Gedanken

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Es ist Sonntagmittag und ich bereite einen Erdbeerkuchen zu. Lilly kommt nachher vorbei und wir haben beschlossen, dass wir in Zwischenzeit im richtigen Alter für ein Kaffeekränzchen sind.

Während ich die Erdbeeren wasche und schneide, schweifen meine Gedanken ab. Ich denke an die letzte Nacht mit Ben zurück und merke, wie mich der Gedanke daran, wie er meine Hände ans Bett gefesselt hat, erregt. Ich hatte bisher wenige Erfahrungen mit dominanten Männern, aber, wenn ich so darüber nachdenke, hat mir der Sex mit ihnen immer gefallen. Jedoch bin ich im Alltag schnell genervt davon, wenn ein Mann einen auf Platzhirsch macht. Macht das Sinn, beim Sex auf etwas zu stehen, was man im Alltag ablehnt? Aber andererseits hört man ja oft, dass man im Bett das Gegenteil von dem will, was man im Alltag mag.

Ob mir wohl auch mehr Dominanz gefallen würde, als ein bisschen gefesselte Arme? Aber der Gedanke an Lack und Leder erregt mich so wenig wie der an Shades of Grey. Außerdem bin ich auch selbst hin und wieder gerne die Dominante beim Sex. Ich schüttele den Kopf. Unglaublich, dass ich mir selbst mit über 30 und einigen Erfahrungen zum Thema Sex noch nicht sicher bin, auf was ich eigentlich stehe.

Ich platziere vorsichtig die Erdbeeren auf der Creme des Kuchens.

Normalerweise spreche ich gerne mit Lilly über Sex, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass meine beste Freundin, die seit Jahren in einer schon fast kitschig harmonischen Bilderbuch-Beziehung mit routiniertem Durchschnitts-Sex lebt, mir bei genau diesem Thema weiterhelfen kann. Andererseits hört sie sich gerne Geschichten aus meinem Sex-Leben an. "Um nicht ganz in der Monogamie zu versinken", wie sie sagt. Mal sehen, was der Nachmittag bringt.

Ich stelle den Kuchen auf den Tisch und mahle ein paar Kaffeebohnen.

Als Lilly da ist, setzen wir uns mit dem Kaffee und dem Kuchen auf den Balkon und sprechen über den möglicherweise bald bevorstehenden Heiratsantrag von Sven. In letzter Zeit scheint Sven ein Geheimnis zu haben. Er lässt sein Handy nicht aus den Augen, trifft sich öfter als gewöhnlich mit Freunden und versucht trotzdem gegenüber Lilly so zu tun, als wäre nichts. Noch vier Wochen bis zu ihrem sechsten Jahrestag. Sven hat ihr zugesichert, sich um einen schönen Abend zu kümmern - inklusive Essen in ihrem Lieblingsrestaurant und einer Überraschung. Ihre blauen Augen strahlen hinter ihrer filigranen Brille. Das wäre laut Lilly der perfekte Rahmen für einen Heiratsantrag, also plant sie jetzt akribisch, wie sie den Abend so schön wie möglich machen kann. Der Friseurtermin, um ihre langen, blonden Haare perfekt in Szene zu setzen und die Maniküre sind schon gebucht und ich schlage ihr vor, shoppen zu gehen. Ein Kleid für den Abend und Unterwäsche für den Teil des Abends nach dem Essen runden die Vorbereitungen ab.

Lilly senkt ihre Stimme: "Ich habe mir überlegt, ob ich zu dem Anlass so ein Sexspielzeug kaufen soll."

"Schöne Idee. Da wird sich Sven sicher freuen!"

"Hm, ich weiß nicht, bist du sicher? Er hat mal gemeint, wenn ich einen Dildo oder Vibrator will, muss er auf jeden Fall kleiner sein, als sein Penis" sie flüstert jetzt fast.

"Er hat Angst, dass er durch ein Plastik-Teil ersetzt wird? Und er denkt wirklich, dass es dabei auf die Größe ankommt?" ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. "Aber es gibt ja noch genug Optionen, bei denen er sich um die Größe keine Sorgen machen muss."

"Hast du denn Erfahrungen mit so was?"

"Lilly, ich bin seit Jahren Single, natürlich habe ich da Erfahrungen!"

Sie lacht nervös. "Kannst du mir vielleicht was empfehlen? "

Ich überlege kurz: "hm, wie wäre es mit einem kleinen Vibrator? Oder vielleicht eine Augenbinde? Oder gleich eine Peitsche?" Ich beobachte ihre Reaktion.

"Eine Peitsche? Du Spinnst ja! Aber die Augenbinde ist eine gute Idee. Und vielleicht überzeuge ich Sven ja davon, dass ein Vibrator keine Konkurrenz ist." Sie lacht. Nach einer kurzen Pause fragte sie nach: "ist so ein Vibrator eigentlich echt so gut?"

"Hattest du noch nie einen?"

"Nein. Sven wollte das nie. Und vor Sven habe ich an sowas noch nicht gedacht."

"Also ich würde nur sehr ungern auf meinen Vibrator verzichten. Das solltest du wirklich mal ausprobieren!"

"Klingt gut" sie grinst "ich glaube ich kaufe einfach einen. Sven wird schon damit klarkommen. Aber wie kommst du auf eine Peitsche? Zu viele schlechte Filme geschaut?"

"Nein, keine Filme." Ich erzähle Lilly von der letzten Nacht mit Ben und meinen Gedanken dazu, in der Richtung Erfahrungen sammeln zu wollen. Lilly hört interessiert zu. "Was sagt denn Ben dazu?"

"Keine Ahnung, ich habe mit ihm nicht darüber gesprochen."

"Aber du würdest das mit ihm ausprobieren wollen?"

"Ich denke eher nicht, soweit ich weiß, steht er da nicht drauf."

"Du willst das aber nicht mit einem Fremden ausprobieren?!"

"Nein," versichere ich ihr, "ich denke ja nur darüber nach."

"Dann bin ich ja beruhigt."

Lillys Handy klingelt. Es ist Sven, sie geht ran und ich bringe unsere leeren Teller in die Küche, um ihr ein bisschen Privatsphäre zu geben. Als ich wieder zurück zum Balkon gehe, verabschiedet sich gerade von Sven und legt auf.

Sie grinst über das ganze Gesicht: "Sven hat mich gefragt, ob ich nach Hause kommen kann, er hat eine Überraschung. Macht's dir was aus?"

"Nein, geh schon!" Ich bin zwar ein bisschen enttäuscht, nicht weiter mit Lilly diskutieren zu können, aber ihre mögliche Verlobung geht natürlich vor. Ich will ja am Ende nicht diejenige sein, die ihr den Abend versaut hat.

Wir verabschieden uns und ich frage mich, ob Lilly trotzdem Sexspielzeug für den Jahrestag kaufen wird.

Ich räume den Tisch auf dem Balkon ab und die Küche auf, dann setze ich mich wieder an meine Masterarbeit. Noch zwei kleine Kapitel brauchen den letzten Schliff, dann habe ich es geschafft.

MinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt