Als ich am nächsten Freitag in die Arbeit komme, fühlt es sich seltsam an. Es ist das letzte Mal, dass ich hier arbeite. Ich nehme die Checkliste, die ich von Judith bekommen habe, in die Hand und überprüfe, was ich heute noch machen muss. Es ist nicht viel, ich habe mich aber auch darauf eingestellt, den Vormittag heute eher mit Gesprächen mit den Kollegen und der Verabschiedung verbringe und nicht mehr dazu komme, viel anderes zu erledigen und so kommt es dann auch. Um 11 Uhr soll es einen kleinen Umtrunk geben und ein paar Kollegen haben Häppchen vorbereitet und so fahre ich um 10:30 Uhr ein letztes Mal meinen Laptop runter und gehe damit zu unserem IT-Beauftragten, um ihn abzugeben. Als letzte Punkte auf meiner Checkliste stehen noch die Abgabe des Schlüssels und der Stempelkarte. Beides lasse ich offen bis nach der Verabschiedung.
Um 11 Uhr versammeln sich alle Kollegen in der Küche, Torsten hält eine Abschiedsrede, die eine Wertschätzung heuchelt, die ich so von ihm nie erfahren habe und übergibt mir eine von alle unterschriebene Karte und eine Wertkarte für das Schwimmbad, für welche die Kollegen Geld gesammelt haben. Ich habe Sinnloseres befürchtet.
Auch Marco richtet einige Abschiedsworte an mich, die wesentlich persönlicher sind und zumindest bei Christina zu feuchten Augen führen. Wir stoßen auf mich an, dann fallen die Kollegen über die Häppchen her. Nach und nach verschwinden die Häppchen in den Kollegen und die Kollegen wieder hinter ihren Schreibtischen, bis am Ende Torsten, Judith, Marco und Christina übrig sind. Ich bedanke mich nochmal für die schöne Zeit und die Erfahrungen, umarme Judith, verspreche, mich hin und wieder blicken zu lassen und gehe mit Christina ein letztes Mal zurück ins Büro.
Dann händige ich Christina die Schlüssel aus, verabschiede mich mit einer Umarmung von ihr, packe die letzten Dinge von meinem Schreibtisch in meine Tasche, ziehe meine Jacke an und verlasse dann das Büro. Als ich das Gebäude verlasse, stelle ich fest, dass es regnet. An der Pforte stemple ich ein letztes Mal aus und gebe meine Karte ab. Der Portier quittiert mir die Rückgabe und ich verabschiede mich das letzte Mal für heute. Als ich das Gelände verlasse, fühle ich mich gleichzeitig bedrückt und erleichtert.
Ich spanne meinen Regenschirm auf und mache mich, ohne mich nochmal umzudrehen, auf den Heimweg.
Zur Feier des heutigen Abends - dem ersten Treffen mit Marco, bei dem wir keine Kollegen mehr sind - habe ich mir ein besonderes Outfit überlegt.
Ich packe einen kompletten Satz bequeme Kleidung in eine Umhängetasche. Die werde ich heute brauchen.
Ich lege etwas Make Up inklusive rotem Lippenstift auf, glätte meine Haare, trage Parfum auf und rufe mir ein Uber, das mich in 10 Minuten abholt. Dann ziehe ich mein Outfit an. Oder eher aus. Unter meinem schwarzen, wadenlangen Mantel und meinem Schal trage ich außer dem Halsband und schwarzen, hohen Stiefeln nichts.
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Mina
General Fiction[E] markiert Kapitel mit sexuellem Inhalt. Was macht man eigentlich, wenn man Anfang Dreißig ist, keinen Partner, keine Kinder, keinen Hund und keinen Garten hat, aber auch keinerlei Bedürfnis, das zu ändern? Was tut man, wenn Gleichaltrige von Fami...