Kapitel 38

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Auch mit Aleyna war es zu einem Treffen gekommen. Ich weiß jedoch noch ganz genau, wie dieses Treffen mit Mert ablief. In einem eher unbekannten, verlassenen Stadtteil hatten wir es ausgemacht. Ich stand ihm erneut gegenüber. Anfangs schwiegen wir beide. Sein Blick war zu diesem Zeitpunkt, wie jedes Mal, eiskalt und abweisend gewesen. So abscheulich. Ich wollte hier nicht länger rumstehen und nichts tun. Deshalb ergriff ich das Wort.
"Was willst du, Mert?", fragte ich ihn ruhig. Doch er grinste nicht wie gewohnt amüsiert. Er blickte mich tatsächlich ernst an.
"Die Polizei hat herausgefunden, wer der wahre Mörder ist", fing er dann plötzlich an. Sofort wurde ich aufmerksam und wollte nur noch wissen, wer es von uns beiden sein könnte. Er erzählte auch direkt weiter.
"Du bist es, Can. Sie haben die Waffe, mit der du Deniz erschossen hast, gefunden. Deine Fingerabdrücke wurden identifiziert. Außerdem hat die Kugel genau sein Herz getroffen. Nur du hast Deniz in das Herz geschossen. Meine Kugel hat nur seinen Arm getroffen. Du hast ihn getötet", erklärte er und ich brauchte erst einmal eine Minute, um das zu verarbeiten.

Ich bin also Deniz Mörder, dachte ich mir. Ich hatte einen Menschen getötet. Ich bin der Schuldige. In diesem Moment war ich den Tränen mehr als nahe gewesen. Das darf nicht wahr sein. Das kann nicht wahr sein, dachte ich mir. Ich wollte und konnte es einfach nicht wahrhaben.
"Ich lag also die ganze Zeit richtig. Ich habe ihn getötet", nuschelte ich zu mir selbst und hatte beschämt meinen Kopf gesenkt. Ich konnte das nicht so ganz realisieren. Meine Gedanken machten mich in diesem Moment so sehr fertig. Sie taten mehr weh, als jede Wunde, die mir bis zu diesem Tag zugefügt wurde. Ich bin für den Tod eines Menschen verantwortlich. Ich habe einen Menschen mit meinem eigenen Händen umgebracht. Ich habe etwas getan, was ich nie tun wollte. Etwas, wofür ich bestraft werden müsste. Etwas Furchtbares, etwas Schreckliches. Ich habe jemanden getötet, schwirrte es in meinem Kopf die ganze Zeit herum.
"Can? Alles okay?", fragte Mert nach einiger Zeit vorsichtig und riss mich aus meinen Gedanken. Etwas zitternd blickte ich ihn traurig an und konnte irgendwie nicht antworten. Mein Kopf war wie ausgeschaltet. Mein Körper funktionierte auch nicht. Ich blieb an ein und der selben Stelle stehen, ohne mich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
"Sag mir, dass das nicht die Warheit ist. Mert. Ich war es nicht. Oder?", fragte ich mit der letzten Hoffnung, die in mir übrig geblieben war. Doch Mert blickte mich nur bedauernd und weiterhin ernst an. Er legte seine Hand auf meine Schulter und ich wusste, dass er es ernst meinte. Es war die Warheit. Eigentlich wollte ich ihn fragen, weshalb er mich ständig angerufen und mir gedroht hatte. Doch ich kehrte ihm ohne ein Wort den Rücken zu und ging einfach. Ich ahnte schließlich nicht, dass sich sofort ein triumpiehrendes Grinsen in seinem Gesicht breit machte, als ich ihn alleine ließ.

Ich hatte eine unkontrollierbare Wut in mir und war mehr als aggressiv. Angewidert blickte ich auf meine Hände. An ihnen klebte sein Blut. Ich schlug gegen die alten Steinmauern und schrie meinen ganzen Frust raus, während meine Augen sich mit Tränen füllten. Jedoch hielt ich sie die ganze Zeit zurück. Weinen wollte ich nicht. Meine Hände fingen vor lauter Schlagen an zu bluten. Doch das machte mir nichts aus. Ich musste meine Wut irgendwie durchstehen und rauslassen.
"Can?", hörte ich plötzlich eine bekannte Stimme hinter mir. Ich hörte auf, gegen die Wand zu schlagen und drehte mich zu der Person. Es war Aleyna und nun kommen wir zu meinem Treffen mit ihr. Ja, ich hatte sie genau in der selben Nacht getroffen, in der ich auch Mert getroffen hatte. Wirklich seltsam. Als hätten sie das alles geplant. Doch das hielt ich nicht für möglich. Mert und Aleyna hatten schließlich nichts miteinander gemeinsam und auch keinen Kontakt zueinander. Sie kannten sich nicht einmal richtig. Warum also sollten ausgerechnet die beiden etwas miteinander zu tun haben?
"Aleyna? Was machst du hier um diese Uhrzeit?", fragte ich sie verwirrt.
"Ich war etwas spazieren. Was machst du hier?Warum schlägst du gegen die Wand? Deine Hände bluten. Was ist los, Can?", fragte sie mich schockiert und besorgt. Ich seufzte und mir kamen dann schließlich tatsächlich die Tränen. Sie kam langsam auf mich zu und berührte vorsichtig meine Wange.

Ich blickte ihr in die Augen. In diesem Moment wusste ich nicht, was ich tat. Wir sagten nichts und blickten uns gegenseitig eine Ewigkeit schweigend an. Mein Herz fühlte sich so schwer an. In diesem Moment wusste ich nicht, was ich fühlen oder denken sollte. Ich war nur wieder der jung, naive Can, der sich nicht zu helfen wusste. Wie damals. Es fing dann schließlich an zu regnen.
"Möchtest du mit zu mir kommen? Es ist spät und es regnet", sagte sie dann. Ich antwortete nicht, hatte meinen Blick nur betrübt gesenkt und sie zog mich dann regelrecht mit sich. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich unfähig und schwach, etwas zu sagen oder zu unternehmen. Dann saßen wir schließlich bei ihr im Wohnzimmer. Wie es so schnell dazu kam, daran erinnere ich mich bis heute nicht.
"Was ist los mit dir? Geht es dir gut?", fragte sie mich erneut, während sie sich um meine Hände kümmerte. Ich blickte sie nicht an und schwieg. In meinem Kopf wiederholte sich der selbe Satz immer wieder.

Ich bin ein Mörder. Ich bin ein Mörder.

Es erklang immer wieder in mir. Es nahm einfach kein Ende. Ich bekam heftige Kopfschmerzen. Ständig wiederholte ich diesen Satz in meinem Inneren. Ohne ein Wort wischte ich mir meine Tränen weg und merkte irgendwann, dass Aleyna mir ziemlich nahe gekommen war. Verwirrt blickte ich sie an.
"Was tust du?", fragte ich sie und musterte sie währendessen.
"Du kannst mir alles sagen, Can. Wenn du nicht glücklich bist, kannst du es ruhig sagen. Ich bin immer für dich da", meinte sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
"Wer sagt, dass ich nicht glücklich bin? Wie kommst du darauf?", fragte ich sie ein wenig empört. Leyla war für mich schließlich die beste und schönste Frau auf dieser Welt. Sie war meine Ehefrau und machte mich mehr als glücklich. Doch Aleyna konnte zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht wissen, dass ich verheiratet war. Oder etwa doch? Sie seufzte genervt.
"Can.Du kannst mir nicht erzählen, dass du mit deinem jetzigen Leben zufrieden und glücklich wärst. Etwas stimmt mit dir nicht. Du hast dich von mir einfach abgewendet, obwohl wir beide uns doch lieben. Wer ist sie?", fragte Aleyna mich dann.
"Wen meinst du mit sie?", fragte ich Aleyna wiederum.
"Es muss eine andere Frau in deinem Leben geben. Sonst würdest du mich niemals verlassen. Sag mir, wer sie ist", forderte Aleyna mich auf. Sie wusste nichts von Leyla. Genervt stand ich dann schließlich auf und wollte gehen. Doch sie hielt mich fest, stellte sich vor mich und wollte mich nicht gehen lassen.

"Geh mir aus dem Weg", sagte ich wütend.
"Can. Bitte tu mir das nicht an. Ich liebe dich doch so sehr. Es tut mir leid, falls ich etwas falsch gemacht habe. Bitte. Bleib bei mir und gib mir noch eine Chance", flehte sie mich mit Tränen in den Augen an.
"Niemals", sagte ich und wollte gehen. Doch plötzlich zog sie mich zu sich und küsste mich. Einfach so. Es kam so plötzlich, dass ich überhaupt keine Möglichkeit hatte, ihr direkt zu entweichen. Als ich es realisiert hatte, riss ich mich sofort von ihr und blickte sie empört an. Angewidert wischte ich mit meinem Ärmel über meine Lippen. Dann ging ich einen Schritt auf sie zu und blickte ihr tief in die Augen.
"Komm mir nicht mehr unter die Augen", drohte ich ihr und verließ dann schließlich die Wohnung. Draußen angekommen wischte ich mir meinen Mund abermals ab und ging mit gemischten Gefühlen schließlich nach Hause. So war das. So hatte ich die beiden wieder gesehen und Leyla wusste von alldem nichts, da ich ihr nichts erzählt hatte. Nicht, dass ich mich mit Mert getroffen hätte. Nicht, weshalb meine Hände verletzt waren. Auch nicht von dem Kuss mit Aleyna.

Doch seit diesem Tag wusste ich, dass die beiden noch eine Rechnung mit mir offen hatten und es auch wieder zu einem Wiedersehen, was ich niemals vergessen werde, komme würden. Ich saß nun wieder hier, neben Leyla und beobachtete sie beim schlafen. In letzter Zeit musste ich ziemlich oft wach bleiben und überprüfen, dass sie auch richtig und fest schläft, da sie in diesen Zeiten oft Alpträume hatte. Wenn sie schlecht träumte, weckte ich sie sofort und beruhigte sie. Weshalb sie diese Albträume hatte, wussten wir beide nicht und sie wollte mir nie erzählen, was sie träumte. War es so schrecklich? In jener Nacht dann, hatte sie wieder einen Alptraum. Doch diese Nacht wäre anders, als die anderen Nächte.

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