Kapitel 23

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Can POV

Merts Worte von vorhin gingen mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich hatte Angst. Angst, dass er von Leyla erfahren und ihr etwas antun würde. Ich konnte an nichts anderes mehr denken und überlegte mir daher, wie ich sie besser beschützen könnte. Mert hatte wie ich, viele Kontakte und kannte hier in dieser Stadt somit auch viele Leute. Er könnte seine Männer los schicken und sie beauftragen, mich auszuspionieren. Villeicht hatte er das sogar schon getan. Eigentlich fürchtete ich mich vor nichts. Ich zeigte nie Angst. Doch es war genau wie damals bei meiner Schwester Cansu. Ich hatte große Angst um einen Menschen, der mir etwas bedeutet. In diesem Fall war es Leyla. Ja, sie bedeutete mir tatsächlich etwas. Sogar sehr viel. Niemals hätte ich das für möglich gehalten, dass mir eine Frau so viel bedeuten würde. Keine meiner bisherigen Freundinnen waren mir irgendwie wichtig gewesen. Die Beziehungen waren nur zum Zeitvertreib gewesen. Doch Leyla war anders. Leyla war mir wirklich wichtig. Nachdenklich blickte ich nach draußen in den Regen, als ich dann Leylas Stimme wahr nahm.

"Can. Bist du okay?", fragte sie mich und klang besorgt. Sie war die erste Frau, die sich wirklich richtig um mich sorgte. Sie war ein herzensguter Mensch. Schweigend blickte ich sie an und zwang mir ein Lächeln auf. Ich nickte nur als Antwort, doch sie glaubte mir wohl nicht.
"Du kannst mir alles sagen, Can. Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber ich bin deine Frau und ich möchte nicht, dass es dir schlecht geht. Du bedeutest mir viel", meinte sie dann ehrlich und das überraschte mich sehr. Diese Worte klangen so unglaublich ehrlich und gaben mir ein gutes Gefühl. Noch nie kam mir ein Mensch so aufrichtig vor, wie sie in diesem
Augenblick. Sie blickte mir ernst in die Augen und in ihren erkannte ich irgendwie Schmerz. Tat ich ihr so leid, dass es ihr schon weh tat?

Lange blickten wir uns gegenseitig an, bis ich plötzlich eine Träne auf ihrer Wange bemerkte. Sie hatte meinetwegen Tränen in den Augen. Es war eine einzige Träne, die ihre Wange hinab floss. Ich seufzte und strich diese Träne behutsam weg. Ihr Anblick tat mir etwas weh und ich hatte irgendwie Schuldgefühle in mir. Sie durfte nicht weinen. Das wollte ich nicht. Ich wollte, dass sie lacht und glücklich ist. Denn genau das hatte sie verdient. Nicht diese Tränen. Nicht diese Trauer. Nicht diesen Schmerz. Nur Glück, Freude sowie Liebe. Auch wenn ich ihr diese Liebe nicht geben oder zeigen konnte, wollte ich sie wenigstens glücklich machen und ihr Freude an ihrem Leben schenken.

Leyla POV

Der Grund, weswegen ich weinte war, weil ich die Tatsache nicht ertragen konnte, dass es ihm schlecht ging. Mit ihm stimmte etwas nicht und das wusste ich ganz genau. Auch wenn er es nicht zeigte, sah ich ihm seinen Kummer an. Ihn so zu sehen, zerbrach mir das Herz.
"Warum weinst du?", fragte er mich nun und ich wusste ehrlich gesagt nicht, wie ich ihm das erklären sollte. Ich hatte Gefühle für ihn, war aber zu schwach, um sie ihm zu gestehen. Ich hatte Angst vor seiner Reaktion. Ihm zu sagen, dass er mir viel bedeutet, kostete mich schon viel Überwindung. Ihm zu sagen, dass ich ihn liebe, wird mir also viel schwerer fallen, dachte ich mir ängstlich. Dennoch wollte ich herausfinden, was in ihm vor ging. Ich wollte herausfinden, was geschehen war. Ich wollte ihn beschützen und ihm helfen. Entschlossen blickte ich ihn an.
"Ich weiß zwar nicht, was los ist Can.Aber eins kann ich dir sagen. Ich werde immer für dich da sein", sprach ich ernst und verließ dann das Zimmer. So stark bin ich, das wusste ich.

Can hatte mir viel geholfen. Er hatte mich geheiratet, mich beschützt, mir Kraft gegeben. Er hielt mich fest, bevor ich tiefer in dieses dunkle Loch stürzen konnte und war der Grund, weswegen ich leben wollte. Wäre er nicht gewesen, hätte ich mich wahrscheinlich wieder versucht, umzubringen. Auch wenn ich es anfangs nicht glauben wollte, war er ein sehr guter Mensch. Er hatte ein reines Herz, denn er war für mich da. Ich lag von Anfang an falsch. Er war nicht nur Can Yalçin, der gefährliche Mann von der Straße. Er war ebenso Can Yalçin, ein ganz normaler Mensch, mit Gefühlen und einem Herz. Er musste diese Gefühle nur raus lassen und ich wollte ihm zeigen, dass er dazu fähig war. Der Regen hatte aufgehört und ich begab mich gegen Abend nach draußen. Can war gegen Nachmittag nach draußen gegangen und hatte nicht gesagt, wohin er geht. Ich langweilte mich ziemlich alleine zu Hause und beschloss dann auch nach draußen zu gehen. Der Wind wehte etwas stärker als sonst und es war eine sternklare Nacht. Außerdem war es sehr kühl. Doch die Abendluft tat gut und der Spaziergang ebenso.

Ich dachte etwas nach. Ehrlich gesagt fehlte mir meine Familie. Auch wenn ich mich oft mit ihnen gestritten hatte, vermisste ich sie. Sie waren schließlich immer noch meine Familie. Die Menschen, die mich großgezogen hatten. Meine Wut auf sie war verflogen. So schlimm war mein Leben mit Can schließlich doch nicht, wie ich es mir eigentlich vorgestellt hatte. Ich fühlte mich ziemlich schlecht, weil ich ihn so eingeschätzt hatte. Betrübt setzte ich mich auf eine Bank und blickte in den Himmel. Wie Azras Ehe wohl wahr? Bestimmt schöner als meine. Schließlich liebt Nihat sie und sie liebt ihn, dachte ich mir. Dann ging mir diese eine Frage durch den Kopf. Wie es wohl wäre, wenn Can mich ebenfalls lieben würde? Plötzlich riss mich etwas aus meinen Gedanken. Ein Geräusch. Es klang wie eine Art Rascheln von den Bäumen. Es war ziemlich laut und ich fühlte mich irgendwie beobachtet sowie unwohl. Was war das?

Sofort stand ich auf und ging die finstere Straße entlang.Nur die Straßenlaternen spendeten etwas Licht.Hier war es wirklich furchteinflößend.Ich hörte Schritte hinter mir und drehte mich panisch um.Es war aber niemand zu sehen.
Bildete ich mir das villeicht nur ein?
Ich ging weiter und bemerkte, dass ich mich in einer dunklen Gasse befand.Ich bekam es mit der Angst zu tun und hörte Stimmen von weitem.Nein.Das war ganz sicher keine Einbildung.Hier war es finster und beängstigend.Ein Ort, der angsteinflößend und gefährlich war.
"So trifft man sich also endlich Mal wieder, Leyla", sagte plötzlich eine Stimme hinter mir und ich erschreckte mich zu Tode.Zitternd drehte ich mich zu der Person und blickte sie mit weit gerissenen Augen an.Scheiße!
Es war Mert.Cans grausamer Feind.
Was tat er hier?
Woher kannte er meinen Namen?
Was hatte er vor?

Mit einem Grinsen kam er einen Schritt auf mich zu, während ich nur einen Schritt zurück ging.Er legte seinen Kopf etwas schief und sein Grinsen wurde breiter.
"Ich muss schon sagen.Damals konnte ich dein Gesicht nicht erkennen.Aber jetzt sehe ich, dass du eine richtige Schönheit bist.Da hat Can sich aber was hübsches rausgesucht", meinte er dann amüsiert und ich war verwirrt.
Can hat sich etwas hübsches "rausgesucht"?
Was hatte das zu bedeuten?
"Du weißt anscheindend, wer ich bin und wer Can ist.Wir sind beide kriminelle, kalte Monster, die mit dem Leben anderer spielen", erklärte er dann und lief dabei um mich herum.
Wie konnte er es wagen, so über Can zu urteilen?
"Nein.Can ist kein Monster.Auch wenn er ein Gangster ist, hat er ein gutes Herz.Für ihn existiert nicht nur diese Seite.Er ist nicht so wie du.Er hat ein Herz", sagte ich und Mert lachte.Er blieb dann irgendwann stehen und blickte mich ernst an.

"Ein Herz?Glaub mir, ich kenne Can schon sehr lange.Er hat kein gutes Herz.Er hat keine Gefühle.Nichts.Er ist ein Monster.Genau wie ich. Er denkt nur an sich selbst.Ich weiß nicht warum, aber du scheinst großen Einfluss auf ihn zu haben.Wer bist du bitte?Wieso lebst du mit ihm zusammen?Was habt ihr für eine Beziehung miteinander?", fragte er mich nun auffordernd und ich bekam es immer mehr mit der Angst zu tun.Ich wusste nicht, was ich antworten sollte.Ich schwieg und er grinste wieder triumphierend.Er stand nun direkt vor mir und musterte mich.
"Du meinst, dass er ein Herz hätte und für ihn nicht nur diese Seite existiert.Dass er Gefühle hätte und kein Monster wäre.Na schön, dann werde ich ihn testen.Ich will sehen, ob du es bist.Wir werden sehen, was für ein Mensch Can wirklich in seinem inneren ist", meinte er nur und schlug mich plötzlich so hart, dass ich auf den Boden fiel.Bevor ich jedoch das Bewusstsein verlor, sagte er noch etwas.
"Ich will wissen, ob du es bist.Dass, was ihm am wichtigsten auf dieser Welt ist.Ich werde noch herausfinden, wer oder was du für ihn bist", sagte er und meine Sicht verschwamm dann komplett.

ZwangsheiratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt