Modeschwuchtel

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„Wofür brauchst du denn so viel Stoff?" Ich wurde neben ihm wieder langsamer, nachdem ich ihn endlich eingeholt hatte. Dafür, dass er so schwer bepackt war, lief er ziemlich zügig. „Soll ich dir was abnehmen?"

„Oh hi! Ja, das wäre super lieb von dir."

Grinsend nahm ich ihm etwas von seinem Gepäck ab. Er schleppte sämtlichen Kram mit sich herum. Tüten und Stoffrollen und wahrscheinlich noch irgendwelchen Unikram. „Wofür brauchst du das alles?"

„Fürs Studium."

„Ah echt?" Mir fiel auf, dass ich gar nicht so genau wusste, was er überhaupt studierte.

„Na ja und manches auch nicht für die Uni."

„Okay?" Ich lief neben ihm er. Sollte ich ihn einfach fragen? „Was Ähm... machst du damit?"

„Hm?"

„Mit dem ganzen Kram?"

„Ah!" Er hob die Hände etwas höher. „Klamotten."

„Klamotten? Für die Uni?"

„Ich studiere Modedesign. Und wir müssen Outfits entwerfen und herstellen. Unter anderem. Aber ja, daran arbeite ich im Moment."

Manchmal hasste ich meinen Mund dafür, dass er zuerst etwas aussprach, bevor das Hirn ihm den Befehlt dazu gegeben hatte. „Du siehst gar nicht aus wie 'ne Modeschwuchtel."

Der Italiener neben mir blieb stehen. „Wow, Alter!"

Ich bleib ebenfalls stehen. Meine Worte bereute ich sofort. Das war wirklich dumm gewesen.

„Bist du so'n Arsch oder tust du nur so?"

„Das..." Ich wusste nicht recht, wie ich mich retten sollte. „Ich mein das doch gar nicht so."

„Wieso sagst du denn sowas?" Er schien wirklich wütend zu sein. Jedenfalls hatte ich dieses Gesicht bei ihm noch nie gesehen.

„Ich hab nicht nachgedacht."

„Das solltest du aber!"

„Sorry." In meinem Bauch breitete sich dieses Gefühl von Unwohlsein aus. Ich verabscheute es. Dieses Drücken auf der Brust und dem Magen.

„Echt ey." Raffaele setzte seinen Weg fort.

„Es tut..." Mir blieb meine Entscheidung in der Kehle stecken. Es ging einfach nicht. Ich bekam sie einfach nicht raus. „Ich... meinte das gar nicht so blöd, wie es sich anhört."

„Du brauchst dich nicht rechtfertigen."

„Möchte ich aber." Ich versuchte meine Worte zu ordnen, um nicht erneut so unbedachte Dinge von mir zu geben. „Ich find es cool. Also das klingt wirklich cool. Ehrlich! Ich meinte einfach nur, dass ich es nicht erwartet hab. Du bist nicht das Klischee eines männlichen Modedesigners, das überall abgebildet wird, weißt du? Und ich wollte weiß Gott niemanden damit beleidigen. Weder dich noch irgendwen anderen."

Er seufzte leise. „Dann denk das nächste Mal bitte vorher nach und sprich dann."

„Mach ich."

„Gut. Das kann nämlich echt verletzend sein, weißt du."

„Okay." Noch immer brachte ich keine einfache und ehrliche Entschuldigung heraus. Ich zog die Nase hoch und sah auf den Kram in unseren Armen. „Also... du machst die Outfits und so selbst?"

„Ja, genau." Seine Stimme klang wieder ganz anders als gerade noch. Vielleicht hatte er sich etwas beruhigt.

„Und du entwirfst sie vorher selbst?"

„Klar. Das ist ja Sinn und Zweck."

„Also kannst du auch nähen und so?"

„Mann, natürlich."

„Hast du das während des Studiums gelernt oder konntest du es schon vorher?" Ich war ehrlich interessiert. Einerseits, weil ich zuvor nie mit jemandem gesprochen hatte, der das lernte und andererseits, weil ich einfach mehr über den Menschen erfahren wollte, der mein Freund geworden war. Ich wusste so wenig von ihm. Das war mir zuvor gar nicht so recht klar gewesen.

„Ich konnte vorher schon nähen. Vorher hab ich tatsächlich schon die handwerkliche Ausbildung gemacht. Also zum Schneider. Im Theater. Das war wirklich cool. Ich kann wohl nicht genug davon bekommen." Ihm entfuhr ein Lachen. „Ähm aber hätte ich es vorher noch nicht gekonnt, dann hätte ich es definitiv in den praktischen Kursen gelernt. Also das Nähen."

„Nähst du auch Kleidung für dich selbst?"

„Nicht mehr so häufig wie damals. Aber es kommt noch vor. Allerdings schneidere ich fast noch lieber Dinge für andere." Er hopste vor mich und lief einige Schritte rückwärts. Kurz hatte ich Angst, er würde sich mit seinen wertvollen Materialien auf den Hintern packen. „Neben den Arbeiten für meine Kurse, entwerfe und schneidere ich noch ziemlich viel. Ich hab 'n Blog und eine Instagramseite, wo ich das ganze auch hochlade. Kommt sogar ziemlich gut an, weißt du?" Raffa schien wirklich Feuer und Flamme zu sein. Es erwärmte mir das Herz, ihn so strahlen zu sehen. Seine Augen leuchteten und er schien gar nicht aufhören zu wollen, über seine Leidenschaft zu reden.

„Wie hast du nur so viel Zeit für alles? Schläfst du auch mal?"

„Ich nehme mir die Zeit einfach. Außerdem macht mir das echt viel Spaß. Und ein wenig Geld verdiene ich damit immerhin auch."

„Zeigst du mir mal ein paar deiner Entwürfe?"

„Natürlich!" Seine Freude über mein Interesse war wirklich erfrischend. Irgendwie ließ sie ihn jünger und kindlicher wirken, als er war. Es war ansteckend. Und gleichzeitig wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich nichts hatte, wofür ich so brannte.

Niemand [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt