Kapitel 15

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Leylas Sicht

Nun war der Abschied gekommen. Weg von allen. Mir kamen die Tränen und ich wollte nicht von meiner Familie loslassen. Auch wenn sie daran Schuld waren, dass ich nun gehen musste.
"Alles wird gut, Leyla. Ağlama (Weine nicht)", sagte meine Schwester beruhigend und strich mir über den Rücken. Nichts wird gut. Alles wird sogar noch schlimmer. Meine Eltern umarmte ich ohne jegliche Emotionen. Der Abschied fiel mir zwar schwer, doch genau ihretwegen, vorallem wegen meinem Vater musste ich schließlich gehen. Auch Can verabschiedete sich von unseren Familien.
"Pass auf sie auf. Beschütze sie", bat mein Vater und Can nickte vertraut. Mich beschützen. Lustig. Wir stiegen in dem schwarzen Porsche, der Can gehört und fuhren los. Nun bin ich eine Ehefrau. Seine Ehefrau. Mein Eheleben beginnt. Ich erinnerte mich an Azras Hochzeit. Ich war so glücklich, so voller Hoffnung. Dachte, dass eine Hochzeit etwas schönes wäre. Doch diese Gedanken waren alles nur eine große Lüge, die ich mir selbst eingeredet hatte. Meine Denkweise hatte sich geändert. Von allem.

Die Fahrt dauerte nicht all zu lange, keiner von uns sagte ein Wort. Wir parkten vor einem bildschönen, großen Anwesen. Das ist von an unser Haus? Diese Villa? Sie war genau wie in meinem Träumen. Einfach wundervoll. Wahrscheinlich hatte Can es ausgesucht. Can und ich sahen gemeinsam dieses Haus an. Wir blickten unser Haus an. Wenn es schon von außen so traumhaft aussah, wie ist es erst von innen.
"Nach dir", sagte er und ich ging voraus. Er öffnete die Tür und wir befanden uns nun in einem riesigen Wohnzimmer. Die Einrichtung war sehr modern und sah teuer aus. Zwei Treppen, Links und Rechts führten nach oben. Dieses Haus ähnelte einem Palast. Ich begutachtete jeden Raum ganz genau und verliebte mich immer mehr in dieses Haus. Es gab hier genug Platz für alle und auch der Garten war einfach gigantisch und schön. Ein richtiges Familienhaus. Meine Kinder würden hier einfach wunderbar aufwachsen. Ich schluckte nervös. Meine Kinder? Was denke ich da bloß für Dinge?, fragte ich mich selbst. Ich war ja so naiv. Ich bemerkte nicht, dass Can sich nicht das Haus anschaute. Er betrachtete nur mich. Weshalb auch immer. Dann kamen wir bei unserem Schlafzimmer an. Unserem. Nervös öffnete ich die Tür und wir betraten den Raum. Es war ein wunderschönes, geräumiges Zimmer. Ein riesiges Doppelbett stach mir ins Auge. Ich seufzte und holte meine paar Sachen von unten. Mit Can sprach ich nicht, sondern tat nur das, was ich tun musste.

Nachdem ich mein Eigentum wie Bilder, Schuhe und weiteres eingeräumt sowie räumte meine Kleidung in den großen Schrank geräumt hatte, nahm ich mir eine graue Jogginghose und ein weißes T-Shirt raus und begab mich ins Badezimmer. Als ich die Tür abgeschlossen hatte, lehnte ich mich gegen sie und schloss meine Augen. Wie soll ich das nur aushalten?, fragte ich mich verzweifelt. Er ist jetzt mein Mann. Ich konnte es immer noch nicht glauben und öffnete meine Augen. Das Badezimmer war wie zu erwarten traumhaft schön. Ich schminkte mich ab, zog mir mein Kleid aus, öffnete mein Haar und blickte mich im großen Spiegel an.Ich fühlte mich nicht schön. Ich fühlte mich schmutzig, hässlich, unwohl. Ich sah wirklich schrecklich aus. Mein Gesicht wirkte blass und mein Körper etwas abgemagert. Meine Arme waren ziemlich verwundet und unter meinen glasigen Augen zeichneten sich dunkle Augenringe ab. Dieses Make-Up war wie eine Maske, die mein wahres Ich verdeckt hatte. Was sich unter dieser Maske befand, das wusste keiner. Lange hatte ich mich nicht mehr so genau im Spiegel betrachtet. Es wiederte mich einfach an.
Warum hat mich Can genommen? Er hätte eine perfekte, schöne Frau haben können. Schließlich war er selber ziemlich attraktiv. Jede würde ihn haben wollen. Warum also gerade Ich?, fragte ich mich verwundert. Ich konnte diesen Anblick nicht länger ertagen und stieg deshalb in die Wanne. Das warme Wasser auf meiner Haut tat mehr als gut. Nachdem ich fertig war und mich umgezogen hatte, nahm ich mein Kleid in die Hand, begab ich mich aus dem Bad und blieb abrupt stehen.

Vor mir stand Can. Seine Haare waren ein wenig nass, waren verwuschelt und er trug bequemere Kleidung. Eine graue Jogginghose und ein schwarzes Oberteil. Er hatte wohl im anderen Badezimmer geduscht. Ich musterte ihn genau.Er sieht einfach wie immer so unfassbar gut aus. Das ist also jetzt mein Ehemann. Er gehört tatsächlich nun mir. Er kam langsam auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Weshalb ist er mir so nah? Was will er? Ich begann etwas zu zittern, da mich sein Nähe sehr einschüchterte. Doch plötzlich nahm er mich damit an die Hand und ging mit mir zu unserem Bett. Ich setzte mich hin und beobachtete jeden seiner Bewegungen. Ich hatte etwas Angst, da ich ihm nicht richtig vertraute. Seit diesem schlimmen Tag hatte ich mein Vertrauen zu Männern sowieso verloren. Ich zitterte etwas, während Can etwas holte. Er setzte sich neben mich mit einem Verbandskasten und ich blickte ihn nur verwirrt an. Sachte nahm er meinen Arm und verarztete ihn sorgfältig. Dies tat er auch mit dem anderen und meine Zweifel waren nun weg. Ich dachte zuerst, dass er mir irgendwas tun wollte. Doch er wollte mir nur helfen. Ich fand es irgendwie rührend, da das genau das war, was ich mir immer gewünscht hatte. Er kümmerte sich um mich. Die ganze Zeit über starrte ich ihn gedankenverloren an.

Nachdem er fertig war, legte er den Kasten beiseite und blickte mich an. Ich wollte ihn nun nicht mehr anschauen und hatte meinen Blick gesenkt, da sein Blick mich ebenfalls einschüchterte. Ich hatte kein Selbstvertrauen mehr. Er drehte mein Gesicht jedoch zu sich und nun blickte ich ihm in die Augen. In diese schönen, braunen Augen. Er lächelte sanft. Er lächelte mich an und dieses wunderschöne  Lächeln gab mir ein wohliges Gefühl.
"Ich werde unten auf der Couch schlafen. Wenn was ist, dann ruf mich einfach", meinte er, stand auf und wollte gehen. Doch ich hielt ihn fest. Ich wollte und konnte ihn irgenwie nicht gehen lassen. Ich wollte nicht alleine sein. Nicht mehr. Das Alleinsein machte mich kaputt. Ich wollte, dass er bei mir bleibt. Er blickte mich an, während ich nur meinen Blick gesenkt hatte.
"Bitte, bleib bei mir", sprach ich nur schwach.
"Okay", erwiderte er nur ohne zu zögern, woraufhin ich ihn los ließ und mich hinlegte. Warum ich das gesagt hatte? Warum ich ihn aufgehalten hatte? Warum ich ihn bei mir wollte? Das wusste ich nicht. Aber ich wollte einfach nur, dass er bei mir bleibt. Als würde ich ihn brauchen. Tat ich das vielleicht auch?Brauchte ich seine Nähe? Brauchte ich seine Wärme? Brauchte ich ihn?

Er schaltete das Licht aus und legte sich dann neben mich. Er schloss seine Augen und sah einfach mehr als süß aus. Er sah einfach unwiderstehlich aus. Der Junge, den ich für arrogant hielt und wegen dem ich oft ins Schwärmen geriet, ist nun mein Ehemann. Der Junge, der mein Nachbar war und mich damals meine Nerven kostete, liegt nun neben mir. In seine Augen würde ich nun jeden Tag blicken. Das Leben ist doch verrückt. Wer hätte schließlich gedacht, dass gerade er mein Ehemann sein würde? Wer hätte gedacht, dass ich nun neben ihm liegen und in seine wunderschönen Augen blicken würde? Wer hätte jemals gedacht, dass alles so kommen würde? Wer hätte gedacht, dass er meine Zukunft wäre?
Can. Ja. Can ist meine Zukunft. Meine Zukunft, die ich nicht stoppen kann. Meine Zukunft, die ich nie so erwartet hätte. Er liegt hier. Neben mir. Ist an meiner Seite. Er ist nun mein Ehemann.

Ich hätte das alles niemals gedacht, niemals erwartet. Dass ich jetzt so neben ihm liegen würde. Dass ich jetzt seine Frau wäre. Dass ich vergewaltigt werde. Dass mir all das passieren würde. Ich hätte das wirklich nie gedacht. Viele Dinge kommen aber eben unerwartet. Manchmal sind sie gut, doch manchmal leider auch schlecht. Sie sind unaufhaltsam und vorallem sind sie geheimnisvoll. Keiner weiß, wann sie geschehen, wie sie geschehen und weshalb sie geschehen. Mit der Zeit erfährt man all dies und einem wird bewusst, dass sich von Heute auf Morgen alles im Leben ändern kann. Einfach so. Unerwartet und unaufhaltsam. Denn schließlich steht alles geschrieben. Das ist mir bewusst geworden. Es ist einfach so geschehen. Ohne, dass ich es geahnt hätte. Alles hatte sich so krass gewendet und ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ob das hier vielleicht mein Schicksal ist? Das wusste ich damals nicht. Noch nicht.

ZwangsheiratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt