Kapitel 18

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Can POV

Es war mal wieder ziemlich spät, als ich nach Hause kam. Der Streit mit Leyla von vorhin ging mir nicht aus dem Kopf. Wieso hat sie mich so angeschrien? War ich villeicht doch zu hart gewesen? Waren meine Worte zu übertrieben? Ich seufzte und ging nach oben, während ich nachdachte. Ja. Vorhin hatte ich auch etwas gelogen. Sie hatte mir nichts getan und ist eigentlich ein guter Mensch. Dazu ist sie auch noch wirklich unschuldig und rein in meinen Augen, dachte ich mir voller Reue. Mein Stolz war zu groß, um sie glauben zu lassen, dass ich mich um sie Sorgen würde. Noch nie hatte ich zu einem Mädchen solche ehrlichen Worte gesagt, die ich zu Leyla in unserer Hochtzeitsnacht gesagt hatte. Das passte überhaupt nicht zu mir. Ich wollte diese Worte verdrängen, indem ich sie verletzte. In dieser Nacht war es nicht Ich gewesen, der diese Worte ausgesprochen hatte. Es war jemand anderes in mir. Jemand, der ich nicht sein wollte. Ich zog meine Jacke und meine Schuhe aus. Das war wieder eine krasse Nacht. Ich war in einem der angesagtesten Clubs gewesen und hatte ein Gespräch mit einem meiner damaligen Kunden gehabt. Alle wollten, dass ich wieder mit dem dielen anfange. Doch ob ich wirklich Lust und Zeit dazu hatte, wusste ich nicht. Ich betrat das Schlaftzimmer und bemerkte, dass das Licht noch angeschaltet war. Schläft Leyla nicht längst schon?, fragte ich mich verwundert. Als ich mich auf das Bett setzte, blickte ich mich verwundert um. Wo ist Leyla?

Eigentlich müsste sie schon längst schlafen. Aber sie lag nicht im Bett. Ich begab mich ins Badezimmer, als ich bemerkte, dass dort das Licht brannte und dort sah ich sie dann. Sie lag bewustloss auf dem Boden und ihre Arme waren verwundet. Sie hatte sich geritzt. Mal wieder. Ich kniete mich zu ihr und blickte sie geschockt an. Fuck! Ich hätte nicht so hart zu ihr sein dürfen. Ich Idiot! Sie ist depressiv und ich habe ihre Gefühle verletzt. Ich bin so rücksichtslos, dachte ich mir schuldbewusst. Sofort hob ich sie hoch und legte sie behutsam ins Bett. Ich dachte nach, was ich tun könnte. Wenn ich jetzt ins Krankenhaus gehen würde, würden die Medien davon erfahren und das wäre etwas belastend für die Firma. Schließlich ist sie weltbekannt. Doch ich hatte sie noch nicht übernommen, also würde auch nichts geschehen. Außerdem war mir in diesem Moment nur Leyla wichtig. Ich blickte sie an. Ihre Arme waren voller Blut und sie wachte nicht auf. Hier zu Hause könnte ich ihr in diesem Zustand nicht helfen, also brachte ich sie sofort ins Krankenhaus. Die Ärzte nahmen sie sofort auf. Ich sagte ihnen, sie sollen vorsichtig mit ihr umgehen. Ich war mit den Nerven am Ende. Angespannt setzte ich mich hin, seufzte und wartete. Ich war ungeduldig und auch besorgt. So besorgt, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich blickte auf meine Hände. Sie waren ein wenig Blut verschmiert von Leylas Wunden. Ich machte mir ziemliche Vorwürfe. Warum kann ich nicht besser auf sie aufpassen? Bin ich so ein schlechter Ehemann, dass ich schon zulasse, dass sich meine Ehefrau umbringen will?, fragte ich mich enttäuscht von mir selbst.

Unsere Eltern dürften niemals davon erfahren. Ich will vor ihren Eltern nicht so dastehen, dass ich nicht auf ihre Tochter aufpassen könnte. Dass sie nicht bei mir sicher wäre. Schließlich habe ich es ihnen versprochen. Ach, Leyla. Was hast du nur aus meinem Leben gemacht? Was hast du nur mit mir gemacht?, fragte ich mich zu diesem Zeitpunkt. 10 Minuten vergingen. 20 Minuten vergingen. 30 Minuten vergingen. Und ich wurde immer ungeduldiger, bis dann endlich der Arzt kam. Ich stand auf und hörte ihm aufmerksam zu.
"Sind Sie ein Familienmitglied von Frau Yalçin?", fragte er mich.
"Ich bin ihr Ehemann, Can Yalçin. Wie geht es ihr?", fragte ich ihn besorgt. Er seufzte.
"Ihre Frau fügt sich anscheinend seit Monaten selbst diese Wunden zu und ist ziemlich unterernährt. Sie wirkt außerdem auch so, als hätte sie viele Zusammenbrüche und Panikattacken erlitten. Herr Yalçin, sie sollten besser auf Ihre Frau Acht geben. Sonst könnte es lebenbedrohlich für sie werden. Sie kann wieder nach Hause, wenn sie aufgewacht ist. Sie sollte sich jedoch sehr viel ausruhen und ihre Mahlzeiten essen", erklärte er mir und ich seufzte. Ja, ich müsste besser auf sie aufpassen.
Meine Güte, was habe ich nur getan?

"Haben Sie in ihrer Familie oder allgemein in Ihrer Ehe zurzeit irgendwelche Konflikte?", fragte er mich nun. Ich blickte ihn bedauernd an und nickte nur als Antwort. Er seufzte.
"Sie sollten Konflikte und Stress vermeiden. Das ist eine große Belastung für ihre Frau. Ihr Körper hält dem nicht Stand. Schließlich befindet sie sich noch in solch einem jungen Alter. Außerdem rate ich Ihnen, dass Sie ihre Ehefrau von einem Psychologen behandeln lassen. Es könnte sonst gut möglich sein, dass sie es das nächste Mal nicht übersteht", erklärte er und ich nickte. Leyla darf das nicht noch einmal tun. Ich muss auf sie aufpassen, dachte ich mir entschlossen.
"Danke, Doktor. Kann ich zu ihr?", fragte ich ihn. Er nickte und führte mich in das Zimmer, indem sich Leyla befand. Ich bemerkte nicht, dass er mich mir ihr alleine gelassen hatte, da ich die ganze Zeit nur sie anschaute. Sie hatte ihre Augen geschlossen und war wohl noch nicht bei Bewusstsein. Ich setzte mich auf den Stuhl, der sich neben dem Bett befand, verschränkte meine Arme ineinander und betrachtete sie nachdenklich. Ich muss mich gut um sie kümmern, da sie das selbst nicht kann. Sie beschützen, für sie da sein und alle Probleme vermeiden. Einfach ihr Ehemann sein. Schließlich will ich nicht, dass sie am Ende ist. Ich weiß schließlich, wie es ist, am Ende zu sein. Das hat kein Mensch verdient.

Doch bin ich dazu fähig?
Noch nie hatte ich mich richtig um eine Frau gekümmert. Nicht einmal um meine Exfreundinnen. Ich dachte ständig nur an mich selbst und an mein Leben. Doch auch sie hat ein Leben. Auch sie ist ein Mensch. Auch sie hat Gefühle. Könnte ich ihr ein sorgenfreies Leben schenken? Ein Leben, dass sie sich immer gewünscht hat? Lieben konnte ich sie nicht und genau das war ihr
sehnlichster Wunsch. Geliebt zu werden. Das wünschte sie sich tief in ihrem Herzen. Ich sah es ständig in ihren Augen. Auch wenn sie es nie sagte, wünschte sie sich genau das. Sie braucht Liebe. Sie braucht Zuneigung. Sie braucht Unterstützung. Sie braucht Vertrauen. Sie braucht mich. Das war mir in diesem Moment bewusst geworden. Doch Bedenken hatte ich ebenfalls.

Wie soll ich ihr diese Liebe bloß geben? Wie soll ich sie zeigen? Wie soll ich sie ausdrücken?Ich bin überhaupt nicht fähig dazu jemanden zu lieben oder zu beschützen. Ich bin kalt und egoistisch. Das bin ich. Doch könnte ich vielleicht durch Leyla lernen zu lieben? Könnte sie mich zu einem anderen Menschen machen?
Will ich das überhaupt? Sie ist keine gewöhnliche Frau. Sie ist etwas besonderes. Ich wusste nicht genau warum, aber mir wurde klar, dass sie ein besonderer Mensch ist. Eine besondere Frau in meinem Leben. Und deshalb musste ich alles dafür geben, um sie zu beschützen.

Leyla POV

Langsam öffnete ich meine Augen. Ich spürte fast nichts und mein Hals war sehr trocken. Ich blickte als erstes zum Fenster, an dem jemand stand, telefonierte und mir den Rücken zugekehrt hatte. Ich erkannte direkt, wer das war. Es war Can. Can war hier. Bei mir. Was tut er hier? Wo bin ich überhaupt?, fragte ich mich ein wenig ängstlich. Ich blickte mich verwirrt um und beruhigte mich wieder. Ich befand mich im Krankenhaus. Mir fielen die Verbände auf. Meine Arme wurden verarztet. Mein Kopf tat mehr als weh. Etwas benommen richtete ich mich auf und blickte wieder zu Can, dessen Stimme mich aus meinen Gedanken gerissen hatte.
"Ja. Wir sehen uns", sagte Can, legte auf und drehte sich dann zu mir. Er lächelte. Das war ein zuckersüßes Lächeln, mit dem er auf mich zukam.

"Du bist wach. Wie geht es dir?", fragte er mich und setzte sich auf den Stuhl, der sich neben dem Bett befand.
"Gut und dir?", fragte ich ihn und er seufzte.
"Jetzt viel besser", meinte er und ich starrte ihn etwas perplex an. Was ist los mit ihm?
Er war wie ausgewechselt. Mal wieder.
Vorhin hatte er mich noch angeschrien, gemeine Dinge zu mir gesagt und nun?
Er ist jetzt auf einmal so fürsorglich, sanft und liebevoll. Was ist los? Es verwirrte mich. Ich räusperte mich und senkte meinen Blick. Es blieb still. Doch er sagte tatsächlich etwas.
"Es tut mir leid, Leyla", sagte er und überrascht blickte ich ihn an. Er hatte sich doch nicht gerade ernsthaft bei mir entschuldigt. Oder? Er legte seine warme Hand auf meine und blickte mir tief in die Augen. Ich sagte nichts und hörte ihm einfach weiter zu, während ich in diese schönen Augen blickte.

"Mir war nicht bewusst, wie sehr du leidest. Du bist meine Frau und ich muss dich eigentlich beschützen. Tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Ich verspreche dir, dass ich von nun an besser auf dich Acht geben werde", erklärte er und ich konnte das alles nicht so richtig realisieren. Ich war sprachlos. Hat er das gerade wirklich gesagt? Mein Herz schlug wie verrückt und in mir kribbelte es plötzlich, als er meine zitternde Hand sachte in seine nahm. Dieses Gefühl war unbeschreiblich und unbekannt. So viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Was ist das? Was ist los mit mir? Was tut er mit mir? Wieso bin ich so aufgeregt? Wieso ist mir so heiß? Ich war ziemlich nervös und starrte ihn die ganze Zeit an. Je länger ich ihn anstarrte, desto schneller schlug mein Herz, dass es schon zu platzen drohte. Es war ein unbeschreibliches, aber auch wunderschönes Gefühl zugleich. Was ist das bloß für ein Gefühl?

ZwangsheiratWo Geschichten leben. Entdecke jetzt