Es wurde immer schlimmer. Dabei hatte ich gedacht, dass es mir endlich besser gehen würde. Es ging mir auch besser. Es ging mir gut, als ich meiner Mutter erfolgreich aus dem Weg gehen konnte. Es ging mir gut, als zwischen Raffaele und mir nichts weiter als Freundschaft war. Es ging mir gut, als es mir egal war, dass ich keinen Plan für die Zukunft hatte.
Aber ich schaffte es nicht mehr, ihr aus dem Weg zu gehen. Ich schaffte es nicht mehr, ihn nur als einen Freund zu sehen. Und ich schaffte es nicht mehr, meine Sorgen um die Ungewissheit zu verdrängen.
Alles stresste mich. Der Streit. Die Gefühle. Die Zeit. Bald hatte ich Prüfungen und ich konnte mich nicht konzentrieren, weil mir alles in der Rübe hing. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er platzen. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Denn, wenn ich es versuchte, sprang ich gleich zum nächsten Gedanken. Und zum nächsten. Und zum nächsten. Bis ich wieder beim ersten ankam und alles von vorn begann. Immer mehr Fragen. Immer weniger Antworten.
Mein Herz wusste nicht, ob es höher schlagen sollte oder ganz damit aufhören. Schmetterlinge flatterten um meine verknoteten Innereien. Kribbeln oder Wehtun. Mein Bauch konnte sich nicht entscheiden. Ich konnte nicht stillsitzen. Aber bewegen wollte ich mich auch nicht. Ich wollte weinen. Aber es kamen einfach keine Tränen. Ich wollte schreien. Aber aus meiner Kehle kam kein Laut mehr. Ich hatte Angst vor Schmerzen. Aber ich sehnte mich danach. Nach Schmerzen. Etwas anderes fühlen, als diese Verwirrung. Dieses Chaos. In meinem Kopf. In meiner Brust. In jedem Körperteil.
Ich grub die Hand in meine Locken, krallte mich daran fest, zog daran. Vielleicht würde mein Kopf dann endlich etwas stiller sein. Leise. Verstummen. Mir entwich ein Schluchzen, aber ich weinte nicht. Mein Hals war wie zugeschnürt. Das Atmen fiel schwer.
„Hey...!"
Ich kauerte mich noch mehr zusammen. Wahrscheinlich hockte ich bereits seit Stunden zwischen Waschmaschine und Trockner im Hauswirtschaftsraum. Dort war es ruhig und dunkel und es fand mich keiner. Normalerweise.
„Nicolai?" Seine Hand legte sich auf die, die sich so fest in mein Haar gekrallt hatte. „Hörst du mich, Nic?" Seine Stimme war leise und liebevoll. Dennoch hörte ich die Sorge in ihr. „Sprich mit mir, bitte. Was ist los?"
Zittern schüttelte meinen Körper. Die dunkle Wolke, die mir über dem Kopf hing, schien mich vollkommen zu umhüllen.
Sanft hob er meinen Kopf von meinen Knien. „Sieh mich an..." Er streichelte mir über die Wangen. „Soll ich deine Mutter holen? Soll ich Marco anrufen?"
Wieder schüttelte ich nur den Kopf. Immer wieder. Er wollte gar nicht mehr aufhören sich zu schüttelten. Zögerlich lösten sich meine Hände aus ihrer Umklammerung und streckten die Finger in seine Richtung.
Mein Stiefvater verstand sofort und schloss mich fest in seine Arme. Ich krallte mich in sein Hemd, vergrub mein Gesicht in seiner Schulter. Das erste Mal schaffte ich es meinen Tränen wieder freien Lauf zu lassen.
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Niemand [boyxboy]
RomanceEin Niemand. So wird er von anderen behandelt. Und so behandelt er sich vor allem selbst. Denn er ist ein Niemand. Nic Niemand. Sein Nachname bestimmt sein ganzes Leben, bis ein Mensch in sein Leben tritt, der ihm zeigt, dass er ein Jemand ist.