Kapitel 87

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Meinen Herzschlag hörte ich bis in die Ohren und meine Hand zitterte, mit welcher ich die Klingel drücken wollte. Allerdings hielt ich kurz davor inne, weil die Freude zwar da war, nur blieb die Angst ein treuer Begleiter. Sie hatte sich festgebissen und ich wurde sie nicht mehr los.

Außerdem war es seltsam wieder hier zu sein und ich fragte mich wie das Aufeinandertreffen werden würde. Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gefühl, aber zeitgleich ein positives. Da gab es ungefähr tausend Empfindungen in mir. 

Ich sah meine Hand an, auf welcher der Ehering fehlte. Den hatte ich abgenommen, denn ich wollte die frohe Botschaft erzählen, ohne dass sie es vorher erkannten. Der Schock würde früh genug kommen und den wollte ich ihnen sanft beibringen. Wenigstens hatte Cyrian dafür Verständnis gezeigt.

Besagter Mann würde auf mich warten und zwar in dem Wagen, welchen er am Straßenrand geparkt hatte. Ich musste das zuerst alleine klären, bis ich es wagte ihn zu präsentieren. Vorab musste geklärt werden wie sie auf all das reagierten. Ich wollte beim ersten Aufeinandertreffen ein Drama vermeiden, denn das sollte so ruhig wie möglich verlaufen.

Ich holte tief Luft und schaffte es endlich auf die Klingel zu drücken. Cyrian hätte mir zwar meine Handtasche wieder gegeben, nur befand die sich nicht in unmittelbarer Nähe und ich wollte nach dem Flug direkt zu meiner Familie. Deshalb hatte ich aktuell den Haustürschlüssel nicht bei mir und musste anders um Einlass bitten.

Die Wartezeit fühlte sich wie eine Ewigkeit an, dabei dürfte das Einbildung sein. Meist dauerte es nur kurz bis jemand zur Tür kam. Und es war ein Sonntag, da sollte meine Familie zu Hause sein. Zumindest meine Eltern und hoffentlich Marleen, denn die wollte ich unbedingt sehen. Ellie dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit am Campus sein, denn sie kam nicht jedes Wochenende nach Hause. 

Ich konnte kaum ruhig stehen, hielt aber inne, als ich jemanden die Tür aufsperren hörte. Gleich ging es los und ich hatte keine Ahnung wie sie alle reagieren würden. Ich starrte auf die Klinke, denn die würde bald nach unten gedrückt werden. 

Das war unaufhaltsam und passierte schließlich, wie es sein sollte. Die Tür öffnete sich und zum Vorschein kam Marleen, die wie erstarrt war als sich unsere Blicke trafen. Ich hingegen hatte mich gefangen, weshalb ich sagte: "Hi." Es kam ganz leise raus und irgendwie hatte ich Angst sie zu verschrecken. Meine Schwester starrte mich an als hätte sie einen Geist gesehen.

Nach einem Räuspern  merkte ich an: "Ich bin wieder hier." Obwohl das ihre Reaktion war, klang meine Stimme nun etwas fester. Vermutlich konnte sie es einfach nicht glauben. Die Freude dürfte hoffentlich noch kommen. 

Endlich fragte sie: "Ich träume, oder?" Da lag also das Problem. Sie konnte es nicht glauben und hielt mich für eine Halluzination. 

Ich breitete meine Arme aus, denn vielleicht brachte das Leben in sie. Es wäre schön, wenn sie endlich eine richtige Reaktion zeigte. Und, wenn sie mir die Tür vor der Nase zuknallte, denn es wäre wenigstens irgendeine. Dieses Warten konnte eine wahre Qual sein. 

"Mum?!" 

Anscheinend wollte sie einen Zeugen, dass sie nicht halluzinierte. Dabei sollte sie es langsam kapieren. Oder sie schmissen mich vom Grundstück, weil meine Familie dachten ich hätte die Flucht freiwillig mitgemacht. Eventuell waren sie auch enttäuscht von mir. Wer weiß was zu Hause alles passiert war oder welche Theorien sie hatten. Es gab unzählige Möglichkeiten. 

Schon hörte ich meine Mum im Hintergrund fragen: "Was ist los, Marleen? Wer steht vor der Tür?" Sie klang leicht besorgt, dabei würde kein Einbrecher klingeln. Aber es war verständlich, dass die Tonlage meiner Schwester sie alarmiert hatte. 

Meine Mum kam in mein Sichtfeld und sie handelte ganz anders wie meine Schwester. Meine Mum schien keine Sekunde daran zu zweifeln, dass ich endlich wieder hier war. Sie schob Marleen beiseite, kam auf mich zu und umarmte mich fest. Es war sogar sehr fest, weshalb es mir die Luft abdrückte. Ich erwiderte die Umarmung, dabei füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich hatte viel zu lange darauf warten müssen das endlich tun zu können. 

Wie oft ich mir das doch gewünscht hatte? Es waren unzählige Male gewesen. 

Von meiner Mum war ein Schluchzen zu hören und sie flüsterte: "Mein Baby ist wieder zu Hause." Obwohl sie mich derart fest umarmte, brachte ich hervor: "Ja, das bin ich." Marleen schloss sich uns an, allerdings sagte sie dabei kein Wort. 

Abrupt wurde die Umarmung von meiner Mum gelöst, was mich überraschte. Sie hielt mich auf Armeslänge und meinte: "Doch, du bist wirklich hier." Beide hatten wir Tränen in den Augen und mein Blick wanderte zu Marleen. Sie erwiderte das und entriss mich meiner Mum, dabei sagte sie: "Ich will jetzt meine Schwester richtig umarmen." Marleen drückte mich fest an sich, was ich ihr gleich tat. 

Da hörte ich meinen Vater fragen: "Was ist hier los?" Er klang verwirrt und hatte mich wohl noch nicht gesehen. Ansonsten hätte er die Erklärung . Meine Mum schluchzte nur und brachte kein Wort über die Lippen und mein Dad fragte schon ungläubig: "Feline? Bist du das?" 

"Ja, hi Dad."

Es dauerte nur kurz bis ich seine Arme um uns spürte. Er murmelte: "Endlich bist du wieder bei uns. Wir waren krank vor Sorge." Ich spürte einen Kuss auf meinen Kopf und Marleen zerquetschte mich beinahe in unserer Umarmung. Da ich sie genauso vermisst hatte, erwiderte ich das. 

Zumindest eine kleine Erleichterung verspürte ich, denn der erste Part war gut verlaufen. Sie freuten sich mich zu sehen und niemand warf mich aus der Familie. Allerdings kam der schwere Teil erst noch, in dem ich alles erklärte und sie hoffentlich anschließend nicht Cyrian umbringen wollten. 

Aber für den Moment würde ich das genießen, denn ich war endlich zu Hause. 

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