre schlanken Finger an meinen unteren Rücken. Ihr Kopf lehnte sich gegen meine Brust und ich stütze das Kinn auf ihrem Kopf ab und sog ihren Duft ein. Eine Weile verharrten wir in dieser Position, bevor ich das Schweigen brach und die Frage aussprach, von der mein gesamtes Leben abhing. Denn je nachdem wie ihre Antwort ausfiel, würde sie mich zerstören oder zum glücklichsten Wolf unter der Mondgöttin machen.

„Cassandra? Bitte... ich muss wissen, ob du mich gleich ablehnst und dass das letzte Mal ist, dass ich dich so nah bei mir spüre oder ob ich weiter um dein Vertrauen und ein Leben mit dir an meiner Seite kämpfen darf. Also bleibst du bei mir? Akzeptierst du mich als deinen Gefährten?"

A Love stronger than DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt