Kapitel 4

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Seine Augen trafen auf meine, aber unser Augenkontakt hielt nur kurz, da ich sofort wegsah. Ich würde es nicht ertragen, ihm länger ins Gesicht zusehen. Das fühlte sich, wie ein Ding der Unmöglichkeit an, wenn man mir den Schädel abriss. 

Ich widmete mich unseren Autos, die leider einander berührten. Auf den ersten Blick war wenigstens keine Delle zu sehen. Ein kleiner Trost in diesem Unglück.

Es war nicht aufzuhalten, weshalb ich los sprudelte: "Es tut mir unfassbar leid. Ich hab eigentlich gebremst, aber irgendwie hat das nicht ganz geklappt. Es tut mir so leid." Ich wagte es nicht meinem Blick zu heben und fixierte mich auf unsere Autos. "Nein, ich kann es nicht in Worte fassen, wie leid mir das tut."

Ich fuhr mir verzweifelt durch meine Haare und das war keine Show. Dem Nervenzusammenbruch war ich tatsächlich nahe. Ich musste kein Schauspiel aufrecht erhalten oder lügen. Meine Worte und mein Verhalten waren echt.

Ohne eine Pause zu machen, fuhr ich fort: "Das macht es vermutlich kein bisschen besser, aber ich habe erst seit gestern meinen Führerschein. Es tut mir sehr leid." Endlich schaffte ich es zu ihm zusehen und dabei sagte ich erneut: "Es tut mir so unfassbar leid."

Mit der fünften Entschuldigung hatte ich vermutlich übertrieben, aber jede einzelne davon war mir über die Lippen geflogen. 

Der Mann hatte längst zu mir gesehen, weshalb wir sofort Blickkontakt hatten. Vorhin hatte ich ihn viel zu kurz angesehen, der Grund warum mir erst jetzt auffiel, was für eine gottgleiche Gestalt vor mir stand.

Er war unglaublich attraktiv.

Seine Augen waren etwas Auffallendes, das einen einfing. Sie waren bernsteinfarben, was in der Sonne sehr gut zur Geltung kam. Sie leuchteten fast und das war wie hypnotisierend. Die markanten Gesichtszüge mit einem drei-Tage-Bart ließen ihn unfassbar männlich wirken.

Jegliches weitere Wort blieb mir in der Kehle stecken. Das Einzige was ich hinbekam war ein Blinzeln. Es fühlte sich an als wäre die Welt einen Moment stehen geblieben. Vielleicht hatte auch einfach mein Hirn seinen Dienst eingestellt.

Etwas verstörte mich und das war ein leichtes Lächeln, welches seine Lippen zierte. Es war unpassend in der aktuellen Situation. Vor allem, wenn man bedachte, wie wütend er vorhin ausgesehen hatte.

Es war unlogisch, wenn er lächelte. Ich war ihm ins sein überteuertes Auto gefahren und er war guter Dinge? Deshalb war ich noch überforderter und die Verzweiflung stand mir sicher groß ins Gesicht geschrieben.

Es wurde absurder als er es mit einer Handbewegung abtat und sagte: "Das ist kein Problem. Es ist nur ein Wagen." Mir fielen beinahe meine Augen aus dem Kopf. Egal mit was, aber nicht damit hatte ich gerechnet.

Er wandte sich unseren Autos zu und meinte: "Das ist maximal ein Kratzer, der tut niemanden weh." Mit einem Nicken bestätigte der Adonis seine Aussage. 

Nach einem Räuspern schaffte ich es zu sagen: "Es tut mir leid." Ok, das war das sechste Mal. Ich sollte mir neue Sätze einfallen lassen. Etwas, womit mein Hirn momentan ungern diente.

Er schenkte mir seine Aufmerksamkeit und fragte: "Kann dir überhaupt irgendjemand böse sein?" Mit dieser Frage traf er mich unerwartet, noch mehr mit diesem umwerfenden Lächeln.

Dank meiner Überforderung, fragte ich: "Kein Wutausbruch? Keine Morddrohung?" Meine Augenbrauen hatte ich zusammen gezogen und meine Unsicherheit war zum Greifen nahe.

Als er zu lachen anfing, kam ich gar nicht mehr mit. Diese Reaktion war viel zu positiv, darum fühlte es sich falsch an.

Ich blieb still und musterte ihn. Normalerweise waren die meisten bei ihren Autos hochsensibel und verstanden keinen Spaß.

Wenigstens hatte er sich bald gefangen, aber mit seiner nächsten Tat überraschte er mich wieder. Mir wurde eine Hand hingehalten und dabei sagte er: "Ich bin Cyrian." Zögernd nahm ich seine Hand an und antwortete: "Feline."

Sein Lächeln ließ meine Knie weich werden genauso die darauffolgenden Worte: "Feline, was für ein wunderschöner Name."

Nach dem Hände schütteln, entzog ich sie ihm wieder. Ich war stolz, dass ich das überhaupt geschafft hatte. Zu viel war ich nämlich nicht fähig.

Ganz leise brachte ich über meine Lippen: "Danke." Dieses Kompliment hatte mich aus der Bahn geworfen, da schafften meine Stimmbänder keinen lauteren Ton.

Die an uns vorbeifahrenden Autos nahm ich kaum wahr, auch ansonsten bekam ich nichts mit. Mir war nicht bewusst gewesen, dass ein Vertreter der männlichen Spezies so etwas auslösen konnte.

Cyrian deutete auf den Wagen und sagte: "Den Papierkram können wir lassen. Ich werde es nicht melden. Falls überhaupt etwas passiert ist, dann wird mich die Reparatur wenig kosten."

Dabei war das eher ein Luxusauto, bei denen kostete die kleinste Reparatur ein halbes Vermögen.

Ich fing an: "Aber..." Er hob die Hand, weshalb ich inne hielt. "Kein aber. Betrachte es als einen Akt der Nächstenliebe."

Falls eine Fliege in der Nähe war, könnte sie in meinem Mund landen, denn die Klappe stand offen.

Er schenkte mir ein 200 Watt Lächeln als er sagte: "Es hat mich sehr gefreut dich kennen zu lernen, Feline."

"Ja, ähm..." Ich musste mich räuspern, um fortfahren zu können: "Ja, mich auch." Ich wollte im Boden versinken und sterben für mein Gebrabbel.

"Ich wünsche dir einen schönen Tag." Er drehte sich um und ging zur vorderen Tür seines Wagens. Ich stand wie festgewachsen am selben Fleck. Der Mann hatte mir den Atem verschlagen.

Gerade als er die Autotür öffnete, sah er zu mir und meinte: "Ach und Feline, man sieht sich immer zweimal im Leben. Ich freue mich auf unser nächstes Aufeinandertreffen." Überboten wurde das Ganze mit einem Zwinkern.

Herzstillstand.

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