Kapitel 14

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Leyla POV

Ich ertrug diese peinliche Stille einfach nicht mehr und ging ohne ein Wort zu sagen, an ihm vorbei. Nur mein Schluchzen war zu hören. Ich ging voraus mit dem Wissen, dass er mir folgte. Wie ein Schatten. Ich war einfach am Ende und konnte meine Umgebung nicht mehr richtig wahr nehmen. Alles war so verschwommen. Alles drehte sich. Nicht ohnmächtig werden, Leyla! Reiß dich zusammen. Du darfst jetzt nicht ohnmächtig werden. Doch egal wie sehr ich dagegen ankämpfte, meine Kräfte waren kurz davor mich zu verlassen. Ich muss es durchstehen. Ich muss dagegen ankämpfen. Ich darf jetzt nicht schwach werden. Sonst würde ich in seinen Armen landen und das wollte ich nicht. Ich wollte keine Schwäche zeigen. So schwach bin ich schließlich doch nicht, dass ich mir von ihm helfen lasse, dachte ich mir stur. Er hatte mir sonst auch nie richtig geholfen. Auf seine Hilfe bin ich ganz bestimmt nicht angewiesen. Schließlich hat er ja gesagt, dass er mich nicht beschützen kann. Ich brauche niemanden. Nur mich selbst, dachte ich mir. Ich würde diese Schmerzen schon durchstehen. Auch wenn sie mich von Tag zu Tag immer mehr töteten. Ich würde das schon schaffen. Ohne jegliche Hilfe. Nur ich alleine. Dachte ich.

Can POV

Ich folgte Leyla stumm und beobachtete sie ganz genau. Sie taumelte etwas und schluchzte, was mir irgendwie leid tat. Ist sie kurz davor ohnmächtig zu werden? Es kam mir so vor, als würde sie versuchen, gegen ihre Schmerzen anzukämpfen. Als würde es ihr sehr schwer fallen, sich auf den Beinen zu halten. Als würde sie versuchen, stark zu bleiben. Doch all das, fiel ihr irgendwie schwer. Sie schaffte es irgendwie nicht. Sie teilte mit niemandem ihren Schmerz, sondern behielt ihn für sich. Sie litt still und alleine. Wird es auch so sein wenn wir verheiratet sein werden?, fragte ich mich. Plötzlich blieb sie stehen und taumelte. Doch bevor sie bewusstlos wurde, fing ich sie auf. Sie wäre ohnmächtig geworden, hätte ich sie nicht aufgefangen. Sie riss ihre Augen auf, entfernte sich sofort von mir, sah mich nicht an und ging ohne ein Wort weiter. Ich blickte ihr seufzend hinterher und folgte ihr wieder. Ich machte mir ernsthafte Sorgen um sie. Warum spielt sie die Starke? Ich begleitete sie bis zu ihrer Haustür. Als ich mir dann sicher war, dass sie drinnen war, ging auch ich nach Hause. Verabschiedet hatten wir uns nicht voneinander. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen. War ich villeicht zu hart zu ihr gewesen? Schließlich hat sie irgendwie auch Recht. Sie wird meine Frau und als ihr Mann ist es meine Aufgabe, für sie da zu sein und sie zu beschützen. Außerdem sollte sie sich nicht so aufregen. Ich durfte sie nicht belasten, da sie sowieso schon am Ende war. Aber wie soll ich sie bloß beschützen?
Bin ich zu sowas wirklich fähig?, fragte ich mich. Morgen wäre unsere Hochzeit. Einfach schon Morgen. Ich schloss irgendwann dann nach langem Nachdenken meine Augen und schlief ein.

Leyla POV

Als ich am nächsten Morgen meine Augen öffnete und erwachte, wusste ich, dass der große Tag gekommen war. Wäre ich doch nur überhaupt nicht aufgewacht. Ich seufzte und hielt meine Decke über meinen Kopf. Ich wollte nicht. Ich konnte nicht.
"Leyla, kalk (Steh auf)", sagte meine Mutter, als sie mein Zimmer betrat und zog die Vorhänge auf. Das Sonnenlicht erfüllte den Raum und ich war mehr als traurig. Ich wollte verdammt nochmal nicht heiraten. Es war nicht richtig. Es fühlte sich ehrlich gesagt sogar mehr als falsch an. Die Angst machte sich in mir breit und die Zeit ging viel zu schnell vorbei. Schon ein paar Stunden später blickte ich mich im Spiegel an und konnte es immer noch nicht fassen. Ich werde heiraten. Ich erkannte mich nicht wieder, sah so wunderschön aus. Mein Kleid war einfach ein Traum und meine langen Haare hatte ich hochgesteckt. Ich hatte mich selbst noch nie so schön gefunden. Doch was fehlte, war mein Lächeln. Meine Augen wirkten leer. Nichts als Leere war in ihnen zu erkennen. Werde ich jemals glücklich sein? Werde ich jemals lernen, was Liebe ist? Werde ich jemals Kinder kriegen?, fragte ich mich in diesem einsamen Moment.

Wunschlos glücklich zu sein ist etwas Schönes. Etwas Wunderbares. Doch ob mir das jemals passieren würde, das wusste ich in diesem Moment nicht. Meine Schwester stellte sich hinter mich.
"Leyla. Wir müssen los", sagte sie in einem traurigen Ton und senkte ihren Blick. Ich seufzte, blickte mich ein letztes Mal an und drehte mich dann zu ihr. Sie trug ein wunderschönes, dunkelrotes Kleid und ihre schwarzen, langen Haare waren gelockt. Sie sah einfach bildschön aus. Ich lächelte schwach.
"Cok güzelsin (Du bist wunderschön)", sagte ich in einem brüchigen Ton, woraufhin sie lächelte.
"Sieh dich erst Mal an. Dünyanin en güzelisin (Du bist die Schönste auf der Welt)", sagte sie und das machte mich tatsächlich ein wenig glücklich. Bevor wir los gingen, band mein Bruder mir ein rotes Band um meine Taille. Es symbolisierte meine Jungfräulichkeit. Schließlich durfte keiner wissen, dass ich keine Jungfrau mehr bin. Ein bedeutsamer Moment, der in Wahrheit nur gespielt war. Alles Lüge. Alles falsch. Ich hatte dieses rote Band nicht verdient. Ich war es nicht würdig. Alle blickten mich mitleidig an. Mein Bruder lächelte mich aufmunternd an, woraufhin ich ebenfalls schwach lächelte.

Wir stiegen in die schwarze Limousine und nicht einmal blickte ich in sein wunderschönes Gesicht. Er trug einen schwarzen Anzug und er stand ihm einfach perfekt. Ich spürte seinen Blick auf mir, wagte es jedoch nicht ihn zu erwidern. Stattdessen blickte ich gedankenverloren aus dem Fenster. Ich dachte an meine bevorstehende Zukunft. Ich dachte an meine bevorstehende Ehe. Wird sie der 7. Himmel oder die furchtbare Hölle? Wie ist es wohl mit Can verheiratet zu sein? Wie ist es mit ihm zusammen zu leben? Ich schluckte. Ich muss ja auch mit ihm zusammenziehen. In ein Haus. In unser Haus. Nach einer Hochzeit bringen Braut und Bräutigam eigentlich das Glück mit ihrer Verbundenheit in ihr neues gemeinsames zu Hause. Doch bei uns beiden war das nicht der Fall. Kein Glück. Keine Liebe. Kein Verbündniss. Ich war mal wieder kurz vor den Tränen. Es war traurig. Eine Ehe ohne Liebe. Etwas Furchtbares. Irgendwann kamen wir dann an.

Viele Gäste waren gekommen und laute Musik ertönte aus dem riesigen Saal. Alle klatschten, machten Fotos und Videos. Es war einfach wunderschön hier und mit jeder Stunde die verging, wurde ich immer trauriger. Doch durch mein Fake-Lächeln erkannte man diese Traurigkeit, die ich in mir verbarg, nicht. Ich unterhielt mich mit vielen der Gäste, darunter auch mit meiner Cousine Dilara. Sie sah ziemlich niedergeschlagen aus und ich fragte mich, wo sich Deniz befand. Ich hätte ihn gerne fertig gemacht. Doch es hatte einen Grund, weswegen sie ohne ihn hier war. Dieses Arschloch hatte sie verlassen und ich verstand, was sein Plan gewesen war. Er hatte sich in meine Familie geschlichen, nur um mich anschließend zu treffen und mich zu vergewaltigen. Dieser Bastard. Ich werde ihn finden. Egal wie, egal wo, egal wann. Ich werde ihn finden. Er hat mit meiner Zukunft und mit meiner Familie gespielt. Das werde ich nicht einfach so auf mir sitzen lassen. Ich habe einen Stolz. Ja, ich habe immer noch meinen Stolz. Auch wenn dieser gebrochen zu sein schien. Von meinen Schwiegereltern bekam ich Gold und die Gäste gaben uns Brautpaar Geld.

Als wir nun gefragt wurden und ich mein entscheidendes "Ja" von mir gab, klatschten alle und waren mehr als glücklich. Sie alle wollten mich in die Hölle schicken. Bemerkten nicht, was ich durchmachte. Nachdem wir beide unterschrieben hatten, gab Can mir einen sanften Kuss auf die Stirn und ich musste mich zusammenreißen, nicht los zu heulen. Wir sind nun verheiratet. Er ist nun mein Mann und ich seine Frau. Es gab kein zurück mehr. Als wir nun gemeinsam auf der Tanzfläche waren, blickten alle uns mit einem Lächeln an und das erste Mal an diesem Abend, schaute ich ihm in die Augen. Mir war schlecht. Mir war schwindelig. Doch seine Augen, gaben mir Halt. Sie hielten mich auf den Beinen. Ich sah Vertrauen und war kurz davor mich in diese wunderschönen, braunen Augen zu verlieben. Ich verlor mich in ihnen. Wach auf, Leyla! Vergiss nicht, weswegen du hier bist. Weswegen du in diese Augen blicken musst. Ab heute dein Leben lang. Für immer.

Can POV

Nachdem der Tanz zu Ende war, ließ Leyla von mir ab und ging. Alle klatschten und wir beide zeigten überhaupt keine Emotionen. Sie ist so ruhig. Sie ist eine wunderschöne Braut. Zum Verlieben schön. Doch sie ist nicht glücklich und ich ebenso nicht. Es gab jedoch kein zurück mehr. Das war mir bewusst. Wir sind nun verheiratet. Dieses rote Band, dass um ihre Taille gebunden war, stach mir ins Auge. Sie tat mir leid. Sie war noch so unglaublich jung und hatte das alles wirklich nicht verdient. Ich blickte sie gedankenverloren an. Sie saß da und unterhielt sich mit meiner kleinen Cousine. Sie lächelte das erste Mal an diesem Abend. Ihr Lächeln ist etwas Besonderes. Sie ist jemand Besonderes. Sie wäre eine wundervolle Mutter, dachte ich mir mit einem kleinen Lächeln. So wie sie mit den Kindern unserer Familien umgeht. Was die Zukunft wohl mit sich bringt? Was wohl alles auf uns zukommt? Was uns wohl alles erwartet?

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