T y r o n
Meine Pfoten trommelten über den Waldboden, als ich mit erhöhter Geschwindigkeit zwischen den Bäumen hindurch lief. Nachdem Cassandra gegangen war, konnte ich nicht länger im Haus bleiben. Mein Wolf jaulte schmerzlich in meinem Kopf auf und wollte einfach nur vor dem Schmerz in meiner Brust davonlaufen. Also überließ ich meinem Wolf die Kontrolle, verwandelte mich und rannte. Üblicherweise verspürte ich nichts als grenzenlose Freiheit und Frieden, wenn ich in meiner Wolfsform durch mein Gebiet rannte, doch dieses Mal schien der Schmerz mich zu verfolgen. Der Geruch in der Luft füllte meine Lungen und beruhigte mich, doch nicht so sehr, wie ihr Geruch es konnte. Es schien unmöglich nicht an sie zu denken. Immer wenn ich versuchte an etwas anderes zu denken, brachte ich sie damit in Verbindung. Ich betrachtete die Schönheit des kleinen Sees, auf dem sich die Sonne spiegelte und dachte daran ihr das zu zeigen. Ich sah eine kleine Stelle mit vielen bunten Blumen und hatte sofort ihren blumigen Geruch in der Nase. Ich fühlte den Wind durch mein Fell streichen und wünschte es wären ihre zarten Hände. Denn egal wie sehr mein Herz gerade schmerzte, ich würde ihr alles vergeben, solange sie bei mir blieb. Ich hatte noch nicht die Zeit ihr Inneres besser kennenzulernen, doch ich hatte gehört, wie sie mit Emily umgegangen war. Wie selbstlos es von ihr war, die Kleine zurückzubringen und ihre Sorge um andere berührte mich. Zudem sah sie wunderschön aus, einfach perfekt. Ich wusste, dass sie kein schlechter Mensch sein konnte, vielleicht wurde sie einfach nur tief verletzt, vielleicht wurde ihr das Gefühl gegeben nicht genug zu sein. Als sie mich fragte, ob ich gemerkt hätte, dass sie nur eine Genträgerin war, hatte ich die Unsicherheit und Trauer in ihrem Blick gesehen. Ich denke ich würde ihr einfach zeigen müssen, wie wundervoll ich sie fand und dass sie mehr als genug für mich war.
Von neuem Mut angetrieben lief ich zurück nach Hause und verwandelte mich zurück. Nachdem ich mir ein paar Klamotten übergestriffen hatte, ging ich rüber ins Rudel Haus, wo ich mich direkt in mein Büro setzte. Einige der Papiere hatte ich gestern Abend nicht mehr geschafft, aber ich war tatsächlich weit gekommen. Nach weiteren 3 Stunden war mein Schreibtisch aufgeräumt und die Papiere ordentlich einsortiert und bearbeitet. Seufzend lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und schloss meine Augen. Sofort projizierte mein Kopf Bilder von meiner kleinen Mate, die an der Küchentheke lehnte und in ihren Kaffee lächelte. Ich musste unbedingt herausfinden, weshalb sie solche Angst vor mir hatte und auch das sie das Band nicht zu spüren schien bereitete mir Kopfschmerzen. Müde rieb ich mir übers Gesicht und öffnete den Link zu meinem Beta, um ihn zu fragen, ob meine Mate bei ihm war. Schnell bestätigte er mir, dass sie sich zusammen das Gebiet angesehen hatten und es ihr gut ginge.
Ich lief gerade aus meinem Büro raus, als ich mein Telefon von drinnen klingeln hörte und genervt wieder umdrehte. Eigentlich hatte ich für heute Feierabend machen wollen, doch daraus wurde wohl nichts. „Davies, Hallo?" Am anderen Ende begrüßte mich gleich die Stimme von Alpha Demos. Ihm gehörte eines der umliegenden Gebiete, das ich auf meiner Suche noch Emily besucht hatte und mit am schlimmsten von den Angriffen betroffen war. „Hallo Tyron. Ich wollte mich erkundigen, ob du dein vermisstes Rudelmitglied gefunden hast? Geht es euch so weit gut?" Er war immer ein sehr gerechter und fürsorglicher Alpha, was wahrscheinlich auch an seiner Mate lag, die eine Omega Wölfin ist.
„Ja ich habe die Kleine wieder sicher hier. Uns geht es gut, die Angriffe hören nicht auf, aber sie werden auch nicht schlimmer. Es sind immer nur 3 bis 4 Wölfe und die gehen auch nicht gerade taktisch vor, sondern greifen einfach ohne Plan an. Wie sieht die Lage bei euch aus? Wird es schlimmer?" Wir hatten vor Jahren schon ein Bündnis geschlossen, als er seine Mate gefunden hatte und sicher gehen wollte, dass niemand in ihrer Nähe sie verletzten würde. Ich würde für Cassandra jetzt das gleiche tun, wenn es nicht schon geschehen wäre. Zudem waren wir mit der Zeit auch gute Freunde geworden, weshalb mich seine Lage besorgte.
„Es werden wöchentlich immer schlimmere Hinterhalte. Meine Wölfe patrouillieren mittlerweile in Siebener Gruppen und trotzdem kommen sie immer schwer verletzt zurück. Die Wölfe, die uns angreifen scheinen auch immer schlauer zu werden, ihre Pläne besser und undurchsichtiger. Langsam gehen mir die Männer aus und ich will die Verletzten nicht rausschicken, damit wären sie dem Tode geweiht." Nachdenklich reibe ich mir über die Stirn, als nach einem kurzen Klopfen die Tür geöffnet wird und Ares vor mir steht. Ich nicke ihm zu, damit er weiß, dass er eintreten kann.
„Ich werde mal schauen, ob ich dir ein paar meiner Krieger schicken kann. Noch kommen wir gut aus, doch meine Mate befindet sich jetzt in meinem Gebiet und ich will kein Risiko eingehen." Ich konnte das Lächeln in der Stimme meines Freundes hören, als er mir seine Glückwünsche überbrachte. Er verstand, dass ich meine eigenen Männer im Ernstfall hier brauchte, freute sich aber, dass ich bereit war ein paar rüberzuschicken.
„Gut, ich werde gleich mit meinem Beta sprechen und dann ein paar meiner Krieger losschicken. Sie kommen in ihrer Wolfsform, wenn ihr Essen, Kleidung und ein Bett bereitstellt. Ich würde sie dann zeitlich losschicken, damit sie morgen bei den Patrouillen mithelfen." Er bedankte sich noch einmal und dann legte ich auf. Ich legte das Handy auf den Tisch und stütze meine Hände auf die Flächen, während ich den Kopf gesenkt hielt und nachdachte, wen wir losschicken konnten. Mein Beta riss mich mit einigen Namensvorschlägen aus den Gedanken und ich nickte bei denen mit denen ich einverstanden war.
„Ist die Lage bei Raphael so schlimm?" Seine Stimme war leise und ich hörte, dass er versuchte seine Emotionen zurückzuhalten, doch trotzdem hörte ich seine Unbehaglichkeit. Ich nickte und erzählte ihm von dem Telefonat. Man sah ihm an, wie er sich innerlich schon Gedanken darüber machte, was wir bei einer solchen Lage machen würden. Welche Krieger geeignet wären und wo Schwachpunkte lagen, die bisher unentdeckt geblieben waren. Wir redeten noch eine Weile über neue Strategien, doch sein Blick glitt immer wieder zu der Uhr, die über meiner rechten Schulter an der Wand hing.
„Wir können für heute Schluss machen. Musst du noch irgendwo hin?" Er blickte mir entschuldigend in die Augen und ich wusste, dass er sich mit meiner Mate verabredet hatte. Mein Wolf kochte vor Eifersucht und darunter mischte sich Enttäuschung. Ich atmete tief durch, um mich und ihn zu beruhigen, doch er lief unruhig in meinen Gedanken auf und ab.
„Sie ist bei mir in der Hütte und bereitet uns Abendessen zu, danach wollen wir einen Filmabend machen, deswegen schläft sie dann bei mir." Seine Worte wählte er mit Bedacht, um mich nicht noch wütender zu machen, doch es klappte nicht. Mein Wolf versuchte mir einzureden, dass Ares uns unsere Mate wegnehmen würde, dass wir ihn beseitigen mussten. Die Konkurrenz ausschalten, doch ich wusste, dass er nur ihr Bruder war. Ihr Bruder, mit dem sie Zeit verbringen wollte und wenn sie diesen Freiraum brauchte, wollte ich ihn ihr auch geben. Es nützte nichts sie bei mir einzusperren und zu zwingen meine Gefühle zu erwidern. Also nickte ich ihm mit einem matten Lächeln zu und wünschte ihm einen schönen Abend.
Ich könnte schwören, ich hätte Mitleid in seinem Blick gesehen, doch er drehte sich schnell um und verlies das Büro. Leise schloss er die Tür und dann wurde es still in dem Zimmer. Schnell packte ich alle Sachen zusammen und lief nach Hause. Im Flur blieb ich einen Augenblick lang stehen und lauschte der Stille. Sie war wirklich nicht hier und mit einem Mal überfiel mich wieder die Einsamkeit, die ich in all den Jahren, die ich ohne sie verbracht hatte, schon gespürt hatte. Solange sie sich im gleichen Haus befand, erfüllte ihr beständiger Herzschlag das Haus mit Leben, doch ohne sie erdrückte mich die Stille wieder. In dem Moment realisierte ich, wie stark meine Gefühle für sie schon waren und dass es mich zerstören würde, sollte sie sich dazu entschließen mich zu verlassen.
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A Love stronger than Death
WerewolfCassandra Downfield ist eine Genträgerin. Sie kann sich nicht verwandeln, trägt das Gen jedoch in sich und wächst in einem Rudel auf. Ihr Leben scheint genauso normal, wie das jedes anderen, doch dann verändert ein Angriff auf ihr Rudel ihr Leben gr...