Verfluchte Gespräche

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„Du erzählst mir jetzt keinen Scheiß, oder? Du bist da ernsthaft nur mit dem kleinen Fleck rausgekommen? Ich hätte eher mit fehlenden Gliedmaßen oder so gerechnet. Ich mein, dem Kleinen hat er das Herz rausgerissen“, Ieiri zog einmal an ihrer Zigarette. Hatte Suki da gerade richtig gehört, das Herz rausgerissen? Yuji hatte also kein Herz oder was? „Der lag einfach Mausetot bei mir unten auf der Liege. Da will ich den Jungen obduzieren und weißt du was dann passiert? Der setzt sich einfach hin. Der war verdammt tot. Toter geht es kaum.“ Die Blondine blinzelte einige Male. Und überlegt kurz, ob sie die dumme Frage, die ihr gerade auf der Zunge lag, aussprechen sollte. Sie entschied sich letzten Endes dazu einfach darauf loszufragen, was sollte ihre gute Freundin denn noch schlechter von ihr denken als so schon: „Rennt Yuji jetzt also ohne Herz rum oder was? Das ist ja gruselig. Ich meine, ich unterrichte ja dann nicht nur einen normalen Besessenen, sondern einfach einen Zombie, der nur von seinem Parasiten am Leben gehalten wird.“ Shoko begann etwas zu lachen: „Du hast echt zu viele Filme gesehen, Suki. Yuji hat ein Herz. Ich kann dir gern die Ultraschallaufnahmen zeigen, die ich damals gemacht habe. Wir vermuten, dass Sukuna eine weitaus Stärkere Umkehrstechnik angewandt hat, als ich es kann. Der Typ kann Gliedmaßen mit einem Fingerschnippen spießen lassen wie Unkraut. Da könnte ich glatt neidisch werden“, erklärte die Ärztin und drücke den Stummel ihrer Zigarette im kleinen gläsernen Aschenbecher neben sich auf der Bank aus.
Was war denn dieser Fluch bitte schön? Dass er eine Zerstörungsmaschine war, das hatte Suki ja schon in alten Büchern gelesen, aber dass er gleichzeitig einer der besten Heiler war, war beinahe unglaublich. „Sag mal, wisst ihr, ob sich diese Technik nur auf seinen Wirt beschränkt oder nicht? Ich meine, das ist doch bei einem Selbst schon beinahe unmöglich. Zumindest für mich, aber bei anderen übersteigt ja dieses Ausmaß schon Gojo“, neugierig sah die Lehrerin die Braunhaarige neben sich an. Nach dem Kampf vor ein paar Stunden, dachte sie gehäuft über die unbändige Kraft, die sich ihr offenbarte nach. „Naja, das ist ja nicht mal die Hälfte seiner Kraft. Ich bin mir nicht sicher, aber soweit ich weiß, hat Yuji jetzt. Lass mich kurz nachzählen. Eins, Zwei, drei und den Vierten, hat er kurz vor deiner Ankunft bekommen. Also gerade mal zwanzig Prozent“, gab Shoko trocken als Antwort. Suki musste hart schlucken. Das sollte nicht mal ein Viertel der ganzen Kraft dieses Monsters gewesen sein? Was war hier nach ihrem Abflug denn bitte los? Oder besser gesagt, was war hier nicht los? Kaum verließ sie das Land, da steppte hier ausnahmsweise mal der Bär. „Sag mal, was hat mir Gojo noch verheimlicht? Ist, wer schwanger oder hat, wer geheiratet? Ist jemanden gestorben, bei dem man es feiern sollte?“, fragte Suki die ein Jahr ältere kurzerhand, um sicherzugehen, dass Satoru ihr nicht noch mehr verschwiegen hatte. Nach ihrer Ankunft, hielt der Herr es nicht unbedingt für nötig, die Blondine auf den neustens Stand zu bringen, sondern er beschäftigte sich viel mehr damit, Dinge, die ihm angeblich gefehlt haben, nachzuholen, was die Jujuzistin wirklich bezweifelte.
Ihr Gegenüber schüttelte leicht den Kopf: „Nichts von dem, was du sagst, ist eingetreten. Leider. Manch einem würde es wirklich guttun, das Zeitliche zu segnen. Abgesehen von den Ereignissen um Yuji und dem Überfall beim Schultreffen gab es hier nur den gewöhnlichen Wahnsinn.“ Und wieder bekam Suki etwas gesagt, was ihr verschwiegen wurde. Sie würde wohl heute Abend beim Essen ein ernstes Wort mit Satoru sprechen müssen. Seine Heimlichtuereien konnten einem wirklich auf die Nerven gehen.

~

Es war beinahe halb acht am Abend und Suki versank mit ihrem Kopf in den Schublanden ihres Tiefkühlschrankes. Irgendwo hier befanden sich noch zwei Tupperdosen mit den Pelmeni ihrer Mutter. Wenn diese einmal hier zu Besuch war, kochte die Frau gleich so viel, dass sich ihr Froster wieder bis zum Rand füllte, gerade wenn sie wusste, dass Suki ab und zu Männerbesuch hatte und sie der Meinung war, dass die russische Küche besser für Männer war als dieses zum Großteil nur aus Gemüse bestehende japanische Essen, dass einem hart arbeitenden Mann auf keinen Fall genug Energie geben konnte um überhaupt „männlich“ auszusehen. Wo sie gerade an ihre Mutter dachte, es war wohl langsam wieder an der Zeit ihre Mutter anzurufen und zu horchen, wann sie Nachschub für ihren Vorrat bekommen würde. Bei diesem Gedanken fand sie auch endlich das gewünschte Essen und stellte es erstmal zum Auftauen in die Mikrowelle. Dann zog sie gleich ihr Handy vom Ladekabel und wählte die Nummer ihrer Mutter, die nach dem zweiten Freizeichenton abnahm: „Suki, wie gütig, dass du dich mal wieder nach so langer Zeit bequemst deine Mutter anzurufen.“ Der Ton der Frau am anderen Ende der Leitung klang vorwurfsvoll. Sehr vorwurfsvoll, so als hätte die Blondine sich über Monate hinweg nicht gemeldet. Dass sie sich aber bemühte, sich selbst während ihrem Aufenthalt in Europa, mindestens einmal in der Woche sogar über einen Videoanruf bei ihr zu melden. Aber einer Anastasja Kyozo konnte man dem Punkt nicht gerecht werden. Die junge Frau konnte sich an nur zu lebhaft daran erinnern, wie ihre eigene Mutter regelmäßig die gleiche Phrase von ihrer Babushka (Oma) bekommen hatte. Das musste wohl eine Eigenschaft, die die russischen Frauen ihrer Familie innehatten. „Mamochka, sei nicht so dramatisch, ich habe dich nach meiner Landung in Japan, nachdem ich zu Hause bin, sofort angerufen, also mach nicht einen auf vernachlässigte Mutter“, gab Suki ihrer Mutter trocken zur Antwort. Diese Frau liebte das Drama viel zu sehr und musste deswegen so früh wie möglich davon abgehalten werden, viel zu sehr damit auszuarten. „Ja, das ist viel zu lange her und besucht hast du uns auch nicht wie es eigentlich besprochen war. Ich habe also jedes recht dazu meiner Tochter Vorwürfe zu machen!“, Suki atmete einmal tief durch. Das würde wohl die ersten fünf Minuten so weiter gehen. „Ich habe dir und Papa doch erklärt, dass ich mit den neuen Schülern viel nachzuholen habe, weil Satoru einfach nicht dazu fähig ist, Unterricht abseits des Paranormalen zu geben. Ich habe keine Lust den Typen beim Ministerium zu erklären, warum die Schüler Kriege oder was weiß ich was, mit Flüchen oder Magiemeistern erklären. Ich muss also ein halbes Jahr Stoff in Rekordzeit in drei faule Teenager rein prügeln. Also nicht mit Urlaub bis November oder Dezember, aber dann komm ich zu euch. Außerdem wolltet ihr doch nächsten Monat eh herkommen, weil Papa hier ein paar interessante Objekte erstehen wollte, oder?“, Suki versuchte die ältere Frau zu besänftigen. „Ja Gin muss nächsten Monate ein Paar angebliche Raritäten anschauen. Wir werden dann selbstverständlich bei dir unterkommen. Du wirst deine Eltern ja nicht in einem Hotel unterkommen lassen.“ Auch wenn die Frau mit den goldenen Augen jetzt intervenieren würde, dann hätte das keinen Sinn, denn hatte sich ihre Mutter in etwas in den Kopf gesetzt, konnte nichts und niemand etwas daran ändern. „Natürlich könnt ihr wie immer in meinem Gästezimmer schlafen. Aber sag mal, hat Papa ein paar neue Bilder? Ich habe mich an den Kitsune und den Samurai im Flur echt satt gesehen. Ich würde dann wie immer mit ihm tauschen und er würde auch ein paar Sachen, die ich in England gekauft habe bekommen. Ich habe ein paar interessante Stücke aus dem viktorianischen Zeitalter gefunden und schätze sie auf rund 1870 bis 1880, aber genau kann das natürlich nur Papa sagen.“ Am anderen Ende des Hörers erklang ein Seufzen. Ihre Mutter konnte nicht wirklich viel mit solchen Dingen anfangen, schätze jedoch immer ein dekoratives Stück in ihrer Wohnung oder wertigen Schmuck um ihren Hals. „Gin Suki ist am Telefon, sie will irgendwas wegen Bildern“, hörte die Jujuzistin ihre Mutter wahrscheinlich quer durch die Wohnung schreien und kurze Zeit später hörte sie kurz ein Raschel und dann die Stimme ihres Vaters: „Hallo meine Kleine wie schön, dass du dich bei uns meldest. Kann ich was für dich tun?“ Bei der freundlichen und warmen Stimme musste Suki sofort lächeln. Sie würde sich selbst zwar nicht als Papakind beschreiben, aber die Stunden, die sie als Kind im Antiquitätenhandel ihres Vaters verbrachte, waren wohl unzählbar. „Ja, Papa, und zwar geht es um den Kitsune und den Samurai in meinem Flur. Ich brauch Ersatz. Hast du was da oder muss ich hier schauen?“, kurze Stille herrschte in der Leitung, jedoch antwortete dann der ältere Mann, „Eins hätte ich ein Bild eines Shintoschreins. Das würde zu deiner Einrichtung passen und an ein zweites komme ich auch noch. Mach dir da keine Sorgen“, sagte ihr Vater mit einem überlegenden Unterton. „Danke, Papa, du bist der Beste. Wenn du und Mama nächsten Monat herkommen, habe ich einige Stücke aus England für dich. Deine Kunden stehen doch auf sowas“, sagte Suki ihrem Vater Bescheid. „Danke kleines. Ich gebe dir mal wieder deine Mutter. Machs gut und arbeite nicht zu viel“, damit hörte man wieder ein Rascheln und die Stimme ihrer Mutter war erneut zu hören. „So und jetzt zum wahren Grund deines Anrufes. Was soll ich dir schicken? Süßigkeiten? Pökelfleisch? Oder was anderes“, ertappt sah Suki zur Tür. Ihre Mutter durchschaute sie wohl immer wieder, selbst jetzt, wo sie beinahe zehn Jahre in Tokio wohnte. „Meine Pelmeni sind alle, ich brauch neue. Von dem ganzen anderen Zeig habe ich noch mehr als genug. Ich wollte nur fragen, ob du welche machen kannst, wenn du hier bist?“, fragte die Blondine ihre Mutter im liebsten Ton, den sie zustande brachte. „Du solltest das selbst lernen. Ich sagte dir beim letzten Mal schon, ich werde, das nicht mehr für sich machen“, machte ihre Mutter Suki klar. Der letzte Versuch, die fleischgefüllten Teigtaschen zuzubereiten, ging eindeutig nach hinten los. Seit diesem Unglück hatte sie es eigentlich regelmäßig geschafft, an einen durch ihre Mutter zubereiteten Nachschub zu kommen. „Ich habe es oft genug versucht, Mama. Ich bin nicht als Hausfrau geeignet. Ich-“, sie wurde vom klingeln an der Tür unterbrochen, „Warte kurz Mama, ich habe Besuch zum Abendessen. Ich bin gleich wieder für ich da!“ Damit geht die Jujuzistin zu ihrer Tür und macht sie auf: „Satoru, komm rein. Wir essen gleich, ich muss nur noch schnell was mit meiner Mutter besprechen.“ Der weißhaarige Mann betrat die Wohnung und grinste diebisch, als er hörte, mit wem Suki telefonierte. „Grüße Anastasja von mir. Ich freue mich gleich wieder mal ihr Essen zu mir nehmen zu können“, sagte Gojo etwas lauter als normal und verzog sich ins Wohnzimmer. „Und da hast du noch einen Grund, anständig kochen zu lernen. Wenn du eine bessere Hausfrau wärst, dann hätte dich Gojo schon längst geheiratet und wir müssten uns nicht immer den Kopf um dich zerbrechen“, kam es streng von der Russin am anderen Ende. Jetzt nervte diese Frau schon wieder damit. Immer wieder die gleiche Leier. „Nur du würdest hier in Ruhe und Frieden leben. Ich würde wahrscheinlich in einer Nervenheilanstalt enden und Papa würde hier vorm Haus campen und du somit allein leben. Also wird leider nie was daraus. Außerdem weißt du, warum ich so viel Zeit mit ihm verbringe“, kam es leicht genervt von Suki. „Das ist zehn Jahre her, Suki, du solltest langsam darüber hinwegkommen. Er ist abgehauen und du bist dann trotzdem nach Tokio. Aber genug davon, du hast einen Gast, kümmer dich dann auch um ihn und trinkt den guten Wodka zum Essen. Ruf die Woche nochmal an“, und damit war die Leitung auch tot. Warum musste ihre Mutter auch immer damit anfangen, wenn es um Sukis Beziehungslosigkeit ging?

~

Zwei Teller landeten auf dem Wohnzimmertisch und Suki ließ sich neben Gojo auf die Couch fallen. „Jetzt nur noch Essen und dann ins Bett. Ich habe wirklich genug von dem Tag heute“, gab sie von sich und aß den ersten Happen ihres Essens. „Ach komm schon, Suki, es war doch wirklich lustig heute und du hast eine Begegnung mit dem gefährlichsten Fluch der letzten tausend Jahre überlebt. Also eigentlich ein Grund zu feiern“, grinste der Größe die Frau neben sich verschmitzt an. Diese verdrehe jedoch nur die goldenen Augen: „Grund zum Feiern, weil die Gefahr, der du mich wissentlich ausgesetzt hast, nur minimalen Schaden angerichtet hat oder weil du wieder irgendwas herausgefunden hast, dass mal wieder nur in deinem wirren Kopf Sinn ergibt?“ Sue hatte ihn zwar hier her zum Essen eingeladen, wie eigentlich nach jedem gemeinsamen Auftrag, aber sauer war sie trotzdem noch und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. „Ach komm schon. Es ist ja nichts passiert und außerdem scheint Sukuna dich zu mögen. Ich mein, der hat dich ja gerettet und dann am Leben gelassen. Das ist eindeutig etwas, was wir weiter beobachten sollten“, den letzten Teil seines Satzes sagte der Blauäugige wirklich nachdenklich. Zog er das jetzt ernsthaft in Betracht? Der war doch wahnsinnig! „Du kannst es ja gern beobachten. Ich werde mich, sobald ich merke, dass Yuji nicht mehr Herr seines Körpers ist, das Weite suchen. Nochmal bange ich nicht so um mein Leben.“ Der Weißhaarige lacht kurz und lächelte seine Kollegin an: „Dann solltest du morgen Nachmittag vielleicht Beruhigungsmittel nehmen, denn morgen darf Yuji bei dir Nahkampftraining machen. Geht ja nicht, dass das noch einmal passiert, weil er ohnmächtig wird.“ Böse verengte die Frau ihre Augen und schlug Satoru eiskalt denen den Oberarm, den sich der Ältere dann schmollend rieb: „Au Suki, das tat weh.“ Die Angesprochene schnaubte nur und gab bissig zurück: „Sollte es auch! Ich hasse Satoru.“ Nun grinste er wieder. „Ich habe dich auch lieb, Sukilein“

Cursed (SukunaxOc) (Jujutsu Kaisen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt