Eine Antwort auf meine Nachricht an Ben oder eine Reaktion auf das Geschenk bekommen ich weder an diesem Abend, noch am nächsten Tag. Und auch am Sonntag erhalte ich kein Lebenszeichen. Die Feier dürfte wahrscheinlich Drogen-bedingt etwas länger gegangen sein und außerdem war Ben wahrscheinlich mit Claire beschäftigt. Ich entscheide mich, den Sonntag alleine am See zu verbringen und Ben am Abend nochmal zu schreiben, ob alles in Ordnung ist.
Ich packe meine Tasche, dann ziehe ich mir einen Bikini in Blautönen an, der zwar nicht mehr der Neuste ist aber zum Schwimmen super. Darüber ein locker sitzendes, knielanges Sommerkleid. Bequeme Sandalen dazu und ich bin fertig. Ich schnappe meine Tasche, setze meine Sonnenbrille auf und mache mich mit dem Rad auf den Weg zum See.
Am See angekommen gehe ich vorbei an den Kiosken, den angelegten Liegeflächen, dem aufgeschütteten Sandstrand und den Menschenmassen, bis ich eine Stelle etwas geschützt zwischen großen Büschen erreiche, die an einem etwas steileren Uferstück liegt und komplett frei ist. Meine Lieblingsstelle.
Ich breite mein Strandtuch aus, ziehe meine Schuhe und mein Kleid aus, lege mich hin und genieße für eine Weile die Atmosphäre. Lärmende und lachende Kinder, gedämpft durch die Büsche und die Entfernung, seicht plätscherndes Wasser und das Quaken vereinzelter Enten. Dann nehme ich mein Buch aus der Tasche, vertiefe mich in den Roman und esse nebenher einige der mitgebrachten Trauben.
Irgendwann spüre ich die immer stärker werdende Hitze und lege das Buch weg. Die Sonne steht fast senkrecht am Himmel und spiegelt sich grell in den Wellen des Sees. Eine Abkühlung ist jetzt genau das Richtige. Bevor ich schwimmen gehe, trinke ich noch einen Schluck Wasser und schaue ich auf mein Handy. Eine Nachricht von Ben.
Hey, was machst du? Hast du Lust, mit Claire und mir essen zu gehen?
Wie schön, dass ich mir nicht mal eine Ausrede einfallen lassen muss. Claire brauche ich an einem so schönen Tag ganz sicher nicht.
Sorry, ich bin am See, schwimmen, und will da auch noch eine Weile bleiben. Ich hoffe, ihr habt noch schön gefeiert?
Bevor ich noch mehr von Claire lesen muss, stecke ich das Handy weg, binde meine Haare zusammen und gehe zum Wasser. Ich brauche ein bisschen, um mich zu überwinden, in das kalte Wasser einzutauchen, doch als ich erst mal drin bin, fühlt es sich angenehm erfrischend an. Ich schwimme zur anderen Seite des Sees. Hier ist das Ufer gespickt von großen, bunten Decken, die bis zum aufgeschütteten Sandstrand reichen. Kinder rennen zwischen den Decken umher und der Geräuschpegel nimmt mit jedem meiner Schwimmzüge zu. Als ich auf Höhe der ersten schwimmenden Kinder bin, drehe ich mich um und schwimme zurück zur Schwimminsel in der Mitte des Sees. Hier haben sich in Zwischenzeit einige Jugendliche breitgemacht und so ändere ich den Kurs, direkt in Richtung meines Strandtuches. Je näher ich komme, desto mehr Details kann ich ausmachen und als ich schon anfange, das Muster auf dem Strandtuch zu erkennen, sehe ich ein Pärchen, welches sich meinem Platz nähert. Er ist komplett in schwarz gekleidet und sie in einem bunten, kurzen Sommerkleid, welches sie mit einer großen Sonnenbrille, einem überdimensionalen weißen Hut und einer riesigen Strandtasche kombiniert. Die beiden passen absolut nicht hierher. Ich hoffe, dass sie vorbeigehen und ich weiterhin meine Ruhe habe, doch sie bleiben exakt neben meinen Sachen stehen. Na toll, das war's wohl mit der Ruhe.
Ich bin schon fast am Ufer, als mir klar wird, dass ich das Pärchen kenne. Es sind Ben und Claire. Aber kann das wirklich sein? Ben würde nie freiwillig an den See gehen. Ich stoppe meine Schwimmbewegungen und überlege ernsthaft, nochmal zurück zur Insel zu schwimmen, nur um die Begegnung hinauszuzögern. Doch ich habe mich auf dem Rückweg ausgepowert und spüre schon deutlich die Anstrengung in meinen Muskeln. Außerdem bestätigt mir das Winken von Claire erstens, dass sie es wirklich ist und zweitens, dass ich gesehen wurde. Ich schwimme langsam weiter und füge mich meinem Schicksal.
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Mina
General Fiction[E] markiert Kapitel mit sexuellem Inhalt. Was macht man eigentlich, wenn man Anfang Dreißig ist, keinen Partner, keine Kinder, keinen Hund und keinen Garten hat, aber auch keinerlei Bedürfnis, das zu ändern? Was tut man, wenn Gleichaltrige von Fami...