Kapitel 70

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Leyla POV

"Ja. Ich verstehe. Ich kläre das irgendwie. Mach dir keine Sorgen. Bis dann", sagt Can und zieht sich seine Jacke an. Er scheint ziemlich besorgt sowie gestresst zu sein.
"Wer war das?", frage ich ihn. Seufzend setzt er sich neben mich, sieht mich dabei hoffnungslos an. Ob es so schlimm ist?
"Kadir. Er ist für die Finanzen und den Umsatz der Firma zuständig. Gerade scheint es ein Problem zu geben, da die Firma nicht mehr so viel einnimmt und es kann sein, dass wir bankrott gehen. Außerdem sind die Arbeiter auch nicht zufrieden und viele wollen wieder kündigen. Ich weiß wirklich  nicht, wie das ganze weitergehen soll. Warum haben wir in so kurzer Zeit so viel Geld verloren? Warum will keiner mehr dort arbeiten? Was ist passiert?", fragt er schon sich selbst und auch ich stelle mir diese Fragen. Cans Firma ist eine der erfolgreichsten weltweit. Seit Jahren macht sie jährlich einen guten Umsatz. Warum also sollte sie einfach bankrott gehen? Warum sollten so viele ihre Kündigung einreichen? Warum passiert das alles jetzt auf einmal? Can gibt mir einen flüchtigen Kuss und verlässt dann mit einem "Bis heute Abend" das Haus. So bleibe ich verwundert zurück und grübele eine Weile. Cans Familie hat diese Firma mit viel Kraft zu dem gemacht, was sie heute ist. Mit ihren eigenen Händen haben sie das geschafft und nun soll sie einfach den Bach unter gehen. Warum? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Schließlich hat es bis heute nie Probleme gegeben, was die Firma betrifft. Als ich dort gearbeitet habe, hat alles perfekt gewirkt. Die Arbeiter sahen mehr als zufrieden aus und auch der Umsatz war mehr als gut. Warum also? Ich bete dafür, dass alles wieder besser wird. Hoffentlich befindet sich Can nicht in zu großen Schwierigkeiten.

Can POV

Kadir kommt sofort auf mich zugerannt, als ich aus dem Auto steige und die Firma betrete. Er folgt mir in mein Büro. Ich ziehe meine Jacke aus, lege sie auf meinen Stuhl und blicke auf meinen Schreibtisch. Schon wieder liegen dort einige Kündigungsschreiben. Seit Tagen geht das nun schon so. Jeden Tag will jemand anderes kündigen. Was ist hier bloß los? Es ist, als würden sie alle streiken. Als hätten sie etwas gegen mich. Warum wollen sie kündigen?
"Was ist hier los?", frage ich Kadir und setze mich auf meinen Stuhl. Er seufzt. Er sieht so gestresst aus.
"Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was der Auslöser für das alles ist. Viele Arbeiter wollen kündigen, der Umsatz sinkt und wir stehen in den Medien schlecht dar, was alles noch verschlimmert", schildert er mir die Situation. Ich massiere meine Schläfe. Ich bin verzweifelt, verstehe das alles bloß nicht. Ich vergrabe mein Gesicht in meine Hände. Was soll ich bloß tun?
Ich weiß nicht einmal, was der Grund für das ganze ist. Das ist doch wahnsinnig.
"Can. Ich weiß wirklich nicht, wie das ganze weitergehen soll. Von Tag zu Tag wird es immer schlimmer. Wenn es so weiter geht, wird das ein schlechtes Ende nehmen. Du könntest alles verlieren", erklärt Kadir mir ehrlich. Ich nicke nur stumm. Ja, ich weiß, wie ernst es um die Firma steht. Doch ich bin ratlos. Genervt stehe ich auf, denke nach. Was soll ich bloß tun?
"Was ist nur passiert?", frage ich dann und werde langsam wütend. Ich bin mit den Nerven wirklich am Ende.

"Das müsste Ihre Frage beantworten, Herr Yalçin", höre ich dann plötzlich eine Stimme hinter mir. Verwundert drehe ich mich um und blicke in die Gesichter zweier Polizisten, die in der Tür stehen. Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Ist das eine Art Scherz oder so?
,,Was ist hier los?'', frage ich irritiert. Der eine Polizist hält mir ein Handy entgegen, auf dem ein Video zu sehen ist. Ich schaue mir dieses Video genau an und reiße schockiert meine Augen auf. Auch Kadir ist sichtlich schockiert. Unmöglich. Das kann nicht sein. In diesem Video ist genau das zu sehen, was sich in jener Nacht in Merts Haus abgespielt hat. Es ist genau zu sehen, wie Mert und ich uns gestritten haben und wie ich auf Deniz geschossen habe. Mir gefriert das Blut in den Adern, während ich mir dieses schreckliche Video ansehe. Woher haben sie das?In dieser Nacht war ich ein schreckliches Monster gewesen, welches jegliche Kontrolle über sich selbst verloren hatte. Es wollte nur seine Geliebte beschützen und sich für all ihre Schmerzen rächen. Mir fällt eine Sache ganz besonders an diesem Video auf. Die Stelle, in der Mert sich mit Deniz gestritten hatte, wurde raus geschnitten. Das erkenne ich sofort. Am Ende des Videos war zu sehen, wie ich geflohen bin und Deniz Leiche in den Krankenwagen transportiert wurde. Scheiße. Ich hätte niemals gedacht, dass Mert auf seinem Grundstück und in seinem Haus Überwachungskameras hat. Woher haben die bloß diese Aufnahmen?
"Das-", der andere Polizist unterbricht mich, ehe ich mich rechtfertigen kann.

"Sie kommen erst einmal mit aufs Revier. Zuerst haben Sie das Recht zu schweigen", sagt er und die beiden führen mich ab. Das ist doch wohl nicht deren ernst. Wer hat denen diesen Video gezeigt? Bevor sie mich in das Auto zerren, sage ich noch etwas zu Kadir, der mich besorgt ansieht.
"Warte, bis ich wieder zurückkomme", sage ich. Er nickt stumm. Ich werde in das Auto gezerrt. Während der Fahrt denke ich über alles mögliche nach. Was soll ich jetzt tun? Wenn sie mich verurteilen und ins Gefängnis wegen Mordes stecken, was wird dann aus Leyla und Cansu werden? Wie soll ich beweisen, dass es Mert gewesen ist? Wer ist dafür verantwortlich? Jetzt wird mir jedoch klar, dass meine Firma deshalb in so einem schlechten Licht steht. Meine Angestellten glauben, dass ich ein Mörder sei und deshalb wollen sie nicht mehr für mich arbeiten. Auch die Kunden hat das Video verschreckt. Es ist schließlich online. Jeder kann es sehen. Jeder hat es gesehen. Dabei wissen sie alle nicht die echte Warheit, die sich hinter diesem Video verbirgt. Ich bin es nicht gewesen. Hat das überhaupt eine Bedeutung? Die Menschen, die mich nicht richtig kennen, denken schließlich alle, dass ich es gewesen bin. Also bin ich in ihren Augen ein Mörder. Verurteilt und Verspottet. Von allen. Die einzige, bei der ich mir wirklich sicher sein kann, dass sie immer hinter mir steht, ist Leyla. Sie wird mir immer glauben und mir vertrauen. Deswegen werde ich für sie stark bleiben und versuchen, mich durchzusetzen. Ich werde meine Unschuld beweisen.

ZwangsheiratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt