Kapitel 89

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Augenblicklich zieht er seine Hand weg und blickt mich schockiert an. Mit glasigen Augen legt er seine Hände auf meine Schultern.
,,Hast du den Verstand verloren?'', fragt er mich vollkommen fassungslos. Er kann wohl nicht glauben, dass ich das gerade wirklich gesagt habe. Sofort holt er etwas aus seiner Tasche hervor und zeigt es mir. Es ist das Ultraschallbild, welches ich ihm bei meinem letzten Besuch gegeben hatte.
,,Das ist unser Baby, Leyla. Das ist ein Lebewesen. Unser Fleisch und Blut. Wie kannst du ihn oder sie nicht wollen?'', fragt er mit Tränen in den Augen. Ich beiße mir auf die Unterlippe, während ich das Bild in die Hand nehme und ansehe. Mir kommen ebenfalls die Tränen.
,,Können wir ihm oder ihr überhaupt ein glückliches Leben schenken?'', frage ich Can. Doch er hat einen guten Konter.
,,Ist Cansu bis jetzt unglücklich gewesen?'', fragt er mich. Nein. Sie ist ein fröhliches Mädchen. Trotz unserer schwierigen Situation haben wir darauf geachtet, dass sie munter aufwächst. Nun ist sie schon so groß. Und weiterhin glücklich. Ich lege meine Hand auf meinen Bauch, kralle meine Hand in mein Oberteil. Die Tränen, welche ich die ganze Zeit zurückgehalten habe, fließen unbeholfen meine Wange hinunter. Vielleicht muss ich nicht die Starke spielen. Vielleicht ist es besser, den Schmerz zuzulassen. Innig umarme ich Can und schluchze dabei. Es ist so schwer. Die Situation zu ertragen ist so schwer. Ohne ihn ist es schwer. Er erwidert die Umarmung sofort, hält mich so fest wie möglich. Tief atme ich seinen Duft ein. Ich will nicht, dass er geht. Ich will auf ewig bei ihm sein. Als wir uns voneinander lösen, beugt er sich zu mir und legt seine Lippen auf meine.

Can POV
Mit Tränen in den Augen küssen wir uns. Es ist ein kurzer, jedoch gefühlvoller Kuss. Behutsamer streiche ich ihre Tränen beiseite und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. Es hat mir das Herz gebrochen. Sie kann nicht einfach das Leben unseres Babys beenden. Sie wird keine Entscheidung mehr ohne mich treffen. Schließlich hat sie sich ohne mein Wissen dazu entschieden, sich als Täter darzustellen und ins Gefängnis zu wandern. Hätte ich doch nur davon gewusst. Nun sitze ich hier im Auto. Ohne Leyla. Die Besuchszeit war vorbei, weswegen ich gehen musste. Betrübt wische ich mir meine Tränen weg, als ich das Klingeln meines Handys vernehme. Noch trauriger werde ich, als ich sehe, wer mich gerade anruft. Es ist Leylas Vater. Zögernd gehe ich ran und rede ein wenig mit ihm. Er hat sich Sorgen gemacht, da er Leyla nicht erreichen konnte. Wie auch? Sie sitzt hinter Gittern. Doch das weiß er nicht. Keiner aus unserer Familie weiß das. Und sie dürfen es nicht erfahren. Sie wären am Boden zerstört. Ich versichere ihm, dass es Leyla gut geht und sie eingeschlafen ist, weshalb sie nicht an ihr Handy rangeht. Alles Lüge. Nachdem ich aufgelegt habe, fühle ich mich schlecht. Ich habe ihren Vater belogen. Doch würde er die Wahrheit wirklich verkraften? Seine Tochter sitzt meinetwegen im Gefängnis und dazu ist sie auch noch schwanger. Nein. Auch wenn sie schuldig gesprochen wurde, muss ich sie da raus holen. Der wahre Täter ist da draußen. Er ist frei, während meine Frau drinnen leidet. Fest umklammre ich das Lenkrad. Ich werde ihn finden. Ich muss diesen Schlussstrich endgültig ziehen. Rumsitzen und weinen wird mich nicht weiter bringen. Entschlossen hole ich mein Handy wieder hervor und rufe einen meiner Kollegen an.

,,Sammel alle zusammen und seid heute Abend pünktlich. Wir müssen etwas erledigen.'', sage ich kalt in den Hörer. Nachdem ich Cansu bei Azra, der ich ebenfalls eine Lüge erzählen musste, abgegeben habe, mache ich mich Zuhause für den bevorstehenden Abend fertig. Wichtig ist, komplett in schwarz gekleidet zu sein. Die Polizisten sind auf Streife, weswegen wir vorsichtig sein müssen. Während ich in den Spiegel schaue, sticht mir ein Foto von Leyla und mir ins Auge. Ich nehme es in die Hände und setze mich auf das Bett. Lächelnd blicke ich Leyla an. Auf dem Foto hat sie einen großen Babybauch. Zu dieser Zeit ist sie schwanger mit Cansu gewesen. Nun ist sie wieder schwanger. Wir bekommen noch einen Engel. Ich spüre, dass ich kurz davor bin zu weinen. Sachte streiche ich über das Foto. Keine Sorge, mein Engel. Dein Mann wird dich retten. Ich habe dir versprochen, dich immer zu beschützen. Ich werde mein Versprechen nicht brechen. Ich stelle das Foto zurück an seinen Platz und ziehe mir meine schwarzen Handschuhe an. Anschließend begebe ich mich in die Garage. Bevor ich in mein Auto steige, packe ich drei Pistolen sowie zwei Messer ein. Sicher ist sicher. Anschließend setze ich mich ins Auto und fahre los. Die Straßen sind leer. Wahrscheinlich sind die ganzen Leute in den Clubs der Stadt unterwegs. Schließlich ist es ein Freitagabend. Während der gesamten Fahrt denke ich an meinen Plan. Ich bin zuversichtlich, was sehr wichtig ist. Mit Unsicherheit komme ich nicht weit. Ich darf mein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Meine Frau retten. So wie sie mich gerettet hat. Ich fahre aus der Stadt raus. Mittendrin wäre das Treffen zu riskant, da es dort von lauter Polizisten wimmelt. Also fahre ich an einen abgelegene, dunklen Ort. An den Ort, den wir ausgemacht haben. Von Weitem erkenne ich die Leuchten einiger Autos. Ich bin angekommen.

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