Eine Woche verbrachten wir schon hier in dieser Hütte und seit einer Woche trainierte Reven schon mit mir.
Mein Geduldsfaden neigte sich dem Ende zu und ihm schien es nicht anders zu gehen, denn er stieß hörbar die Luft aus und massierte genervt sein Nasenhügel.
>>Du bist nicht bei der Sache. Mal wieder. Wie oft habe ich dir gesagt du sollst auf deine Atmung achten und wie oft willst du diesen Rat noch gegen die Wand schmettern.<< knurrte er und erhob sich in einer fließenden Bewegung.
>>Als Außenstehender ist es leichter gesagt.<< versuchte ich mich zu verteidigen, doch er schüttelte bloß mit dem Kopf.
>>Enzo, wie wäre es mal, wenn du deine Sicht schilderst und deiner kleinen Schwester mal die Augen öffnest.<<
Erwartungsvoll sah ich zu meinem Bruder, der seine Tasse Tee vor seinen Lippen hielt und diese geschlagen auf den Terrassentisch ablegte.
>>Lia. Dein Kopf ist wo anders. Schon seit Tagen. Reven hat leider recht.<<
Reven hat recht. Schön, er scheint alles zu wissen, aber wozu war seine Gabe denn eigentlich gut, wenn er niemandem helfen konnte.
>>Das hier steht nicht in unserer Macht. Das was du denkst und fühlst. Deine Dämonen kann niemand für dich bekämpfen.<<
>>Ich brauche eine Pause.<< kommentierte ich das ganze nur und mir war es egal, ob es in diesem Moment wie eine Flucht aussah.
Ich wollte einfach weg, denn die Frustration in mir stieg ins Unermessliche und war kurz davor auszubrechen.
Zielstrebig umrundete ich Reven und lief Richtung Wald, fort von der Hütte, fort von ihnen.
Ich lief, ohne zu wissen wohin und blieb schließlich vor einem Baum stehen, der mir den letzten Rest gab.
Er sah dem auf Darcens Grundstück so ähnlich, weshalb ich unweigerlich an den Moment zurückdenken musste, an diesen einen Tag.
Darcen über mir und dann sein Körper an meinen gepresst und die Emotionen.
Wütend kletterte ich auf den Baum vor mir und lies immer wieder die Erinnerung in meinem Kopf abspielen, bis ich die Spitze erreicht hatte und über den endlosen Wald starrte.
Dort verharrte ich in völligem Selbstmitleid und fragte mich ein ums andere mal, wer der Mann war, in den ich mich verliebt hatte.
Und ob dieser Mann jemals existiert hat.>>Lia<< hörte ich Reven von unten rufe , doch ich blieb wo ich war.
Nichts und niemand hätte mich in diesem Moment von diesem Baum bekommen und genau das schien er zu wissen, denn er fing an den Baum hinaufzuklettern.
Als er oben ankam ignorierte ich die Tatsache und blickte einfach weiter auf den Wald, wobei es ihn nicht zu stören schien.
So saßen wir einige Momente stillschweigend, ehe er irgendwann die Stille brach.>>Vor einigen Jahrzehnten habe ich mich in eine Frau Verliebt. Sie war alles wonach ich mich gesehnt hatte und ich war jung und viel zu naiv. Meine Welt hat sich nur noch um sie gedreht und ich habe mich irgendwann selbst verloren.
Wir waren einige Jahre zusammen und in dieser Zeit hat sich meine Gabe entwickelt. Wo sie vorher nur ein Bruchteil war, war sie binnen einiger Jahre um das zehnfache gewachsen und ich.
Egal in welche Zukunft ich gesehen habe mit ihr...es kam immer auf das gleiche hinaus.
Ich sah sie dort stehen mit einem mir noch fremden Mann.
Ich sah sie sich Lieben, immer und immer wieder und dann stand sie hinter ihm, während er mir einen Dolch in mein Herz stach.
Sie lachte und schmiegte sich von hinten an ihn, während mein letzter Atemzug meine Lunge verließ.<<
Er stockte kurz, während ich schwer schluckte.
>>Ich habe sie umgebracht.<<
Reven sah mich nicht an, doch nicht weil er sich unbehaglich fühlte. Ganz im Gegenteil, er wirkte sogar gefasst und ruhig.
Nein, er sah weiterhin zu dem endlosen Wald, während ich nicht wusste, was ich erwidern sollte.
>>Das klingt schrecklich<< erwiderte ich bloß und sah ebenfalls weg.
>>So hat es sich auch angefühlt, aber mittlerweile ist es mir egal. Und dir wird es auch egal sein. Aber erst, wenn du dich deinen Gefühlen stellst.<<
>>Das tue ich<< widersprach ich, doch er schüttelte nur den Kopf.
>>Das was du durch lässt, ist nur ein Bruchteil. In dir brodelt es Lia. Schrei es einmal hinaus. Nutz deine Gabe und lass es raus.<<
Dieses mal blickte er zu mir und wartete auf eine Reaktion meinerseits.
Vielleicht hatte er recht. Vielleicht hielt ich zu viel zurück.
Seinen Rat annehmend griff ich in mich hinein, horchte auf meine Seele und stockte. Ich spürte die Mauer und die Angst danach zu greifen.
>>Versuch es<< hörte ich Reven sagen, ehe es in mir explodierte und ich den ganzen Schmerz hinausschrie.
Ich schrie, ohne dass es ein Ende zu haben schien und erst als ich das Gefühl hatte völlige Leere zu spüren, öffnete ich meine Augen.
>>Ich hasse ihn und Liebe gleichzeitig diesen Mann, den er mir geschaffen hatte. Aber er existiert nicht, oder? Ich halte an etwas fest, dass nie existiert hat, stimmt es?<<
Vorsichtig kletterte Reven zu mir rüber und blieb an einen Ast klammernd, vor mir zum Stillstand.
>>So weh es auch tut, es war nur eine Illusion. Eine so gute Illusion, dass ich mich tatsächlich fragte, ob du so jemanden lieben könntest. Ich habe dich gehasst, weil dein Bruder so viel von dir gehalten hat. Auch ich habe den Verrat nicht gesehen, sonst hätte ich deinem Bruder viel früher geholfen, statt ihn hinzuhalten.<<
Ich nickte nur und verlor mich einige Momente in seinen Augen. Alles was ich wollte war vergessen.
Alles was ich wollte war etwas anderes zu spüren, als das was Darcen mir mitgegeben hatte.
Verwirrung spiegelte sich in Revens Blick, ehe sein Ast brach und ich versuchte nach ihm zu greifen. Dabei rutschte ich ebenfalls ab und schloss instinktiv meine Augen, weil ich einen harten Aufprall erwartete, doch stattdessen umschlang mich Reven und presste mich in die Äste hinein.
Als ich meine Augen aufschlug, war sein Gesicht nur wenige Millimeter von meinem entfernt, sodass seine Lippen schließlich meine Wange streiften.
Mein Atem ging stoßweise, während ich mich fest an ihn krallte.
>>Wir sollten runter<< hörte ich ihn schwer atmend sagen.
>>Ja<< antwortete ich, doch es dauerte dennoch noch geschlagene Augenblicke, bis er aufstöhnte und mich über seine Schulter warf.
Mein Spitzer Schrei und die Tatsache, dass wir nun festen Boden unter uns hatten, geschahen gleichzeitig.>>Da seid ihr ja.<< durchbrach die Stimme meines Bruders den Wald und ich weiß nicht warum, aber sowohl Reven, als auch ich standen weit auseinander, als hätten wir etwas verbotenes getan.
Dabei hatten wir nur geredet.
Aber ein Blick in seine Augen hatte bewiesen, dass irgendetwas nun anders war. Ich bin mir sogar fast schon sicher, dass er dort oben etwas gesehen hatte, denn andernfalls wäre es niemals zu dem Beinahesturz gekommen.
Irgendetwas musste ihn soweit aus der Fassung gebracht haben, dass er nun krampfhaft versuchte eine gleichgültige Miene aufrechtzuerhalten.
Obwohl sie ihm sonst geling, wirkte es dieses mal aufgesetzt und das entging auch meinem Bruder nicht.
Vor allem nicht, weil ich ihn durch meine Gedanken die perfekte Analyse lieferte.
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Tanz mit einem Vampir
Vampire>>Brich mir niemals das Herz>Niemals<< Man möchte meinen, dass die Unsterblichkeit als Vampir seine Vorzüge hat. Man möchte meinen, dass dir mächtige Gaben und eine herzzerreißende Liebe alle Türen öffnet. Doch wer flüstert dir die Wahrheit zu? Wer...