Verfluchte Dienstreise

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Sprachkurse boten einem Vorteile im Berufsleben, nicht nur dann, wenn man in der Schule nicht wirklich aufgepasst hatte. Genau das dachte sich auch Suki Kyozo. Als Schülerin und Studentin war sie eher faul gewesen und nahm deswegen das Angebot ihre Chefs einen dreimonatigen Englischkurs zu belegen nur zu gern an. Was sie jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war dieser Kurs eine der Voraussetzungen für einen Auftrag im Ausland, auch wenn das für sie als Englischlehrerin nicht wirklich nötig war. Zu ihrem größten Pech war die platinblonde junge Frau dann die einzige, die diesen Kurs belegte. Jetzt im Nachhinein konnte man in jedem Falle sagen, dass es sich dabei um ein Komplott ihrer Kollegen handeln musste. Nichts anderes war bei diesem Kollegium möglich. Es machte für die jedoch jetzt keinen Sinn mehr, sich über alles aufzuregen. Nach drei Tagen des Aufenthalts in London saß sie wie jeden Morgen vor ihrem Laptop und recherchierte. Den einzigen Hinweis, den die Magiemeisterin von ihrem Vorgesetzten erhielt, war mehr oder weniger unbrauchbar. Sie hatte zwar den Namen und den damaligen Wohnort desjenigen, der das Sonderrangfluchobjekt vor fast einhundertsiebzig Jahren gekauft haben soll, aber das war es dann auch. Niemand steckte jemanden nur mit nur einem Hinweis wie diesem, einer wagen Ahnung, für dreizehn Stunden in ein überfülltes Flugzeug und überließ diesen jemand seinem Schicksal und wollte dabei auch noch so schnell wie möglich diese Aufgab erledigt haben. Doch da gab es so jemanden, den Direktor der Fachoberschule für Magie Masamichi Yaga. Mit den Aussagen, dass sie die einzige wäre, die für diesen Auftrag infrage käme und sie durch ihren Rang, ihr Studium und den vorausgegangenen Sprachkurs mehr als prädestiniert für einen Zwangsaufenthalt dafür mehr als passend sei. Dass ihr Boss ihr wahrscheinlich noch eines für ihr ständiges Zuspätkommen reindrücken wollte, war nur der Gipfel des Eisberges, wie sich schnell herausstellen sollte.

Drei Monate, neunzig Tage dauerte Sukis Aufenthalt in Großbritannien nun schon. Es verdichten sich langsam aber sicher die Hinweise wo genau sie suchen musste. Ein Auktionator eines Auktionshauses in London gab ihr den zielführenden Hinweis. Im viktorianischen Zeitalter war ganz Großbritannien einer regelrechten Mumienmanie verfallen. Es gehörte damals zum guten Ton, in seinem Haus, seiner Villa oder seinem herrschaftlichen Anwesen eine Mumie oder deren Teile für die Highsociety der britischen Oberschicht und des Adels in Form einer Party auszustellen. Von einem englischen Magiemeister hatte sie dazu noch einige Aufzeichnungen zum Auftreten von Flüchen oder Rachegeistern in dieser Zeit erhalten können. So war es der Magiemeisterin dann auch möglich eine Liste der Anwesen zu erstellen, die seit dieser Zeit regelmäßig von einer größeren Anzahl von Rachegeistern heimgesucht wurden. Von Süd nach Nord besichtigte sie die Anwesen, aber war noch nicht auf das gesuchte Fluchobjekt gestoßen.

Der Zug hielt mit quietschenden Bremsen im Bahnhof von Edinburgh. Sukis heutiges Ziel war ein marodes Anwesen außerhalb der Stadt. Der Eigentümer klagte über mysteriöse Tode in seinem Haus. Das Gleiche galt für seinen Vater und seinen Großvater. Der Urgroßvater jedoch beschrieb in seinem Tagebuch erst ab 1858 solche Fälle. Ob er aber in seinem Anwesen verdächtige Gegenstände zu finden waren, konnte er nicht sagen, denn nach dem letzten Todesfall vor 35 Jahren, war er nicht mehr in diesem Haus. Bedingungen stellte der alte Mann nur eine einzige, sie müsse das Anwesen allein betreten. Das kam Suki gerade gelegen, denn wenn sie einen Rachegeist exorziert, konnte sie schlecht einen alten Mann bei sich gebrauchen.

Sir Richard war ein alter Mann. Beinahe achtzig Jahre alt. Trotzdem wirkte er auf Suki zwar etwas klapprig, aber trotzdem noch Herr all seiner Sinne. Er erzählte ihr auf der Fahrt ins Anwesen, dass er schon als kleiner Junge vermutete, dass es sich bei den seltsamen Toden im Anwesen nicht um einen Zufall handeln konnte. Man hatte ihn deswegen immer als einfältigen Jungen abgestempelt, wenn sie jedoch in seinem Anwesen fündig werden sollte, dann war er als Junge alles andere als einfältig. Nach weiteren Fragen ihrerseits, berichtet er ihr auch noch, dass seine jüngere Schwester in eine Anstalt gebracht wurde, weil sie Erscheinungen hatte, welcher Art diese waren konnte der Mann ihr aber nicht sagen. Suki wusste jedoch genau, dass es sich bei ihren Erscheinungen um Rachegeister handeln konnte. So verfestigte sich ihre Ahnung während des Gesprächs immer mehr und kommt zu dem Schluss, dass sie schon am Anfang mit allein Besitzern am Telefon solche Gespräche hätte führen sollen, aber wie sagt man so schön? Aus Fehlern lernt man.

Die Beschreibung des Anwesens Sir Richards stellte sich als maßlose Untertreibung heraus. Marode hatte er gesagt, nicht einsturzgefährdet. Der peitschende Wind pfifft durch jeden Ritz des Gemäuers, wenn man es nicht besser wissen würde, konnte man einfach behaupten das hier wäre die Kulisse eines Horrorfilms. Die Treppen waren morsch, krächzten nach jedem Schritt, als würden sie Schmerz empfinden. Staub häufte sich auf den zurückgelassenen Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen. Gesichter längst verstorbener Menschen beobachteten Suki bei jedem Schritt, den sie tat. Dieses Haus war sicher sehr prachtvoll, als es noch bewohnt wurde. Die unteren Gänge, die augenscheinlich den Bediensteten vorbehalten waren, nahm sich die blonde Magiemeisterin als Erstes vor. Suki konnte sich lebhaft vorstellen, unter welchen Bedingungen die Menschen hier arbeiten mussten. Auch wenn ihr dabei bewusst war, dass eine Stellung bei einem Adligen doch zur damaligen Zeit das war, was man als gute Arbeit bezeichnete. Man hatte Essen und ein warmes Bett und das war damals doch das, was am meisten zählte. Man konnte das meiste des Lohnes zurücklegen und für anderweitige Dinge nutzen. Das Kichern der jungen Frau hallt von den steinernen Wänden des Kellerganges wider: „Nanami hätte das sicher nicht gefallen, wenn man von ihm verlangen würde, von morgens bis abends zu arbeiten. Obwohl, er hätte bei seiner Korrektheit sicher einen wunderbaren Butler abgegeben.“

Die Suche nach dem Finger blieb im Keller erfolglos. Als die junge Frau die Treppen in das Erdgeschoss empor stieg, konnte sie, auch wenn das Gebäude so heruntergekommen war, den Unterschied zwischen den „Lebensräumen“ der sozialen Schichten, die in diesem Anwesen lebten, ausmachen. Diese Räumlichkeiten waren eindeutig dafür gedacht, sich zu profilieren. Hier konnten die Adligen eindeutig zeigen, was sie hatten. Genau suchte Suki jeden Winkel des Erdgeschosses ab. Es kam ihr jetzt schon komisch vor, dass sie hier noch nichts Auffälliges gesehen hatte. Wenn hier etwas war, dann hätte sie doch schon längst etwas finden oder ihr hätte etwas begegnen müssen. Alles, was ihr bis jetzt begegnet war, waren Spinnen und Mäuse. Nichts Übernatürliches.

Auch die Schlafräume waren unspektakulär, nichts war dort zu finden. Nun blieb ihr nur noch der Dachboden, wenn sie hier nicht fündig werden sollte, würde sie sofort morgen früh den Besitzer des nächsten Anwesens kontaktieren. Trotzdem blieb ihr noch das oberste Geschoss. Nur eine schmale Holztreppe, kaum so breit wie sie selbst, führte bis ganz nach oben. Schon auf dem Weg bemerkte sie einen ungewöhnlich starken Luftzug. Suki ging zügig weiter nach oben. Die Tür, die den Treppenaufgang verschießen sollte, fehlte vollkommen und sofort konnte sie den Grund für den Luftzug ausmachen. Das marode Dach musste vor nicht als zu langer Zeit eingebrochen sein. Bei genauerem Hinsehen konnte Suki genau sehen, dass es nicht auf natürliche Weise eingebrochen war. Die Dachbalken wurden mit einem geraden Schnitt durchtrennt. Für natürliche Ursachen waren die Bruchstellen viel zu glatt. Was auch immer hier war, es war entweder noch an diesem Ort oder noch ganz in der Nähe. Aufregung machte dich in der Blondine breit. Vielleicht war ihr das Glück ja doch noch hold und sie findet Ryomen Sukunas Finger hier. Ihr Blick folgte den Spuren der Verwüstung, die ohne jeden Zweifel in den Raum am Ende des Ganges führten. Ohne weiteres Zögern folgte sie den Spuren und bleibt im Türrahmen, der in das Zimmer führte, stehen.

Die Tür war eingeschlagen worden. Vor einer kleinen Schatulle saß tatsächlich ein Rachegeist, der mit aller Gewalt versuchte, das Kästchen zu offenen. Die Energie, die von der Schatulle ausging, zauberte ihr ein Lächeln auf die Lippen: „Endlich habe ich dich, du alter Schrumpelfinger! Jetzt muss ich nur noch dem kleinen Gollum seinen Schatz entreißen und dann kann ich noch vor dem Mittag wieder nach Hause fliegen.“

Cursed (SukunaxOc) (Jujutsu Kaisen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt