Abschied

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Am Freitag bin ich nervös. Weder gestern noch vorgestern habe ich die richtige Gelegenheit gefunden, die Kündigung zu überreichen. Als Christina vorhin gegangen ist, hat sie mich nochmal ermutigt, beziehungsweise gedrängt, es jetzt endlich durchzuziehen.

Kurz vor drei Uhr sehe ich Marco in das Büro des Chefs gehen. Die Türe bleibt offen, also ergreife ich meine Chance. Ich nehme den Briefumschlag aus der Tasche. Auf den wenigen Schritten zwischen den Büros fühlt er sich schwer wie Blei an.

Ich klopfe an den Türrahmen. "Darf ich kurz stören?"

"Frau Lehmann, natürlich, kommen Sie rein." der Chef will gerade Torsten und Marco rausschicken.

"Nein, bitte, es passt gut, dass Sie drei hier sind."

Ich atme kurz durch und schaue Herrn Wagner in die Augen.

"Es tut mir leid, aber ich möchte hiermit kündigen. Sie wissen ja, dass ich leider wenig Entwicklungspotential für mich hier sehe, daher muss ich mich schweren Herzens neu orientieren." ich strecke ihm den Brief entgegen. Ich wage es nicht, zu Marco zu sehen.

Herr Wagner nimmt den Brief. "Das ist wirklich bedauerlich, dass Sie uns verlassen, Frau Lehmann, aber ich kann natürlich verstehen, dass Sie sich an diesem Punkt in Ihrer Karriere entwickeln wollen. Sollten Sie meine Unterstützung bei der Suche nach einer neuen Stelle benötigen, lassen Sie es mich wissen. Und wer weiß, vielleicht führt Sie Ihr Weg irgendwann zu uns zurück." er gibt mir die Hand.

"Danke." ich drehe mich um und verlasse das Büro. Das war kurz und schmerzlos. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Marco mir hinterhergehen will, doch der Chef hält ihn zurück. "Herr Schuster, einen Moment noch. Und schließen Sie bitte die Tür."

Ich gehe schnell zu meinem Büro, schalte meinen Computer aus und nehme meine Tasche, in der Hoffnung, aus dem Büro zu kommen, bevor ich Marco nochmal begegne. Feige, ich weiß. Aber das Gespräch will ich nicht im Büro führen. Als ich an Herrn Wagners Büro vorbeihaste, ist die Türe immer noch geschlossen.

Auf dem Weg nach draußen schreibe ich Lilly eine Nachricht.

Ich hab's getan, ich habe gekündigt.

Schon als ich immer noch hektisch und halbwegs auf der Flucht vor Marco das Firmengelände verlasse, ruf sie mich an. "Und, wie war es?"

"Ich weiß nicht. Ich habe ja nicht erwartet, dass der Chef mich anfleht, zu bleiben, aber er hat einfach nur gesagt, dass es schade sei, dass ich gehe, er es aber versteht."

"Hm, ok. Und was hat Marco gesagt?"

"Nichts. Er stand daneben, aber ich habe mich nicht mal getraut, zu ihm zu schauen. Und jetzt bin ich gegangen, bevor ich ihm nochmal begegne. Feige, ich weiß. Ich werde ihn nachher fragen, ob er reden will. Das wollte ich nicht im Büro machen."

"Ach deshalb bist du so außer Atem. Verständlich. Und wie fühlst du dich jetzt?"

Ich muss lächeln und merke, wie viel besser es mir jetzt geht. Ich verlangsame meinen Schritt etwas "Total erleichtert und frei. Richtig gut."

"Oh, das freut mich total für dich! Dann genieße das Gefühl und wir sehen uns morgen, ja?"

"Genau, bis morgen. Mach's gut."

"Du auch."

Nachdem ich aufgelegt habe, schreibe ich Marco.

Gesprächsbedarf?

Seine Antwort kommt prompt:

Nach dem, was du getan hast? Dumme Frage, natürlich! Um 8 bei mir?

MinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt