Meine Füße tanzten über den Gehweg. Wie immer war die Musik gut, die mein Kumpel auf seine Playlist gepackt hatte. Wir kamen gerade vom Vorglühen und wollten weiter zum Club, um den Geburtstag von irgendwem zu feiern. Solche unnötigen Ereignisse konnte ich mir nie merken und eigentlich war es mir auch egal. Ich wollte mich einfach nur betrinken und ein wenig tanzen.
Lachend löste ich mich von der Mucke, als man mir eine Flasche reichte, und nahm einen Schluck der klaren Flüssigkeit. Ich konnte nicht abstreiten, dass ich schon gut dabei war. Und es war mir egal. Der Alkohol betäubte meine Gefühle und genau das brauchte ich. Die Wärme in mir, die mich die Leere vergessen ließ. Das schwammige in meinem Kopf. Keinen klaren Gedanken fassen können. Das wollte ich und Alk gab es mir.
Gut gelaunt tänzelte ich vor mich hin. Bis ein Name fiel. Ein Name, den ich vergessen wollte. Mir wurde in die Seite gestoßen. „Ey, Niemand, wusstest du das...?"
„Was wusste ich?" Mein Zunge war bereits etwas schwer.
Das Mädel neben mir zeigte auf die Person, dessen Name zuvor genannt wurde. Ich wollte nicht hinsehen, denn sie löste dieses bauschige Gefühl in mir auf und holte den Schmerz zurück, den ich ertränken wollte.
„Ist das ihr Neuer?" - „Keine Ahnung." - „Wusstet ihr davon?" - „Aber der ist schon heiß, oder?" - „Sie hat sich ja schnell erholt."
Ich fuhr mir mit den Händen durch die Locken, verfing mich in ihnen. Hör nicht hin, Nics, einfach nicht hinhören.
„Alles okay bei dir, Niemand?" Wieder wurde ich angestoßen.
Ich nickte nur, versuchte den Druck auf meiner Brust zu ignorieren. Die Gespräche zu ignorieren. Meine Ex und ihren neuen Lover zu ignorieren.
„Hey, Nici." Diese hübsche Stimme, die mich so viele Nächte gut einschlafen ließ. Mir süße Dinge zugeflüstert und Schmetterlinge gegeben hatte. Und schließlich mein Herz nicht mehr höher schlagen, sondern hat brechen lassen. In tausend Teile oder noch viel mehr.
Nun hob ich doch meinen Blick. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Das Mädchen, das ich mal Mein nannte, umklammerte den Arm von einem anderen. Sie umklammerte ihn, wie sie den meinen umklammert hatte. „Nici, das ist..."
„Ich will gar nicht wissen, wer er ist", unterbrach ich sie. Mir reichte es, zu wissen, dass er überhaupt existierte. Ihr neuer Freund. Ihr Lover. Der Typ, der mir meine Freundin genommen hatte.
„Reg dich nicht auf", wurde mir gesagt, doch irgendwie erzielte man damit das genaue Gegenteil. In mir fing es an zu blubbern und zu brodeln. Der Schmerz in meiner Brust war unerträglich. Es kribbelte in meinen Fingern. Es juckte. Der Drang, dem viel zu hübschen Kerl meine Faust in die Fresse zu donnern, wurde immer größer.
Mir brannten die Sicherungen durch. Ich überbrückte den Abstand zwischen mir und dem Fremden und packte ihn grob am Kragen. „Warst du es?!" Kurz nachdem sie sich von mir getrennt hat, wurde mir erzählt, dass sie neben mir sowieso schon mit einem anderen gevögelt hatte. Doch statt wütend auf sie zu sein, war ich wütend auf den Unbekannten, von dem mir meine Freundin gestohlen wurde. „Hast du sie gefickt, obwohl sie einen Freund hatte?" Ich spuckte ihm beim Reden ins Gesicht, doch das war mir egal. Tränen brannten in meinen Augen. Ich wollte nicht heulen, unterdrückte es krampfhaft.
„Alter, was willst du von mir?", fragte der Typ. Er schien sehr unbeeindruckt, was mich nur noch wütender machte. Es schnürte mir die Kehle zu.
„Nico, lass es einfach." Ich hörte nicht auf die Worte meiner Freunde. Sie hatten sich um uns versammelt, aber keiner hielt mich wirklich davon ab, etwas dummes zu tun. Sie waren sensationsgeil. Meine Ex hatte inzwischen ihren Stecher losgelassen und hielt etwas Abstand. Dabei würde ich ihr wohl nie etwas antun. Ich stieß den Typen von mir, ehe ich ausholte und ihm tatsächlich meine Faust in sein viel zu schönes Gesicht warf. „Elender Bastard!" Ein weiterer Schlag. Ich wusste nicht, woher die plötzliche Kraft kam. Meine Hände taten weh. Noch nie hatte ich mich mit jemandem ernsthaft geprügelt, weshalb ich überrascht war, wie sehr es schmerzte auf einen Kiefer zu boxen. Die Rufe, der Leute um mich herum, gingen an mir vorbei. Sie waren dumpf und leise. Wie hinter einer Mauer. Hinter meiner Mauer aus Wut und Traurigkeit.
Wir stürzten zu Boden, schlugen weiter aufeinander ein. Alle angestauten Gefühle der letzten Monate prasselten aus mir heraus. Es war das erste Mal, dass keine Tränen rollten. Sie blieben stecken in meinen glasigen Augen. Ich schluckte sie runter und erstickte an ihnen, während der ganze Frust meinen Körper steuerte. Vielleicht war es auch ein wenig Eifersucht. Neid. Verzweiflung. Eine hässliche Mischung aus Allem, die das Fass zum Überlaufen brachte. Und es hörte einfach nicht auf.
Ich wusste nicht, wie lang es dauerte, bis mich jemand grob von meinem Gegenüber pflückte. Meine Arme wurden festgehalten, sodass ich sie nicht hätte hochreißen können, selbst wenn ich den Fuß des am Boden liegenden hätte kommen sehen. Die dreckige Sohle knallte mir direkt auf meine Nase. Ein dumpfes Knacken.
Alles wurde schwarz.
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Niemand [boyxboy]
RomantikEin Niemand. So wird er von anderen behandelt. Und so behandelt er sich vor allem selbst. Denn er ist ein Niemand. Nic Niemand. Sein Nachname bestimmt sein ganzes Leben, bis ein Mensch in sein Leben tritt, der ihm zeigt, dass er ein Jemand ist.