Ich stellte die beiden Dosen auf den Tresen und starrte hinaus auf den beleuchteten Hof der Tankstelle. Mein bester Freund war damit beschäftigt eine Katze mit seiner Liebe zu überhäufen.
„Hey", kam es von dem Typen hinter der Kasse.
Mein Blick hing noch immer an Marco. Dennoch zog ich meine Augenbrauen leicht zusammen, da mir die Stimme irgendwie vertraut vorkam. „Hi ähm..." Was zum Teufel tat er dort draußen mit der Katze? „Äh... ich hätt gern noch einmal den blauen American Spirit", meinte ich etwas abwesend.
„Hab nur noch den gelben da." Er scannte die beiden Dosen ein.
Mir entfuhr ein genervtes Schnauben. „Dann nehm ich den gelben."
„Hast du 'n Ausweis für mich?" Diese tiefe Stimme... Irgendwo...
Seufzend fischte ich meinen Ausweis aus meiner Geldbörse. Als ich ihm das Kärtchen reichte, sah ich meinen Gegenüber das erste mal richtig an. Ein Lächeln hing auf seinen Lippen. Ich kannte dieses Lächeln. Das Lächeln, das kaum seine Augen erreichte. Er riss seinen Blick los, um mein Alter zu checken. Meiner hing jedoch weiter auf ihm. Auf seinen dunklen Haaren. Seinem Kieferknochen. Den Ohren. Und auf dem unmöglichen Schnurrbart, der noch immer über seiner Oberlippe klebte.
Ich griff nach den Ausweis, den er mir zurückgab und zeigte mit dem Finger auf sein Gesicht. Leicht kniff ich meine Augen zusammen. Es fühlte sich irgendwie an, als wäre das alles schon einmal passiert. Ich wusste genau, was aus meinem Mund kommen würde. „Du... hast da was."
Statt sich ins Gesicht zu fassen, verschränkte der Kerl seine Arme vor der Brust. Seine Fratze verzog sich zu einem Grinsen. Anders als das freundliche Lächeln zuvor, erreichte es diesmal auch seine braunen Glubscher.
„Das sieht eeeeecht... bescheuert aus."
Ihm entwich ein komisches Glucksen, ehe er mir den Preis für den Tabak und die Getränke nannte. Ich gab ihm das Geld und ohne ein weiteres Wort von einem von uns, packte ich meinen Kram und verschwand aus der Tankstelle.
Ich warf nochmal einen Blick durch die Scheibe, als ich zu meinem besten Freund rüber lief. „Hier..." Abgelenkt hielt ich dem alten Mann seine Coke hin.
„Alles gut bei dir?" Er schien sich von seinem Opfer gelöst zu haben und öffnete die Dose. „Du siehst aus, als wärst du einem Geist begegnet."
Ich nahm einen Schluck, woraufhin ich aufstoßen musste. „Hm...?"
Marco lachte. „Ich fragte, ob du einen Geist gesehen hast." Er nahm mein Gesöff, welches ich ihm hinhielt, um mir eine Zigarette zu drehen.
„Wieso 'nen Geist?"
„Mann, vergiss es."
Ich zuckte mit den Schultern und leckte über das Blättchen. Seufzend klemmte ich mir schließlich die Kippe zwischen die Lippen und steckte sie an. „Sag mal, Marco..." Ich zog die Nase hoch. „Kennst du den Typen?" Mein Kinn zuckte in die Richtung des Tankstellenshops.
Sein Blick folgte meinem. Für einen Moment schien er zu überlegen. „Nö", meinte er schließlich und nahm einen Schluck von meinem Bier. „Wieso?"
„Ey, das gehört mir." Ich nahm es ihm ab, damit er nicht noch mehr davon trank. „Nur so."
Das erste Mal seit Wochen dachte ich für einen kurzen Augenblick nicht über meine Ex nach, sondern hing an einer ersten Begegnung fest, an die ich mich kaum erinnern konnte und von der ich nie gedacht hätte, dass es eine zweite geben würde.
„Ich werde von Bärten verfolgt", fiel mir auf, während ich den Rauch aus meiner Lunge stieß und meinen vollbärtigen Freund neben mir betrachtete.
Der Ältere fing an zu lachen. „Was...?"
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Niemand [boyxboy]
RomanceEin Niemand. So wird er von anderen behandelt. Und so behandelt er sich vor allem selbst. Denn er ist ein Niemand. Nic Niemand. Sein Nachname bestimmt sein ganzes Leben, bis ein Mensch in sein Leben tritt, der ihm zeigt, dass er ein Jemand ist.