Kapitel 21

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C a s s a n d r a

Ich hatte nicht erwartet, dass es mir so schwer fallen würde mich Tyron zu öffnen. Na klar, wusste ich, dass es nicht leicht sein würde, doch was, wenn er meine Narben hässlich oder sogar abstoßend fand? Was, wenn er meine Ängste nicht verstand oder nun doch nicht wollte, dass ich blieb? Meine Sorgen und Ängste machten es mir unmöglich auch nur ein Wort herauszubringen, also entschied ich mich mit etwas einfacherem anzufangen.

„Ich habe mir gedacht, dass ich als Krankenschwester hier arbeiten könnte. Deswegen war ich auch bei Kuno, nicht weil er mir gefällt, sondern weil ich gerne im Rudelkrankenflügel arbeiten würde, natürlich nur wenn du damit einverstanden bist. Da ich ja bleibe, will ich nicht nur den ganzen Tag hier rumsitzen und weil ich sowieso gelernte Krankenschwester bin, wäre dass doch eine gute Idee, oder? Ich meine ich werde trotzdem meine Aufgaben als Luna erfüllen, wenn du mich zur Luna machen willst, aber ich wollte auch noch etwas anderes machen und...", mein nervöser Redefluss wurde jäh durch Tyrons glückliches Lachen unterbrochen und nur eine Sekunde später riss er mich vom Stuhl und in seine Arme. Ich kreischte erschrocken auf und strampelte kurz mit den Beinen in der Luft herum, doch schließlich hielt ich inne und legte meine Arme ebenfalls um seinen Hals, um mich festzuhalten.

„Das ist eine fantastische Idee ma Luna! Ich bin wirklich glücklich, dass du hierbleiben willst und natürlich mache ich dich noch offiziell zur Luna des Rudels, aber erst wenn du dich wirklich bereit dazu fühlst. Die anderen sehen dich sowieso schon als mir ebenbürtig, also hat es keine Eile, wenn du es noch nicht willst." Vorsichtig setze er mich wieder auf dem Boden ab, löste sich aber nicht komplett von mir. Seine Hände hielten mich weiterhin an den Hüften fest und lösten dort ein heißes Kribbeln aus, dass sich schnell verbreitete. Selig lächelte ich ihn an und war erleichtert, dass ich schon mal eins der vielen Dinge geklärt hatte. Seine Reaktion gab mir auch das nötige Selbstbewusstsein, um nun auch die etwas schwereren Themen anzusprechen. Langsam löste sich das Lächeln auf meinen Lippen auf und Ty schien meinen Stimmungswechsel zu bemerken, denn er ließ sofort seine Hände sinken und trat einen Schritt zurück. „Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahekommen." Sofort vermisste ich seine Nähe, weshalb ich sofort wieder nach seiner Hand griff und ihn ins Wohnzimmer zog. Frühstücken konnten wir auch später noch.

„Ty, es ist nicht... also ich mag es schon, wenn du mich berührst... es ist nur...", frustriert zog ich die Beine an und schlang meine Arme darum. Tyron saß neben mir auf der Couch und wusste wohl nicht recht, ob ich eine Umarmung oder Abstand brauchte. Ehrlich gesagt wusste ich es selbst nicht wirklich, also war ich froh, dass er sich einfach dafür entschied mir zuzuhören.

„Ich wurde in meinem alten Rudel nicht gut behandelt. Da ich nur eine Genträgerin war, hat man mich nie als vollwertiges Rudelmitglied anerkannt und dementsprechend ist man mit mir umgegangen. Besonders der Alpha war nicht gerade ein Fan von mir. Zu schwach, um sich selbst zu verteidigen, nicht hübsch genug um als seine Liebhaberin zu agieren und dann sich noch nicht einmal verwandeln können. Viele teilten seine Meinung und manchmal stachelte er sie noch dazu an mich... mich unmögliche Dinge tun zu lassen. Ich meine wie soll ich bitte einen Hasen erlegen? Oder beim Training mit den Wölfen mithalten? Also habe ich angefangen mich anders zu wehren. Habe gelernt zu schießen und mit meinem Vater den Nahkampf trainiert. Natürlich komme ich immer noch nicht gegen euch an, aber ich bin euch nicht mehr komplett ausgeliefert." Ich sah Tyron an, dass er vor Wut kochte und am liebsten etwas sagen würde, nach dem Namen meines damaligen Alphas fragen und ihn dann umbringen könnte auch eine seiner Prioritäten sein. Doch ich griff nach seiner Hand und bat ihn mich ausreden zu lassen.

„Er ist einer der Gründe, weshalb ich Alphas nicht mag. Sie sind meistens arrogante Arschlöcher, deren oberste Priorität es ist jedem zu demonstrieren, wie mächtig sie doch sind und Angst und Schrecken zu verbreiten. Deswegen hatte ich auch Angst vor dir, als ich dich das erste Mal gesehen habe." Er drückte meine Hand und seine Augen leuchteten nun mehr grün durch die Liebe und Zuneigung, die sie ausstrahlten. Vorsichtig führte er meine Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf meine Fingerknöchel, der die Schmetterlinge in meinem Bauch zum Tanzen brachte. Vorsichtig lächelte ich ihn an und wappnete mich für den Rest meiner Geschichte. Jetzt kam der härteste Teil.

„Aber das ist nicht alles. Vor drei Jahren wurde unser Rudel dann angegriffen. Mein Vater hat immer an vorderster Front gekämpft und dieses Mal durchbrachen sie unsere Schutzmauern und metzelten die Krieger nieder. Als meine Mom merkte, dass er im Streben lag, rannte sie aus dem Rudelhaus und mitten in die Schlacht. Ich folgte ihr und schoss ihr den Weg frei. Ich habe sie nur kurz aus den Augen gelassen, als ich sah, wie der andere Alpha unseren aus dem Hinterhalt angriff. Natürlich habe ich sofort auf ihn geschossen und ihn abgelenkt, nur hatte meine Mom sich in der Zeit selbst mit dem Mörder meines Vaters angelegt und war schwer verletzt worden. Ich selbst hatte nun mit dem Zorn des Alphas zu kämpfen, auf den ich geschossen hatte. Es ging alles so verdammt schnell." Tränen liefen mir ungehalten die Wangen hinunter und nun war ich froh, dass Tyron mich sanft auf seinen Schoß hob und mich an sich drückte. Vorsichtig strich er mir über den Rücken und drückte mich an seine Brust. Sofort fühlte ich mich sicher, doch ich brauchte eine Weile, um weiter zu reden.

„Letztendlich gewannen wir und das fremde Rudel zog sich zurück, doch nicht nur sie hatten schwere Verluste zu verzeichnen. Meine Mom lag sterbend neben meinem toten Vater, da sie ohne ihn nicht leben wollte. Damit hatte mein Vater mit seinem Tod einfach entschieden, dass sie nun auch sterben musste, einfach weil sie als seine Mate nicht ohne ihn leben konnte. Deswegen habe ich mir geschworen, dass ich meinen Mate niemals finden will, weil ich nicht der Grund dafür sein möchte, dass jemand sein Leben beendet. Mittlerweile verstehe ich, wieso sie es getan hat, aber ich wünschte einfach ich hätte sie nicht beide auf einmal verloren." Ungehalten heulte ich Tyrons T-Shirt voll, während er mich einfach nur festhielt und versuchte mich zusammenzuhalten. Ich zerbrach in seinen Armen, doch er setze mich mit jedem gemurmelten Wort, jeder Berührung und jedem Kuss auf die Stirn wieder zusammen.

„Deine Eltern scheinen eine wirklich einzigartige Art der Verbundenheit zu teilen und sie würden bestimmt nicht wollen, dass du nur die negativen Aspekte so einer Verbindung siehst. Einen Mate zu haben, heißt mit ihm zu lachen, weinen, lieben, streiten und trotzdem zu lernen, dass immer jemand hinter einem steht. Dass man niemals alleine ist. Letztendlich ist es jedem selbst überlassen, ob er sich der Verbindung hingibt, sie pflegt und wachsen lässt. Die Umstände, unter denen deine Eltern gestorben sind, tun mir wirklich sehr leid, aber ich bin davon überzeugt, dass sie immer noch zusammen sind und dich und Ares wirklich von ganzem Herzen lieben." Seufzend wischte ich mir über die Nase und lehnte meinen Kopf erschöpft an Tys Schulter. Für einen Moment schloss ich die Augen und überlegt ihm nichts von den Narben zu sagen, doch ich musste voll und ganz ehrlich mit ihm sein, damit er mich wirklich verstand und zusammen an unserer Verbindung arbeiten konnten, wie er so schön gesagt hatte.

„Da ist noch was." Zögerlich hob ich den Kopf und richtete mich auf. Verwirrt sah er mich an und legte mir eine Hand an die Wange. Traurig senkte ich den Blick und malte mir schon aus, wie er angeekelt das Gesicht verziehen würde, sobald er meine Narbe sah und berührte. Ich brauchte Abstand, denn ich wollte nicht sehen, wie er sich versteifte und überall hinsah, nur nicht auf meinen geschundenen Körper. Also löste ich mich schweren Herzens aus seiner schützenden Umarmung und stellte mich vor ihm hin. Ich wollte es so kurz und schmerzlos machen wie möglich, also zog ich mir einfach das T-Shirt über den Kopf und hielt mit geschlossenen Augen den Atem an.

A Love stronger than DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt