Kapitel 47

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Leyla POV

Überglücklich wischte ich mir meine Tränen weg und blickte sie verliebt an. Dieses Gefühl war einfach unbeschreiblich. Ich halte hier gerade tatsächlich meine Tochter im Arm, dachte ich mir zufrieden und konnte nicht aufhören, sie anzusehen. Sie war so wunderschön. Sie hatte schöne, große, braune Augen. Sie hatte Cans Augen. Sie sah im Allgemein aus wie Can. Einfach bildhübsch. Meine kleine Prinzessin. Ich gab ihr einen sanften Kuss. Der goldene Armreif, den unsere Eltern ihr gerade geschenkt hatten, funkelte. Mein Engel. Dann blickte ich zur Tür, die sich gerade öffnete. Can betrat das Zimmer. Gleich würde auch er unsere Tochter zum ersten Mal sehen. Er sah etwas niedergeschlagen aus. So, als wäre das Lächeln auf seinem Gesicht aufgesetzt. Bedrückte ihn etwas? Can setzte sich neben mich und blickte unsere Tochter mit funkelnden Augen an. Er schien überglücklich und ich vergaß meine Gedanken, die ich eben noch hatte sofort, als ich seinen zufriedenen Gesichtsausdruck sah. Ich übergab sie ihm und er betrachtete sie. Sanft streichelte er ihre Wange und gab ihr einen leichten Kuss. Ich fand es so süß, wie berührt er war und wischte mir meine Freudentränen mit der Handfläche weg.
"Sie ist wunderschön", sagte er dann und streichelte meine Wange. Er lächelte mich zufrieden an, gab mir dann einen Kuss auf die Stirn.
"Wie wollen wir sie nennen?", fragte er mich dann. Ich dachte nach. Ein Name, der zu unserem Engel passen könnte.
"Entscheide du", sagte ich mit einem Lächeln und Can überlegte. Ihm fiel aber nichts ein, also half ich ihm, als mir ein Name einfiel.
"Wie wäre es mit Cansu?", fragte ich ihn dann und sein Lächeln verblasste komischerweise. Was hatte er? Er blickte mich traurig an. Gefiel ihm dieser Name nicht?
"Was ist los?", fragte ich ihn besorgt. Doch er antwortete nicht. Er schien etwas verletzt und mein Herz zerbrach bei seinem Anblick. Warum war er so bedrückt?

Can POV

Warum erwähnte sie ausgerechnet diesen Namen? Wenn ich diesen Namen höre, bricht es mir immer wieder das Herz. Mit diesem Namen werden immer wieder diese alten Wunden aufgerissen. Cansu. Ich dachte gründlich nach. Könnte ich meine Tochter so nennen? Könnte ich diesen Namen mein Leben lang sagen? Würde es mich nicht mein Leben lang verletzen? Wäre ich dazu bereit?
Es wäre eine schöne Erinnerung an Cansu. Meine Tochter würde diesen Namen für immer tragen. Nein. Es durfte mich nicht verletzen. Ja, meine Tochter sollte so heißen. Sie sollte den Namen ihrer verstorbenen Tante tragen. Cansu Yalçin. Ich lächelte leicht und nickte.
"Das klingt schön. Cansu Yalçin", sagte ich und Leyla lächelte. Sie wusste nicht, weshalb ich gezögert hatte. Leyla wusste überhaupt nichts von meiner Vergangenheit. Nicht einmal, dass ich überhaupt eine kleine Schwester hatte, die von Mert ermordet wurde. Ich merkte nicht, wie mir die Tränen kamen. An diesem Tag war einer der schönsten Tage meines Lebens. Aber auch einer der traurigsten. Heute hatte ich einen geliebten Menschen dazubekommen. Doch ebenso vermisste ich an diesem Tag einen geliebten Menschen ganz besonders.

"Can. Geht es dir gut? Geh nach Hause und ruh dich aus. Dir scheint es nicht so gut zu gehen", sprach Leyla besorgt und streichelte meine Hand. Sofort wischte ich mir meine Tränen weg und setzte mir wieder ein Lächeln auf.
"Nein. Ich werde hier bleiben. Mir geht es gut. Ich bin sehr glücklich", antwortete ich und streichelte ihre Hand ebenfalls.
"Ağlama (Wein nicht)", sagte sie und wischte mir meine Tränen weg. Ich wollte sie nicht traurig machen, weswegen ich mich zusammenreißen musste.
"Mach dir um mich keine Sorgen. Mir geht es wirklich gut. Schlaf ein wenig", sagte ich zu Leyla und legte Cansu in ihr Bettchen, dass neben Leylas Bett stand. Nachdem eine Stunde vergangen war und ich mich beruhigt hatte, forderte ich Leyla wieder auf schlafen zu gehen. Doch sie blieb stur.
"Nein. Ich will nicht schlafen", sagte sie. Sie wollte mich nicht alleine lassen. Ich blickte zu Cansu, die friedlich schlief. Ich werde Leyla und sie beschützen. Egal wie. Mert kann so oft zurückschlagen, wie er will. Ich werde die beiden niemals alleine lassen und falls ich irgendwann einmal tatsächlich solche Gedanken haben und die beiden wirklich alleine lassen sollte, werde ich mir das niemals verzeihen, dachte ich mir.

"War mein Bruder vorhin auch da?", fragte Leyla mich dann.
"Nein. Nur Azra, Nihat, Kaan und unsere Eltern. Dein Bruder war nicht da", antwortete ich. Sie seufzte.
"Ich mache mir Sorgen um ihn. Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört. Immer wenn ich zu Hause anrufe und nach ihm frage, sagen alle, dass sie von ihm nichts gehört haben. Ich hoffe, es geht ihm gut. Anne (Mama) und Baba (Papa) machen sich auch Sorgen um ihn", erklärte sie bedrückt. Ich fragte mich auch oft, was mit Leylas großem Bruder Cem los war. Er war seit unserer Hochzeit einfach von der Bildfläche verschwunden. Kein Anruf, keine Nachricht, nichts. Auch weder von seiner Frau, noch von seiner Tochter wussten wir etwas. Wir alle machten uns schreckliche Sorgen um ihn. Auch wenn wir überglücklich wirkten, fehlte uns etwas in unserem Leben.nLeyla vermisst ihren großen Bruder und ich meine kleine Schwester. Es gab jedoch einen Unterschied. Er war am Leben, während sie tot war.
"Mach dir keine Sorgen. Ihm geht es bestimmt gut. Wir hören bald bestimmt etwas von ihm", sagte ich zu ihr, um sie zu beruhigen. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machte und dadurch traurig werden würde.

Die Tage und Wochen vergingen dann. Wir hatten uns an das neue Leben mit Cansu schon sehr gewöhnt. Sie war ein sehr ruhiges Kind und zauberte uns jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht. Wir liebten unsere kleine Prinzessin einfach über alles. Das Kinderzimmer war glücklicherweise zum richtigen Zeitpunkt fertig geworden. Es war genauso eingerichtet, wie wir es uns immer für ein Mädchen vorgestellt hatten. Alles schien perfekt, doch irgendwie auch nicht. Ich fühlte mich trotz dieses schönen Lebens so unvollkommen und alleine. Cansu fehlte mir. Meine kleine Schwester fehlte mir. In den letzten Wochen blicke ich sehr oft in den Himmel und frage sie ständig das selbe. Soll ich dich rächen? Doch natürlich bekam ich keine Antwort und würde sie auch niemals bekommen. Was hätte Cansu getan?Was hätte sie gesagt? Sie war ein sehr kluges und fröhliches Mädchen gewesen. Hatte uns allen ständig ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, war für jeden da. Sie hatte weder Ecken noch Kanten. Sie war mein ganzer Stolz. Mein Ein und Alles.Doch sie ist nicht bei mir. Sie ist nicht hier und kann mich nicht trösten. Sie wird nie wieder mehr bei mir sein, dachte ich mir traurig.

Viele Wochen waren inzwischen vergangen. Cem hatte einmal angerufen und wirkte sehr glücklich, was uns erleichterte. Doch danach gab es keine Nachricht mehr von ihm. Seltsam. Mir ging es wiederum nicht besonders gut. Ich weinte sehr oft in den letzten Wochen. Heimlich und still litt ich täglich an diesen qualvollen Schmerzen. Ich wünschte mir, dass ich an ihrer Stelle gewesen wäre. Hätte Mert doch nur mich erschossen.
"Can", hörte ich plötzlich eine brüchige Stimme neben mir. Ich blickte Leyla an, die neben mir saß und Tränen in den Augen hatte. Was ist los mit ihr?, fragte ich mich.
"Leyla? Ne oldu? (Was ist los?)", fragte ich sie besorgt und streichelte ihre Wange.
"Can. M-Mein B-Bruder", sprach sie zitternd. Sie war sehr ängstlich. Etwas Schlimmes war  vorgefallen. Aber was?
"Was ist passiert? Was ist mit ihm? Söyle (Sag es)", sagte ich und konnte meine Tränen ebenso nicht zurückhalten.
"E-Er ist im K-Krankenhaus", schluchzte sie dann. Was? Ohne zu zögern nahm ich Cansu auf den Arm, legte sie in ihren Kindersitz und fuhr mit Leyla ins Krankenhaus, in dem Cem sich befand. Was war geschehen?

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