"... happy birthday, liebe Mina, happy birthday to you!" ich lächle und bedanke mich bei den Kollegen. Wir stoßen mit Kaffee auf mich an und ich schneide den Kuchen, den ich zu diesem Anlass gebacken habe, an.
Ich komme mir etwas heuchlerisch vor, da ich weiß, dass ich nicht mehr lange hier arbeiten werde aber der richtige Zeitpunkt, das anzukündigen, ist das jetzt auch nicht. Also tue ich, als wäre nichts und lasse mich von den Kollegen beglückwünschen.
Nach der Kaffeepause finde ich eine Nachricht von Ben auf meinem Handy.
Hey Mina. Heute schon was vor?
Ich: Hi Ben. Nein, bisher nicht.
Ben: Kommst du heute Abend zu mir?
Ich bin beruhigt, dass er sich von sich aus meldet. Wahrscheinlich denkt er nicht mal daran, dass heute mein Geburtstag ist. Doch da mir der Tag selbst nicht so wichtig ist, ist das in Ordnung. Ich habe keine Lust, den Abend nicht alleine zu verbringen, auch wenn ich nicht überzeugt bin, dass Ben die richtige Gesellschaft ist. Aber ich will ja auch wissen, wie es ihm geht und was eigentlich mit ihm los ist und mit Lilly treffe ich mich sowieso erst am Samstag.
Ich: Kann ich machen. Wann?
Ben: Wann du willst. Ich bin ab 18 Uhr frei.
Ich: Dann komm ich gegen 19 Uhr. Bis dann.
Ich gönne mir einen frühen Feierabend und fahre heim. Dann setze ich meine Kündigung auf - ein Geburtstagsgeschenk an mich selbst.
Ich drucke sie aus, unterschreibe sie und packe sie in einen Briefumschlag. Diesen packe ich wiederum in meine Tasche für die Arbeit. Bis zum Wochenende will ich das hinter mich bringen.
Abends fahre ich zu Ben.
Als ich in sein Wohnzimmer komme, sehe ich als erstes einen Cupcake auf einem Teller auf der Küchentheke, in dem eine Kerze steckt, welche Ben gerade anzündet. Unerwartet, normalerweise hält Ben nichts davon, Geburtstage zu feiern. Er hält es für überflüssig und das höchste seiner Gefühle ist normalerweise ein knapper Glückwunsch.
Er lächelt, kommt zu mir und gibt mir einen Kuss auf die Wange. "Happy Birthday, Süße."
"Danke. Seit wann feierst du Geburtstage außer deinen eigenen?"
"Nicht 'Geburtstage', nur deinen!"
"Oha, womit habe ich das verdient?" frage ich, immer noch skeptisch.
"Du bist meine beste Freundin und ich weiß, dass du Kuchen magst", meint er, als ob er selbst nicht sicher ist, ob das der Grund ist, und hält mir den Cupcake hin. "Wünsch' dir was!"
Ich schließe die Augen und blase die Kerze aus. Ich wünsche mir, dass Ben mir nicht gleich wieder beichten wird, dass er wieder Scheiße gebaut hat. Für mich wünsche ich mir, dass der Jobwechsel die richtige Entscheidung ist.
Als ich die Kerze ausgeblasen habe, meint Ben: "Komm mit, ich habe ein Geschenk für dich." Er schiebt mich zum Sofa und ich sehe ein sorgfältig eingepacktes Geschenk auf dem Couchtisch stehen. Das passt so gar nicht zu Ben und ich befürchte langsam wirklich, dass er das aus schlechtem Gewissen tut.
"Ok, was ist hier los? Du schenkst mir nie etwas." Ich drehe mich zu Ben, um ihn anzusehen, doch er schaut zu Boden und schweigt. "Ben? Was ist los?"
Er senkt den Kopf. "Ach scheiße, ich wollte einfach gut machen, was ich dir an dem Wochenende bei meinen Eltern angetan habe! Ich weiß, dass ich da richtig Scheiße gebaut habe. Du bist mir einfach wichtig und ich wollte, dass du das weißt. Und ich weiß, dass du weißt, dass ich mich nicht an mein Versprechen gehalten habe, kein Speed mehr zu nehmen. Und deshalb will ich mich bei dir entschuldigen."
"Wow, eine ehrliche, reflektierte Entschuldigung, damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Ja, du hast Scheiße gebaut. Schön, dass das bei dir angekommen ist. Aber du musst mich nicht mit einem Geschenk besänftigen."
"So war das doch gar nicht gemeint. Du hast ein Geschenk verdient und ich will dir das Geschenk einfach geben, weil ich denke, dass du es haben solltest. Ich will mich damit nicht von meinem schlechten Gewissen freikaufen."
"Gut." Ich nehme ihn in den Arm. "Mach sowas einfach nicht nochmal."
"Ich lerne aus meinen Fehlern. Versprochen. Und das mit dem Speed war nur ein Mal am Wochenende. Unter der Woche bin ich wirklich nüchtern. Jetzt auch." Er drückt mich an sich und lässt mich dann los. "Da wartet noch ein Geschenk auf dich."
Ich setze mich aufs Sofa und nehme das Geschenk auf den Schoß. Es ist etwa so groß wie ein kleiner Koffer und viel leichter, als gedacht. Ich wickle das Papier ab und finde einen braunen Karton ohne Beschriftung. Ich öffne auch diesen und sehe Luftpolsterfolie. Als ich auch diese entferne und das Geschenk entdecke, bin ich ehrlich überrascht. Vor mir liegt eine Ukulele. Ich nehme sie aus dem Karton. Dann schaue ich Ben an, sprachlos von diesem wirklich schönen Geschenk. Er lächelt mich an. "Damit wir auch mal zusammen spielen können."
Normalerweise spielt er für mich Klavier, wenn ich bei ihm bin und ich für ihn Ukulele, wenn er bei mir ist. Er hat wirklich über dieses Geschenk nachgedacht.
"Danke. Die Idee ist toll." Ich streiche über die glatte Oberfläche der Ukulele. "Und die Ukulele auch." Das Instrument ist wirklich schön. Das Holz des Körpers ist dunkel und matt, während der Hals hell ist. Ich lasse meinen Daumen über die Saiten streichen. Sie ist verstimmt, aber der Ton klingt angenehm weich und voll. Ich gehe zum Klavier um mit dessen Hilfe die Ukulele zu stimmen. Als ich fertig bin, setze ich mich auf die Sofalehne neben dem Klavier und Ben setzt sich ans Klavier.
"Hast du einen Wunsch, was du als erstes spielen willst?"
Ich überlege kurz. Und fange an, zu spielen. Pure Vernunft darf niemals siegen von Tocotronic. Ben lächelt, als er das Lied erkennt und stimmt mit ein.
"Gute Einstellung" kommentiert er, als wir fertig sind und stimmt das nächste Lied an. Ich muss lachen, als ich Loser von Beck erkenne. Wir spielen und singen noch einige weitere Songs, bis Ben die Hände sinken lässt. Er lächelt mich an und zeigt dann auf eine Wandhalterung neben dem Klavier, die mir bisher noch nicht aufgefallen ist. "Ich habe schon einen Platz für die Ukulele geschaffen." Ich hänge die Ukulele in die Halterung, dann umarme ich Ben und bedanke mich nochmal für das Geschenk. Als ich die Umarmung lockere, um ihn anzuschauen, versucht Ben, mich zu küssen. Ich schüttle den Kopf.
"Hey, was ist los mit dir?" will er wissen. "Bist du noch sauer? Oder ist das mit deinem Arbeitskollegen doch was Ernstes?"
"Nein, aber das mit dir und Claire ist was Ernstes. Zumindest für sie."
"Sie merkt das doch nicht mal." versucht Ben mich zu überreden.
"Sorry, so wenig ich Claire auch mag, aber bei so was mache ich nicht mit. Und du solltest so kurz nach deiner Entschuldigung nicht schon wieder versuchen, die nächste Scheiße zu bauen." Ich löse mich aus der Umarmung.
"Hm, du hast natürlich mal wieder recht." Er verdreht die Augen. "Aber Sex mit dir ist immer so wunderbar geil und unkompliziert."
"Ja, ich mag den Sex mit dir auch. Aber man kann eben nicht alles haben." ich gebe ihm einen kurzen Kuss. "Ich glaube, ich geh jetzt besser. Aber ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder, ich glaube, wir hätten uns beide einiges zu erzählen."
Er nickt. "Auf jeden Fall. Und Mina, ich habe dich vermisst."
"Ich dich auch. Danke für den schönen Geburtstag."
DU LIEST GERADE
Mina
General Fiction[E] markiert Kapitel mit sexuellem Inhalt. Was macht man eigentlich, wenn man Anfang Dreißig ist, keinen Partner, keine Kinder, keinen Hund und keinen Garten hat, aber auch keinerlei Bedürfnis, das zu ändern? Was tut man, wenn Gleichaltrige von Fami...