Teil 33

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Gedankenverloren saß ich an dem Kaminfeuer, umschlungen in eine dicke Wolldecke und das Glas mit Blut in meiner Hand, welches mir Reven vor zwei Stunden gab.
Ich bekam nichts runter, so sehr mein Körper es auch zu brauchen schien, mein Geist weigerte sich das Glas an meine Lippen zu setzen und meinen Körper endgültig von den Strapazen zu heilen.
Er hatte mir erzählt was passiert war und er hatte mir auch erzählt, was die letzten Worte an Darcen waren.
Dass ich sein Kind trug, war mir nicht bewusst gewesen und vielleicht war es aus diesem Grund nicht so schwer für mich die Wahrheit zu akzeptieren, dass ich es verloren habe.
Oder aber es war ein tief verwurzelter Teil in mir, der sich freute nicht auf diese Weise an ihn gebunden zu sein.
Oder aber die Leere und der Schmerz würden erst später kommen.
Ich wusste es nicht und noch schlimmer war, dass ich das Gefühl hatte eine leere Hülle von außen zu betrachten.
Reven hatte versucht mit mir zu reden.
Versucht mehr als einsilbige Antworten aus mir heraus zu bekommen, doch ich konnte mich nicht durchringen.
Ich wünschte ich wäre gestorben.

>>Lia<< flüsterte Reven, woraufhin ich meine Augen aufschlug und wieder in das Feuer sah, welches schon langsam verglühte.
>>Wir müssen Enzo begraben<< hörte ich mich schließlich stumpf sagen, woraufhin sich Reven neben mich setzte.
>>Das werden wir. Aber zuerst trink das Blut Lia. Du brauchst es.<<
>>Bitte<< setzte er an.
Ich hob das Glas nach einigen Augenblicken an meine Lippen und spürte bei jedem Schluck, wie mein Herz sich weiter zusammenzog.
Warum durfte ich weiter leben, während der Körper meines Bruders schon verweste.
Warum durfte ich weiter leben, obwohl er es genauso verdient hätte?
Tränen rannen meine Wangen hinunter, als ich den letzten Schluck austrank und das Glas schließlich in den Kamin feuerte.

>>Warum bist du gegangen? Warum verdammt hast du es nicht kommen sehen Reven?<<
Er schwieg, was mich nur noch rasender machte.
Schließlich ließ ich meiner Wut freien lauf und griff nach seinem Kragen. Krallte mich an ihm fest und sah ihm aus Tränenverschleierten Augen und wutverzerrtem Gesicht an.
>>Du hättest bleiben müssen. Du hättest ihn retten können Reven. Warum bist du gegangen? Warum?<< flüsterte ich schließlich und begann zu schluchzen, als er mich abrupt an seine Brust zog und trotz meiner Versuche mich aus seinen Armen zu winden, dennoch festhielt.
>>Es tut mir Leid Lia. Ich hätte bleiben sollen. Glaub mir, ich frage mich selbst schon die ganze Zeit, warum ich nicht länger geblieben bin. Warum ich das alles nicht rechtzeitig gesehen habe.
Lia. Enzo war mein Freund geworden und hätte ich das geahnt...ich verachte mich jeden Augenblick dafür.<<
>>Bitte Hass mich so viel du willst. Aber lass mich dich halten und realisieren, dass du bei mir bist. Ich dachte ich hätte dich auch verloren Lia.<<
Ihm die Schuld zu geben war falsch, denn er hatte nichts böswillig getan. Vermutlich hatte Liam nur darauf gewartet, dass wir schutzlos und blind hier waren.
Mit diesem Gedanken lenkte sich die Wut langsam weg von Reven und statt dieser Wut entstand eine kleine Wärme, nach der ich verzweifelt griff.
Ich schwieg und entspannte mich irgendwann schließlich in seinen Armen.
Versuchte zu vergessen und mich von dem tauben Gefühl einlullen zu lassen, welches begleitet wurde von seiner Fürsorge.

>>Er denkt ich wäre tot<< flüsterte ich und vernahm ein leichtes Nicken von Reven, der ebenfalls schläfrig wurde.
Ich wollte nicht wissen, wie lange er schon nicht geschlafen hatte.
>>Es ist deine Entscheidung, ob er erst einmal in dem Glauben bleibt, oder nicht. Ich folge dir, egal wie diese Entscheidung auch ausfallen mag.<<
Er sollte in dem Glauben bleiben.
Zumindest so lange, bis ich einen Weg gefunden hatte ihn zu töten, das alles zu verstehen und herauszufinden, was es mit den Menschen auf sich hatte.
Ich würde alles zerstören, was ihm lieb war und ich würde nicht aufhören, bis ich diese tief verwurzelte Wut auf ihn herabregnen lassen hab.
>>Dann soll es so sein<< hauchte Reven an meinen Haarschopf.
Neugierde flammte in mir auf bezüglich seiner Vision, die aufgrund meiner Entscheidung entstanden war.
Doch ich fragte nicht nach, bohrte nicht nach und schwieg einfach.
Ich schwieg, bis sein gleichmäßiger Atem mich in den Schlaf sang.

~~~

Wir beerdigten Enzo unter dem Schnee, tief in der Erde auf einer kleinen Lichtung die hell erleuchtet wurde durch das schwache Sonnenlicht.
Reven hielt meine Hand und so standen wir fast eine Stunde an Enzos Grab.
Schwiegen und trauerten gemeinsam um einen Bruder und einen Freund, bis ich mich irgendwann an ihn anlehnte und dankbar über den kleinen Trost war, nicht vollkommen alleine zu sein.
Reven schien nun mein Anker zu sein, welcher mich an Ort und Stelle hielt.
Und ich war dankbar um diesen Anker, denn wäre er an diesem Tag nicht da gewesen, dann hätte ich niemals diese Monate danach Tag für Tag durchgestanden, bis mein Schicksal mich endgültig einholen sollte.

Tanz mit einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt