Es war schon schlimm genug, sich in ein Mädchen an der eigenen Schule zu verlieben. Noch schlimmer war es jedoch, sich in ein Mädchen der eigenen Freundesgruppe zu vergucken. Und was zum Teufel hatte ich mir vor zwei Jahren dabei gedacht, ihr von meiner Liebe zu erzählen? Ich hätte es geheim halten sollen. Hinunterschlucken. Hoffen, dass sie von allein vergehen würde. Aber nein, ich musste einmal in meinem Leben ein mutiger Typ sein. Für den Moment hatte es ja auch funktioniert. Wir gingen aus, wurden ein Paar. Weil sie cool war, war ich automatisch auch cooler als zuvor. Schließlich würde so ein tolles Mädel niemals mit einem Scheißkerl zusammen sein. Bloß wieso war mein sonst so pessimistischer Kopf Feuer und Flamme gewesen und hatte mir nicht erzählt, dass es katastrophal sein würde, wenn wir uns noch in der Schulzeit trennten? Wir hätten es fast geschafft. Bald würden sich unsere Wege für immer trennen. Aber bis dahin, wurde die Schule eine noch viel miesere Hölle als jemals zuvor.
Wir gingen also noch immer an die selbe Schule. Und wir standen noch immer gemeinsam in der gleichen Gruppe aus Leuten zusammen. Schließlich waren sie unsere beider Freunde. Sie wussten, dass wir nicht mehr zusammen waren und ignorierten es. Einerseits war ich sehr dankbar dafür, andererseits wünschte ich mir etwas mehr Rücksicht. Auf mich nahm man jedoch keine Rücksicht. Und sie? Sie schien genauso glücklich wie immer. Wahrscheinlich war es für sie eine Erleichterung gewesen, endlich mit mir Schluss machen zu können. Einen Grund gefunden zu haben, mich in den Wind zu schießen. Immerhin war keiner gern mit einem Niemand zusammen. Denn das war ich. Ein Niemand. Ein Nichts. Ich dachte, für mein Mädchen wäre ich kein Nichts. Kein Niemand. Offensichtlich hatte ich mich geirrt. Das machte mich unendlich traurig. Alles machte mich unendlich traurig. Die Trennung an sich. Ihre Worte. Der Blick, mit dem sie mich fortgeschickt hatte und den Blick, den sie mir nun jeden Tag in der Schule gab. Das Verhalten meiner Freunde. Mein Verhalten, denn ich tat so als wäre ich okay, obwohl ich es nicht war. Mein zerbröseltes Herz. Würde es je wieder ein ganzes sein? Jedes verliebte Paar, das ich sah. Alles. Einfach alles zog mich hinunter in den Schmutz. Hinunter auf den Boden in ihrem Schlafzimmer, auf welchem sie mein armes Herz zertrampelt hatte. Nach dort ganz unten zog mich meine unendliche Traurigkeit. Liebesfilme übertrieben nicht. Der Schmerz war echt. Er war da und wahrscheinlich würde er auf ewig in meiner Brust festsitzen. Mein Herz zerquetschen und meine Lunge am Atmen hindern. Fühlte sich so das Sterben an?
Zwei Monate war es her. Jeder sagte mir, dass es besser werden würde. Zeit heile meine Wunden. Die Zeit tat einen Scheiß. Es interessierte sie nicht, ob ich blutete. Mir ging es wesentlich schlechter als am ersten Tag.
„Ey!" Mir wurde gegen den Fuß gekickt, während ich auf dem Schulflur hockte und auf die nächste Stunde wartete. „Ey, Niemand!" Anders wurde ich von meinen Freunden lange nicht mehr genannt. Ich hatte es aufgeben, etwas dazu zu sagen. „Kommst du später mit in die Stadt? Wir gehen alle."
Ich ließ meinen Blick über die Schuhe gleiten, die sich um mich gereiht hatten. „Alle?", fragte ich und glotzte auf die nackten Knöchel meiner Ex-Freundin. Sogar ihre Knöchel waren so wunderschön, dass ich sie hätte den ganzen Tag anschauen können.
„Hab ich doch gerade gesagt."
„Ich passe", meinte ich seufzend und riss meine Augen von ihrer Haut los.
„Du bist in letzter Zeit nie dabei!", wurde mir vorgeworfen. Ich stritt auch gar nicht ab, dass ich mir keine Mühe um die Freundschaft zu diesen Scheinheiligen gab.
Seufzend rappelte ich mich auf. „Ich muss auf meinen Bruder aufpassen", log ich. Ich musste nie auf meinen kleinen Bruder aufpassen. Er war sehr gut darin, sich selbst zu beschäftigen und wenn nicht, wurde er von seinem perfekten Vater umsorgt. Ich war da überflüssig.
„Klar, wer es glaubt. Du hängst bestimmt wieder mit diesem Pädo rum." Alle lachten. Haha wie witzig.
„Halt dein Maul", schnaufte ich. Mir war egal, dass keiner die Freundschaft zwischen Marco und mir verstand. Aber ihn als Pädophilen darzustellen und Gerüchte in die Welt zu setzen, ich würde auf alte Männer stehen, kotzte mich an. Doch auch zu diesem Thema hatte ich längst aufgegeben. Mir den Mund fusselig zu reden, brachte die Menschheit auch nicht zum Denken.
Ich nahm mir meinen Rucksack und bahnte mir einen Weg zum Treppenhaus.
„Ey, Niemand! Wo willst du hin? Wir haben noch zwei Stunden!", brüllte einer der Jungs mir hinterher.
„Ich scheiß drauf!" Ich schlug mir demonstrativ auf die Arschbacke, ehe ich meinen Mittelfinger hochhielt. „Fickt euch alle", murmelte ich leise hinterher.
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Niemand [boyxboy]
RomanceEin Niemand. So wird er von anderen behandelt. Und so behandelt er sich vor allem selbst. Denn er ist ein Niemand. Nic Niemand. Sein Nachname bestimmt sein ganzes Leben, bis ein Mensch in sein Leben tritt, der ihm zeigt, dass er ein Jemand ist.