Prinzipien

86 2 0
                                    

Ich wache von einem lauten Donner auf. Es ist nicht mehr Nacht aber wirklich hell ist es auch nicht. Draußen regnet es in Strömen und alle paar Sekunden durchzuckt ein Blitz den Himmel. Windböen treiben den Regen gegen das Fenster neben mir. Mist. Es ist nicht mein Schlafzimmerfenster, sondern Marcos. Mist. Und ich habe weder einen Schirm noch lange Klamotten dabei. Gestern war es so warm, dass ich lediglich ein dünnes, kurzes Sommerkleid anhatte. Und selbst wenn ich einen Schirm dabei hätte, wäre er bei diesem Wind nutzlos. Mist.

Ich drehe mich zu Marco um, der weiterhin zu schlafen scheint. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber es fühlt sich früh an. Und obwohl ich wirklich noch müde bin, weiß ich, dass ich gehen sollte. Das hätte ich schon vor Stunden tun sollen aber offenbar bin ich eingeschlafen.

Ich will leise aufstehen, doch Marco schläft wohl doch noch nicht und hält meinen Arm fest und zieht mich zurück zu sich. Ich zucke kurz zusammen, teils aus Überraschung, teils, weil ich die Nachwirkungen der Fesselung gestern an meinem Handgelenk spüre. Marco wirkt verschlafen. "Ach Mina, bleib doch einfach hier. Ich erzähle es auch niemandem, dass du deine Regel brichst und ich verspreche, dass du damit zu keinerlei Verbindlichkeiten verpflichtet bist. Außerdem ist es ja nicht das erste Mal." er zieht mich in seine Arme und umarmt mich von hinten. Ich habe wirklich keine Lust, raus in den Regen zu gehen aber ich habe dieses Prinzip ja nicht ohne Grund. Ich schüttle den Kopf.

"Komm schon, so schlimm ist das nicht." ergänzt Marco und hält mich weiter fest. "Oder erträgst du mich bei Tageslicht nicht?"

"Aber... " Mein Widerstand schwindet und ich versuche nur noch halbherzig, seiner Umarmung zu entkommen.

"Ich fahr dich nachher heim, wenn du willst." versucht er mich zu überzeugen. Das klingt in der Tat gut. Vielleicht hat der Regen bis dahin ja auch aufgehört.

Ich gebe auf und Marco zieht seine Decke über uns beide. Ich schließe die Augen und als ich sie wieder öffne, ist das Gewitter vorbei, der Himmel zwar noch bewölkt aber wesentlich heller und das Bett neben mir leer.

Ich stehe auf, ziehe mich an und gehe ins Bad. Neben dem Waschbecken liegt eine Zahnbürste mit einer Notiz:

Kein Grund zur Flucht! Es ist nur eine Zahnbürste.

Ich muss grinsen. Mein Fluchtreflex scheine ich weniger gut verbergen zu können, als ich dachte. Nachdem ich Zähne geputzt habe, gehe ich nach unten. Der Geruch von Kaffee steigt mir in die Nase. Ich gehe in die Küche und finde einen weiteren Zettel auf dem schon für ein Frühstück gedeckten Tisch.

Nicht weglaufen!

Oh nein, genau deshalb bleibe ich nicht zum Frühstück!

Auch im Wohnzimmer ist Marco nicht. Jedoch hängt über einem Stuhl ein Pullover von ihm, den ich mir ohne groß nachzudenken nehme und anziehe. Es ist wirklich kalt heute. Gerade, als ich mich frage, wo Marco wohl ist und ob ich noch die Möglichkeit habe, mich aus dem Staub zu machen, höre ich einen Schlüssel in der Haustüre. Panisch überlege ich, was ich tue, wenn das Susi ist, doch gleich darauf sehe ich beruhigt, dass Marco in den Flur tritt. Das breite Grinsen in seinem Gesicht irritiert mich.

Er kommt zu mir, nimmt meinen Kopf zwischen seine Hände, gibt mir einen Kuss und wünscht mir mit viel zu guter Laune "einen wunderschönen guten Morgen."

Dann geht er, immer noch grinsend, in die Küche. Ich hätte vorhin standhaft bleiben müssen und nicht bleiben dürfen, denke ich mir genervt und folge ihm. Hoffentlich kann ich das hier schnell beenden.

Er packt gerade viel zu viele Brötchen aus einer Tüte in ein Körbchen. Er stellt sie auf den Tisch und holt dann von der Küchenzeile eine einzelne Rose in einer Vase und hält sie mir hin. Ich fasse es nicht. Das ist jetzt nicht sein Ernst, oder?

MinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt