Kapitel 86

183 6 0
                                    

Mert POV

Ein Missverständnis? Alles war meine Schuld gewesen? Meinetwegen haben Can und ich so viel durchmachen müssen? Ich schmeiße alles, was ich in die Finger bekomme auf den Boden, schreie und weine dabei gleichzeitg. Eine unkontrollierbare Wut hatte sich mit einem Mal in mir ausgebreitet. Diese Wut ist jedoch nicht gegen Can oder Leyla. Sie ist meinetwegen entstanden. Denn langsam realisiere ich, dass ich mich all die Jahre selbst belogen habe. Nachdem meine Schwester mir von der Trennung mit Can erzählt hatte, schien sie nämlich nicht unglücklich zu sein. Erst einen Monat später hatte sie sich verändert. In diesem Monat hatte sie erfahren, dass sie schwanger war und ich dachte zu diesem Zeitpunkt natürlich, dass das Kind von Can gewesen war. Doch ich lag falsch. Ich hätte wissen müssen, dass sie zu diesem Zeitpunkt einen anderen Mann geliebt und er sie nur missbraucht hatte. Nie hatte sie mir erzählt, von wem das Kind gewesen war, weswegen für mich nur Can infrage kam. Schließlich wusste ich nichts von dem anderen Mann. Ezra war nicht die Art von Mädchen gewesen, die sich oft mit Jungs traf oder überhaupt Kontakt zu Jungs hatte. Doch einmal hatte ich sie mit einem Typen auf der Straße gesehen. Sie schienen nicht besonders vetraut, doch sie wirkte bei ihm sehr glücklich und er war der erste und einzige Junge gewesen, den ich jemals mit ihr gesehen hatte. Damals hatte sie gemeint, dass er nur ein guter Freund gewesen sei. Doch heute bin ich mir sicher. Er war es gewesen. Er war der Mann gewesen, der sie benutzt hatte. Hätte ich es doch nur gewusst. Hätte ich ihn doch nur kennengelernt. Hätte ich mit Ezra doch nur geredet. Irgendetwas sagt mir, dass ich das alles angefangen habe und nun beenden muss. Nein. Das ist die Wahrheit. Ich muss dem ein Ende setzen.

Leyla POV

Traurig stehe ich nun an dem Grab meines Bruders. Ich bin so verzweifelt und unsicher. Soll ich es wirklich wagen? Soll ich es wirklich tun? Ich spüre, wie heiße Tränen meine Wange hinunterlaufen. Ich berühre das Grab meines Bruders und gehe auf die Knie.
"Ach, wärst du noch hier. Ich bin so verzweifelt. Wie kann ich Can helfen? Soll ich es wirklich tun?", frage ich traurig und hoffe auf eine Antwort, die ich nicht bekommen würde. Während ich im Stillen weine, streichele ich sachte die Erde, unter der er begraben liegt. Wäre das, was ich vorhabe wirklich hilfreich?, frage ich mich selbst. Nachdem ich mich ein wenig beruhigt, mich von meinem Bruder verabschiedet habe und ins Auto gestiegen bin, klingelt mein Telefon.
"Hallo?", spreche ich den Hörer und schniefe, während ich mir meine Tränen wegwische.
"Haben Sie Mert gefunden?", fragt mich die ungeduldige Stimme des Kommissars, was mich noch trauriger macht.
"Ja", gebe ich nur mit brüchiger Stimme von mir.
"Und? Habe Sie ihn überreden können, sich zu stellen?", fragt er mich und mir kommen wieder die Tränen. Ich beiße mir auf die Unterlippe und blicke in den Himmel. Ach, wäre es doch nur so.
"Frau Yalçin?", ertönt seine verwirrte Stimme nach einiger Zeit.
"Ich werde gleich da sein. Ich muss mit Ihnen sprechen", sage ich nur und lege dann auf. Nachdem ich aufgelegt habe, lege ich meinen Kopf auf das Lenkrad und beginne wieder zu weinen. Diesmal noch schmerzhafter und vorallem schuldbewusster.
"Es tut mir leid, Can", sage ich leise und fahre dann nach Hause. Dort angekommen begebe ich mich erst einmal ins Bad und übergebe mich. Ich konnte es einfach nicht mehr zurückhalten. Weshalb ich das getan habe, darüber denke ich gar nicht erst nach, da meine Gedanken ganz woanders sind. Das Klingeln des Haustelefons reißt mich aus meinen Gedanken. Es ist die Firma, in der Can arbeitet.

"Wir wollten uns nach Herr Yalçin erkundigen. Seit einigen Tagen ist er krank gemeldet. Können Sie uns sagen, wann er wieder kommen kann?", fragt mich die Stimme der Sekräterin. Ich setze mich auf die Couch und muss mich zusammenreißen.
"Sein Zustand ist gerade dabei sich zu stabilisieren. Es wird aber nicht mehr lange dauern", erkläre ich, was sie glücklicherweise zufrieden stellt. Doch es stimmt. Schon bald würde er wieder ein normales Leben führen können und ich wäre diejenige, die ihm dies ermöglicht. Eine halbe Stunde später sitze ich nun vor dem Kommissar und habe ihm alles erklärt. Er hat seine Arme ineinander verschränkte, blickt dabei mich trostlos an.
"Es ist an der Zeit, dass Sie meine Bitte erfüllen", sage ich dann nach einigen Minuten der Stille. Er stößt einen Sezfzer aus und setzt sich mir gegenüber.
"Sind Sie sicher, dass Sie das tun möchten?", fragte er mich noch einmal, um sicher zu gehen.
"Ja. Wie schon gesagt, lässt sich Mert nicht umstimmen und die Verhandlung ist schon morgen. Also, habe ich gar keine andere Wahl", erkläre ich ihm bedauernd.
"Wollen Sie mit ihrem Mann darüber sprechen?", fragt er mich dann und darauf weiß ich keine Antwort. Soll ich es Can sagen? Ich lächele leicht.
"Nein. Er soll sich keine Sorgen machen. Schließlich tue ich das, um ihn zu retten", antworte ich, als ihm dann etwas einfällt.
"Was ist mit den Beweisen? Wie sollen wir das ganze beweisen? Auf dem Video ist schließlich nur zu sehen, wie Ihr Ehemann auf das Opfer schießt", meint er dann und ich verschränke meine Arme ineinander, während meine Miene wieder ernster wird.
"Es gibt Beweise, denn es gibt noch ein Video, auf dem alles zu sehen ist, was in dieser Nacht geschehen ist", sage ich.
"Wo ist es?", fragt mich der Kommissar aufmerksam. Ich lächele.
"Bei mir", gebe ich als Antwort.

ZwangsheiratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt