Teil 24

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Nach drei Tagen kamen wir an einer abgelegenen Hütte an. Sie war zwar alt, aber schien dennoch robust und groß genug zu sein.
Als wir das Innere betraten konnte ich erkennen, dass sie bewohnt war, denn es war gemütlich und roch nicht nach Staub.
Halb volle Tassen standen auf dem Tisch, auf die mein Bruder zulief und diese entleerte.
>>Wir sind aufgebrochen, als er gesehen hat, wie du dich im Wald verirrt hast.<< kommentierte mein Bruder.
Reven beachtete uns nicht, sondern verschwand direkt hinter einer Tür und zog diese hinter sich zu.
>>Mach dir nichts draus Lia. Er wirkt hart, aber eigentlich ist er ziemlich in Ordnung. Es macht ihn einfach fertig zwar in die Zukunft zu sehen, aber nicht immer etwas tun zu können.<<
Noch immer gegen die Tür starrend, setze ich mich auf eines der Stühle am Esstisch.
>>Hasst er mich? Denn so kommt es rüber Enzo. Sei ehrlich.<<
Er sah ebenfalls einige Sekunden zur Tür, ehe er mir antwortete.
>>Nein, das tut er nicht. Aber er würde gerne. Er dachte du wärst freiwillig dort gewesen und hat mir die ganze Zeit versucht auszureden, dich da raus zu holen. Irgendwie...ich glaube er fühlt sich schuldig.<< flüsterte er den letzten Satz.
>>Ich gehe kurz Holz holen<< beendete er das Gespräch und verließ die Hütte.
Ich weiß nicht warum, aber ich stand auf und ging geradewegs auf die Tür zu, klopfte kurz an und riss sie auf.
Reven lag ausgestreckt auf dem Bett und sah mir geradewegs in die Augen.
>>Das hat aber nicht so lange gedauert.<< stellte er fest und schloss seine Augen.
Schwarze Haare fielen über seine Stirn und verliehen der rauen Note in seinem Gesicht, noch mehr Wildheit.
Ich schluckte als ich feststellte, dass seine Narben in diesem Licht noch tiefergehend waren.
>>Warum hast du diese Narben? Hätten sie nicht heilen müssen?<<
Vielleicht war es unverschämt von mir, doch er war es genauso, also war es mir in diesem Moment egal.
Er schien mit offenen Karten zu spielen und nicht auf meine Gefühle acht zu geben, also würde ich gleiches mit gleichem vergelten.
>>Hass steht dir nicht Lia. Bei ihm schienst du nie so gewesen zu sein.<<
>>Bei ihm war ich auch nicht ich. Zumindest nicht ganz.<<
Er holte kurz tief Luft, ehe er seine Augen aufschlug und seine Beine über die Bettkante schwang. So saß er am Rand und klopfte neben sich.
Darauf bedacht Abstand zu wahren, setzte ich mich auf die andere Seite des Bettes und wartete.
>>Wenn man die Wunde immer und immer wieder zufügt, ihr keine Chance lässt zum heilen, dann stirbt das Gewebe darum.
Deswegen sind sie nie verschwunden.<< kam die Antwort etwas verspätet.
>>Hör zu, ich weiß warum du hier bist. Aber ich kann dir bei diesem Problem leider nicht helfen.<<
Ich schluckte, weil ich tatsächlich erst jetzt realisierte, was mich wirklich in dieses Zimmer geführt hatte.
>>Du musst doch irgendwas sehen können? Was hat Darcen vor? Mit mir? Lässt er es beruhen? Rächt er sich? Sterbe ich vielleicht?<< fragte ich hintereinander weg, doch Reven schüttelte bloß mit dem Kopf.
>>Ich kann deine Zukunft nicht sehen Lia. Nicht, solang er nicht entschieden hat. Deine Zukunft hängt von Darcens Entscheidung ab.<<
Nickend erhob ich mich und ging zur Tür, weil ich nichts mehr zu sagen hatte. Doch bevor ich die Tür erreichen konnte, schloss Reven seine Hand um mein Handgelenk.
>>Ich helfe dir Morgen bei deiner Gabe. Du musst lernen Schilde zu durchdringen, egal wie stark sie sind. Du bist noch zu schwach, das kann ich zumindest vorhersehen.<<
Es sollte mich eigentlich beleidigen, doch im Grunde hatte er recht.
Ich war zu schwach und auch wenn ich Darcens Krallen von mir gelöst hatte, war es unter anderem dem Überraschungsmoment zu schulden gekommen.
Ich wusste nicht, ob es mir wieder gelingen würde und noch weniger wusste ich, zu was ich alles fähig wäre.
Also nickte ich nur und trat durch die Tür.
Mein Bruder saß am Kamin und ignorierte die Tatsache, dass ich aus Revens Zimmer kam, denn er hatte es mit großer Wahrscheinlichkeit in meinen Gedanken schon gelesen.
>>Gute Nacht<< wünschte ich ihm, ehe ich in ein angrenzendes Zimmer verschwand, dessen Tür offen genug stand um zu erkennen, dass darin ein Bett war.
>>Gute Nacht<< rief mein Bruder mir zu, ehe ich die Tür hinter mir schloss und völlig am Ende auf das Bett fiel.
Jetzt, wo ich nun alleine war, prasselte das Ausmaß unserer Situation auf mich ein und der Schmerz über Darcens verrat.
Die meiste Zeit schien ich es verdrängen zu können, doch jetzt zog es an meinem Herzen und tat so unglaublich weh.
Ich weinte, still und darauf bedacht, dass es niemand mitbekam.
Bis meine Augen zu sehr brannten, als dass ich sie hätte aufbehalten können.
So blieb ich steif liegen, nicht einmal fähig die Decke über mich zu legen und fiel irgendwann in einen unruhigen Schlaf.

Tanz mit einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt