Kapitel 31

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Ich hielt mir die Hand vor den Mund und zitterte am ganzen Körper. Das war unmöglich. Nein! Ich schaltete den Fernseher sofort aus und dachte gründlich nach. Ich versuchte, dass was ich da gerade gesehen hatte, zu verarbeiten. Dieser Vorfall, der gerade gezeigt wurde, hatte sich vor ein paar Monaten zugetragen. Er hatte mit Deniz zu tun. Deniz war tot. In den Nachrichten war Merts Haus zu sehen und sie sie hatten die Stelle gezeigt, an dem die Leiche gefunden worden war. Sie hatten auch den genauen Tag genannt. Der 16.Juni. An dem Tag wurde ich von Mert entführt. Ich erinnerte mich an den Traum, den ich vor Monaten gehabt hatte. Dieser Traum, in dem Can Deniz getötet hatte. Konnte es sein, dass Can etwas mit Deniz tot zu tun hatte? War es möglich, dass Can geschossen hatte? Schließlich war nicht nur Deniz tot. Merts Männer waren schwer verletzt. Mert selber war nicht zu sehen. Ich bekam Panik. Was, wenn es stimmt? Was, wenn Can tatsächlich etwas damit zu tun hat?, fragte ich mich besorgt. Mein Kopf schmerzte. Die Polizei hatte keine Beweise gefunden und es gibt auch keine Zeugen. Das hieß also, dass Mert in dieser Nacht geflohen war und Deniz Leiche zurück gelassen hatte, um selbst nicht verdächtig zu wirken. Can war gerade in der Firma, weswegen ich alleine zu Hause war. Ich konnte es einfach nicht glauben. Deniz war einfach tot. Ich versuchte mich selbst zu beruhigen, indem ich mir Dinge einredete. Ganz ruhig, Leyla. Vielleicht hatte auch Mert ausversehen auf Deniz geschossen. Vielleicht war Can unschuldig. Ich weinte und wollte es einfach nicht wahr haben. Ach, Can. War es villeicht meine Schuld?

Schließlich hatte ich Can erzählt, was Deniz mir angetan hatte, weswegen er sofort sehr wütend wurde. Hatte er deswegen Deniz getötet? Hatte er Deniz überhaupt getötet?Hatte ihn seine Wut so kontrolliert, dass er nicht mehr wusste, was er eigentlich tat?
Ich malte mir so unglaublich viele schlimme Dinge aus, die alle einen Sinn ergaben und somit auch wahr sein könnten. Mein Mann könnte ein Mörder sein. Gegen Nachmittag kam dann Can nach Hause. Er hatte die Firma heute wohl früher verlassen. Ich saß immer noch hier im Wohnzimmer und dachte nach. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, dass er gekommen war.
"Leyla?'', sagte er und ich erschrak. Erleichtert atmete ich aus und seufzte. Can saß neben mir und blickte mich besorgt an. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er sich neben mich gesetzt hatte.
"Was ist los? Geht es dir nicht gut?", fragte er mich. Ich nickte nur stumm. Er lächelte und umarmte mich plötzlich. Mein Herz raste.
"Alles gute zum Geburtstag. Zieh dich an. Ich habe eine Überraschung für dich", meinte er dann, löste sich von mir und verwundert tat ich das, was er mir sagte. Ich öffnete den Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen könnte. Schlussendlich entschied ich mich für eine schwarze Hose, ein weinrotes, schulterfreies Oberteil, High-Heels und eine schwarze Tasche. Meine Haare ließ ich offen und zog noch meine schwarze Winterjacke an.

Als ich zufrieden mit meinem Outfit war, begab ich mich nach unten, wo Can schon auf mich wartete. Er lächelte zuckersüß und kam auf mich zu. Er trug eine schwarze Jeans, einen dunkelgrauen Pullover, darunter ein weißes Hemd, weiße Schuhe und eine schwarze Winterjacke. Er sah wie immer ziemlich gut aus. Seinen Style hatte er nie verloren.
"Du bist wunderschön", sprach er in einem süßen Ton und mein Herz schien für einen kurzen Moment auszusetzen. Ich lächelte verlegen und plötzlich gab er mir einen sanften Kuss auf die Wange. Oh. Mein. Gott. Bitte kneift mich. Ich schluckte und war mehr als nervös. An diesem Tag war er besonders aufmerksam und süß. Mit einem Lächeln ging er voraus und wir stiegen ins Auto. Es war schon etwas dunkel und bald würde die Nacht schon anbrechen. Mein Herz drohte zu platzen, während ich jedes Mal zu ihm hinschielte und ich war mehr als neugierig, wohin wir wohl fahren würden. Was hatte er geplant?

"Haben deine Eltern dich angerufen?", fragte er mich während der Fahrt. Er konzentrierte sich auf die Straße, was so perfekt aussah. Meine Güte, ist er hübsch, dachte ich mir schwärmend.
,,Leyla?'', sagte er dann und holte mich zurück in die Realität. Ich räusperte mich verlegen und antwortete ihm.
"Ja. Sie haben mir gratuliert und waren vorhin auch da. Azra, Nihat und deine Eltern waren auch da. Wir haben ein wenig geredet und gegessen. Es war schön", erzählte ich und er lächelte.
"Gut. Tut mir leid, dass ich nicht da war. In der Firma gab es viel zu tun", sagte er und ich lächelte. Ich liebte es, wenn Can so aufmerksam und fürsorglich war. So kam es mir vor, als wären wir wirklich ein richtiges Ehepaar. Ein Ehepaar, das sich um einander sorgt und sich liebt.
"Das macht nichts. Wenigstens bist du jetzt da. Ohne dich wäre es nicht so schön", erwiderte ich und erkannte ein Lächeln auf seinen schönen Lippen.

Can POV

Heute wollte ich Leyla einen unvergesslichen Geburtstag bereiten und das aussprechen, was ich die letzten Monate nicht sagen konnte. Ja, ich hatte tatsächlich Gefühle für Leyla. Niemals hätte ich gedacht, dass das möglich wäre. Aber egal, wie sehr ich es verleugnete, es war und ist die Warheit. Ich liebte sie. Aufrichtig und von ganzem Herzen. Ich war zu dem Entschluss gekommen, dass ich es zulassen sollte. Mein Herz wollte sich so sehr an sie binden. Ich wollte ein anderer Mensch werden. Ihretwegen wollte ich nun anfangen zu lieben und aufhören zu hassen. Mein Gangsterleben war mir egal und ich hatte seit Monaten keine Verbrechen begangen. Es war jedoch nicht nur wegen Leyla. Die Nachrichten machten mir Angst. Es machte mir Angst, dass Leyla dieses Geheimnis herausfinden würde. Ich hätte es sein können. Ich hätte Deniz Mörder sein können. Ich war wahrscheinlich Schuld an allem. Ich hatte womöglich etwas getan, was unverzeihlich und furchtbar war. Etwas, was ich nicht wollte. Deswegen konnte ich nicht zurückkehren. Dieser eine Vorfall hatte mir die Augen geöffnet.

Von Mert hatte ich danach nur noch ein einziges Mal etwas gehört. Wir hatten uns nach einem Monat nach diesem Vorfall in einer Nacht getroffen. Ich werde das niemals vergessen, worüber wir beide miteinander geredet hatten. Wie wir beide uns in dieser dunklen Gasse getroffen hatten. Denn dieser eine Vorfall hatte uns beiden, den gefährlichsten Männern dieser Stadt, Angst bereitet.
"Hör zu. Es ist nicht sicher, dass du Deniz getötet hast. Nachdem du gegangen bist, ist Deniz wieder aufgewacht und wir haben uns miteinander gestritten. Dann wurde ich so wütend, dass ich auf ihn geschossen habe. Also könnte auch ich der Mörder sein. Es ist nicht sicher, Can, wer Deniz getötet hat. Aber er ist tot. Ich schlage vor, dass keiner von uns das erwähnt und wir beide abhauen", sagte er. Ich senkte meinen Blick.

"Wir beide könnten schuldig sein. Abhauen ist keine Lösung. All die Jahre haben wir hier rebelliert, uns bekämpft und viele Menschen verletzt. Das einzige, was ich nie getan habe, war es, jemanden zu töten. Ja, du hast es getan. Du hast Cansu getötet. Vor meinen Augen. Aber das ist jetzt auch nicht mehr wichtig. Egal wie und wann ich mich an dir räche, es wird sie nicht zurückholen. Wir sollten das beenden? Mert. Das ist kein Spiel. Das ist die Realität. Dieses elendige Leben auf der Straße ist es nicht mehr Wert. Du solltest deinen Weg gehen und ich meinen. Das wird nie wieder erwähnt", sprach ich und er nickte stumm. Ich kehrte ihm den Rücken zu und wollte gehen, doch er sagte noch etwas.

"Es tut mir leid, Can. Alles", sagte er, doch ich blickte ihn nicht an. Ich nickte nur stumm und ging. Niemandem wird vergeben. Niemals wird vergessen. Doch von nun an auch niemals wieder gesprochen, dachte ich nur, während ich ihn zurück ließ. Das war dann die letzte Begegnung mit Mert. Ja, es war nicht sicher, dass ich Deniz Mörder war. Aber es war möglich. Doch das war mir auch nicht mehr wichtig. Mert und ich hatten uns darauf geeinigt, dieses Gangsterleben zu beenden. So, als hätte es nie existiert. Als hätten unsere Namen nie existiert. Die Feindschaft war vorbei. Der Kampf war vorbei. Alles war vorbei.

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