Mina

Traumpaar

Nach dem duschen werfe ich meine Kosmetiktasche in die Tasche für den Besuch bei Bens Eltern. Schminken werde ich mich während der Fahrt. Vielleicht kann ich unterwegs noch ein bisschen schlafen. Sonst wird der Tag echt hart.

Als ich mich anziehe, werfe ich einen Blick auf die Uhr. 6:50. Noch zehn Minuten. Ich nutze sie, mir einen Kaffee zu machen und meinen Handtaschen-Inhalt in eine passendere Tasche zu packen.

Um fünf nach sieben schließe ich die Wohnungstüre hinter mir, um draußen auf Ben zu warten. Kurz darauf ist er da und steigt aus, als ich meine Tasche in den Kofferraum stelle.

"Scheiße, du siehst ordentlich durchgefickt aus" begrüßt er mich mit einem schiefen Grinsen.

"Danke. Du siehst... fertig aus?" antworte ich. Er ist zwar, wie immer, gut angezogen - heute mal mit hellem T-Shirt und nicht wie gewohnt in schwarz - wirkt aber als hätte er die Nacht durchgefeiert.

Er grinst unschuldig.

"Was hast du gemacht? Hast du überhaupt geschlafen?"

Er hält mir den Autoschlüssel hin. Na toll, das war's mit dem Schlaf auf der Fahrt. Gut, dass ich noch einen Kaffee getrunken habe. Als ich mich auf den Fahrersitz fallen lasse, spüre ich die Spuren der letzten Nacht an meinem Arsch. Das wird eine lange Fahrt. Ich fahre los in Richtung Autobahn. "Also? Was hast du letzte Nacht gemacht?" frage ich Ben, bevor er auf die Idee kommt, einzuschlafen.

"Ich wollte nur noch kurz bei 'nem Kumpel vorbeischauen." Schweigen.

"Und dann?" frage ich nach.

"Er hat einen neuen Dealer." Aha, deshalb fahre ich wohl. "Ich konnte einfach nicht 'nein' sagen. Und das Zeug war echt gut!"

Ich verdrehe die Augen. Interessante Prioritäten. Na danke. "Das bisschen Gras hat dich so lange wachgehalten?" wundere ich mich.

"Naja, eigentlich war es kein Gras, sondern Speed. Aber es war nur ein ganz kleines bisschen. Nur zum Testen. Und als ich dann daheim war und gemerkt habe, dass ich nicht schlafen kann, habe ich noch ein bisschen Gras geraucht. Und dann war es sechs Uhr. Und dann dachte ich mir, dass ich ja beim Autofahren nicht zu müde sein sollte und habe nochmal ein kleines bisschen Speed gezogen"

Ich kann es nicht fassen, wie wenig Selbstbeherrschung dieser Mensch hat und schüttle den Kopf. Wie viele Gehirnzellen er an seinen Wochenenden wohl immer so vernichtet? Aber auf jeden Fall habe ich während der Fahrt jemanden, der mich wachhält. Er wird wohl auf keinen Fall müde.

"Danke fürs Fahren. Und sorry. War irgendwie dumm." schiebt er etwas kleinlaut nach.

"Irgendwie dumm. Ja. Du bist wirklich ein toller Sohn." kommentiere ich seine Aktion sarkastisch. "Denkst du nicht, dass deine Eltern das bemerken?!"

"Nein, meine Eltern checken das nicht. Und du bist übrigens eine tolle Schwiegertochter. Lässt dich vor dem Wochenende mit meinen Eltern von einem anderen ficken." Ich sehe sein Grinsen im Augenwinkel. Er greift auf den Rücksitz und holt eine Zeitschrift.

"Pass bloß auf, was du sagst, ich kann dich auch hier aussetzen!" drohe ich ihm, halb im Spaß. Er blättert hastig durch die Zeitschrift. Nur ein 'kleines bisschen' Speed. Wer's glaubt.

"Das sollte doch nur eine nette Überleitung dazu sein, damit du mir von deinem Abend erzählst!" protestiert er. "Du siehst auf jeden Fall aus, als ob dein Abend besser war, als meiner."

Ich muss unwillkürlich lächeln und entspanne mich etwas. "Ja, ich denke, er war bei weitem besser."

Beim Erzählen, als ich das Geschehene ausspreche, beschleicht mich wieder das Gefühl, dass es nicht richtig ist, es so gut zu finden, was in der letzten Nacht passiert ist. So viel Spaß daran zu haben, obwohl das doch eigentlich all meinen Prinzipien widerspricht! Aber ich weiß, dass Ben beim Thema Sex offen ist und mich nie für irgendetwas verurteilen würde. Und außerdem hält mich das Erzählen wach. Trotzdem erzähle ich nichts von meinem Zusammenbruch. Obwohl Ben kontinuierlich weiter hektisch in seiner Zeitschrift blättert, hakt immer wieder nach und als ich fertig bin, zu erzählen, sind wir schon eine Stunde unterwegs. Er legt seine Zeitschrift endlich weg und nimmt stattdessen sein Handy in die Hand.