„Verpiss dich aus meinem Zimmer, Leo." Meine Stimme war armselig und zittrig. Tränen liefen über meine Wangen und ich schniefte. Wir starrten einander einige Sekunden an, ehe der Achtjährige das Gesicht zu diesem verdächtigen Grinsen verzog und sich abwandte.
„Papa! Nici raucht schon wieder in seinem Zimmer! Und er isst Eis, ohne gefragt zu haben! Und er heult wie ein Baby!" Es folgte sein teuflisches Lachen und Getrampel, als er die Treppe hinunter rannte. Er hatte Schiss, dass ich ihm hinterherrennen und eine überbraten würde. Dafür war ich jedoch nicht wirklich in der Stimmung.
„Du scheiß Petze!", brüllte ich ihm stattdessen hinterher. Durch meine Wut liefen nur noch mehr Tränen über mein Gesicht. „Fuck..." Schniefend rieb ich mir mit dem Ärmel die Rotze vom Gesicht.
Es dauerte keine Minute, bis mein Stiefvater in meiner Tür stand. Obwohl sie offen war, klopfte er kurz an. „Müsstest du nicht noch in der Schule sein?" Es wunderte mich, dass er nicht mitbekommen hatte, dass ich bereits zuhause war.
Ich starrte aus meinem Fenster und zog an meiner Kippe. „Hatte früher aus", log ich und zog erneut die Nase hoch.
„Mach bitte die Zigarette aus. Das tut dir nicht gut. Und wenn du es schon machen musst, dann bitte nicht im Haus." Er war streng und dennoch vollkommen ruhig.
Widerwillig drückte ich den Glimmstängel in meinem Aschenbecher aus.
„Und hör auf dir immer dieses süße Zeug rein zu schaufeln." Er deutete auf die halbleere Eispackung.
„Lass mich doch." Noch immer sah ich den Mann nicht an. Es reichte, dass die kleine Petze mich hat heulen sehen. Auch wenn es offensichtlich war, dass ich flennte.
Ich spürte, wie der Vater meines Bruders neben mir stehen blieb. Er hob seine Hand, um sie mir auf die Schulter zu legen, berührte mich dann doch nicht. „Warum weinst du, hm?"
Meine Zähne pressten sich fest aufeinander. Keine Antwort.
„Mieser Tag?"
Keine Antwort.
„Hast du Streit mit deiner Freundin?"
Ich starrte weiter auf mein hässliches Spiegelbild im Fenster. Erneut liefen die Tränen. Ich war so schrecklich erbärmlich. „Tzz", stieß ich hervor.
„Hm?" Mir war es ein Rätsel, wie jemand so viel Geduld haben konnte wie dieser Mann. Es war bewundernswert und dennoch würde ich ihn am liebsten in die Hölle schicken. Das ging jedoch nicht. Denn wir waren bereits dort. Wir saßen gemeinsam in der Hölle fest.
„Welche Freundin?" Sie zitterte. Meine Stimme verriet mich.
„Habt ihr... habt ihr euch getrennt?" Ihm war es unangenehm mich so auszufragen und ich fragte mich, wieso er es nicht einfach bleiben ließ.
„Sie hat Schluss gemacht." Ich wischte mir mit dem Ärmel über die Nase.
„Wie lange seid ihr schon...?"
„Zwei Monate etwa..."
Nun legte sich seine Hand doch auf meine Schulter. Sie war warm und seine Geste sehr liebevoll, aber ich fühlte mich unwohl, weshalb ich mich aus seiner Berührung wand. „Bitte... lass mich einfach in Ruhe." Ich brauchte niemanden, der mich mit Mitleid übergoss. Das schaffte ich ganz gut allein.
Er seufzte leise. „Okay..." Der Mann faltete seine Hände und zeigte mit seinem Finger auf mich. „Aber, wenn du reden möchtest..."
„Bist du der letzte, bei dem ich ankomme", sagte ich bissig. Ich verletzte ihn damit.
Er lächelte mich traurig an. „Das ist auch okay. Aber falls... Ich bin da." Der Mann meiner Mutter drehte sich um und verließ mein Zimmer. In der Tür blieb er noch einmal stehen. „Es gibt gleich essen. Leiste Leo und mir doch etwas Gesellschaft, hm? Tut dir vielleicht gut."
Ich aß nicht mit ihnen zu Mittag. Und ich wusste, dass ich meinen Stiefvater auch damit verletzte. Er gab sich solche Mühe und ich wies ihn zurück, seit ich mich erinnern konnte. Das hatte er nicht verdient, doch mein Ego war größer als mein Gewissen. Also schaufelte ich mir den Rest von dem Eis in meinen Rachen und versuchte meine Gefühle zu erfrieren. Ich rauchte in meinem Zimmer, obwohl ich es nicht sollte, und versuchte meine Gefühle zu ersticken. Weder das eine noch das andere funktionierte. Am Ende war ich einfach nur allein mit all diesen Gedanken und Schmerzen und heulte wie ein kleines Kind und vermisste das Mädchen, welches entschieden hatte, dass ich nicht gut genug für sie war.
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Niemand [boyxboy]
Lãng mạnEin Niemand. So wird er von anderen behandelt. Und so behandelt er sich vor allem selbst. Denn er ist ein Niemand. Nic Niemand. Sein Nachname bestimmt sein ganzes Leben, bis ein Mensch in sein Leben tritt, der ihm zeigt, dass er ein Jemand ist.