"Was hat sie dir denn genau für ein Angebot gemacht?"
Leise seufzte ich auf. Zwar wollte ich die Entscheidung ganz alleine treffen, aber es war einfach viel zu aufregend, um es Marco nicht zu erzählen. Ich teilte alles mit ihm. Da konnte ich so etwas wichtiges einfach nicht für mich behalten. "Sie..." Ich setzte mich auf und knetete das Sofakissen, dass ich zuvor in meinen Armen gehalten hatte. "Nina würde gerne, dass ich bei einem ihrer nächsten Projekte als Model mitarbeite."
Der fast 60-Jährige drehte sich zu mir um, gab mir diesen bestimmten Blick. Schließlich hatte er das Thema am selben Tag schon vor der Designerin angesprochen. Und auch in der Vergangenheit hatte er das schonmal angerissen. "Ich habe in meinem Leben schon viele Models gesehen. Auch welche, die gerade angefangen haben. Und glaub mir, ich hätte dich sicher nicht gefragt, ob das was für dich wäre, wenn ich nicht finden würde, dass es gut zu dir passt. Außerdem macht es dir Spaß fotografiert zu werden. Das sehe ich dir doch an." Mein bester Freund legte den Kamm weg, mit dem er seinen Vollbart entwirrt hatte.
"Ich sehe gar nicht gut genug aus, um Model zu sein."
"Das sehe ich anders. Nina übrigens auch. Ich hab ihr die Fotos von dir gezeigt, was hoffentlich okay war? Sie fand sie wirklich gut. Dich. Sie fand dich wirklich gut, du hast ihr gefallen."
Ich sah auf meine Finger, zupfte Katzenhaare von dem Kissen. Leise brummte ich. Noch war ich nicht überzeugt.
"Es ist deine Entscheidung. Aber wieso versuchst du es nicht einfach? Was hast du denn zu verlieren? Du hast dich sowieso nicht um einen Uniplatz oder eine Ausbildung oder einen Job gekümmert. Du hast nichts, was auf dich wartet. Oder, was du absagen müsstest, wenn dir das tatsächlich Spaß macht. Wie ich schon gesagt hab, du wirst es bereuen, wenn du nicht einfach mal etwas wagst. Tu es einfach, wenn du Lust darauf hast." Der alte Mann setzte sich zu mir, patsche seine Flosse auf meine Wange. "Und du bist ein Hübscher. Dich sieht man gerne an."
Verlegen schob ich seine Hand von mir. "Was ist, wenn alle viel mehr erwarten? Wenn ich das überhaupt nicht kann, aber alle vorher gedacht haben, dass ich es hinbekomme?"
"Wen hat das zu interessieren? Und selbst, wenn du dich total dämlich anstellst. Es ist doch egal. Ich weiß, es ist schwer, einen Fick auf andere zu geben. Aber es geht ganz allein um dich. Wenn du dich selbst enttäuschst, dann lerne daraus. Überlege, wieso du enttäuscht bist und mach es besser. Probiere dann etwas anderes aus. Etwas, das dir besser liegt. Keine Ahnung. Ich bin mir ganz sicher, dass du wirklich Eindruck bei Nina hinterlassen hast, wenn sie dich so unbedingt dabei haben will. Aber selbst das sollte egal sein. Mach nur das, was du möchtest."
Schnaufend legte ich mein Kinn auf das Polster in meinen Armen. "Ich bin total überfordert..."
Der Bartträger hielt seine Hände hoch. "Sieh mal.." Er hob eine etwas höher. "Auf der einen Seite hast du eine völlig neue Erfahrung, die sich dir eröffnen kann. Du machst das gut und es macht dir Spaß und du setzt einen Fuß in eine harte, aber super interessante Welt." Dann hob er die andere Hand. "Auf der anderen Seite könntest du merken, dass es dir nicht gefällt. Aber du hast es versuchst und kannst ausschließen, was du nicht machen möchtest in deinem Leben. Du kannst deinen Weg fortsetzen, brauchst aber nicht bereuen, dass du es nicht ausprobiert hast." Lachend streckte er seinen Fuß in die Luft. "Oder du lässt es einfach bleiben und hast trotzdem nichts zu verlieren, weil da ja sowieso noch nichts war." Ich musste über seine akrobatische Einlage grinsen. "Schau, Nics. So oder so hast du rein gar nichts zu verlieren. So sehe ich das. Hör auf dein Bauchgefühl. Auf dein Herz. Lass es dir in Ruhe durch den Kopf gehen. Oder sprich nochmal mit Nina, was dich genau erwarten würde. Vielleicht gibt dir das ja etwas mehr Klarheit. Entweder du verlierst die Lust daran, weil es nicht das ist, was du dir vorstellst, oder du bist erst Recht Feuer und Flamme."
DU LIEST GERADE
Niemand [boyxboy]
RomanceEin Niemand. So wird er von anderen behandelt. Und so behandelt er sich vor allem selbst. Denn er ist ein Niemand. Nic Niemand. Sein Nachname bestimmt sein ganzes Leben, bis ein Mensch in sein Leben tritt, der ihm zeigt, dass er ein Jemand ist.