Auf dem Heimweg frage ich mich, ob ich den Besuch bei Marco bereue. Das letzte private Treffen hat sich nicht auf die Arbeit ausgewirkt aber der Abend gestern war ein anderes Kaliber. Ich hoffe, dass das weiterhin funktioniert.
Aber jetzt ist es sowieso zu spät und den Abend zu bereuen, bringt mich auch nicht weiter. Außerdem war er dafür auch einfach zu gut. Nur den Wodka bereue ich, auch wenn er letztlich sicher geholfen hat, dass der Abend in dieser Form passieren konnte.
Daheim angekommen bemerke ich, wie müde ich noch bin. Ich mache Musik an und lege mich aufs Sofa, in der Hoffnung, noch eine oder zwei Stunden schlafen zu können. Doch trotz der Müdigkeit kreisen weiterhin Gedanken an den letzten Abend in meinem Kopf.
Gestern Abend hat sich alles so gut und richtig angefühlt. Jetzt zweifle ich daran, ob es das wirklich war. Das bin doch nicht ich. Ich kann mich doch nicht so von einem Mann behandeln lassen und das dann auch noch genießen. Feminismus, Emanzipation, Gleichberechtigung. Dafür engagiere ich mich, davon bin ich überzeugt! Das kann ich doch nicht so verraten!
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mieser fühle ich mich.
Ich stehe auf und hole mein Handy. Ich muss herausfinden, wie es anderen Frauen mit solchen Vorlieben geht. Ich kann doch nicht die erste sein, die so fühlt!
Ich finde ein Forum über BDSM und darin einige Themen mit hunderten Beiträgen, in denen es genau um diesen Konflikt geht. Ich lese mich durch die Kommentare und fange an, zu verstehen, dass ich erstens nicht alleine bin und zweitens dieser Konflikt nicht so groß ist, wie ich dachte. Man kann sehr wohl auf der einen Seite für Feminismus kämpfen und sich auf der anderen Seite einem Mann unterwerfen. Solange die Unterwerfung auf gegenseitigen Konsens beruht, ist das nichts anderes als ein Spiel und hat nichts damit zu tun, ob Frauen im Beruf die gleichen Chancen oder in anderen Ländern die gleichen Rechte wie Männer haben.
Als ich mich durch die Beiträge der vielen anderen Frauen besser fühle und merke, dass sich Feminismus und BDSM nicht widerspreche, fühle ich mich wesentlich fitter und stehe vom Sofa auf. Draußen ist es in Zwischenzeit heiß geworden und die Sonne blendet, als ich auf meinen Balkon schaue.
Bevor Lilly kommt, muss ich auf jeden Fall einkaufen gehen. Aber Kater und Sommerwetter vertragen sich nicht wirklich und so beschließe ich, das Verlassen der Wohnung noch etwas hinauszuzögern. Stattdessen ziehe ich die Vorhänge zu, um das Licht zu dämpfen und gehe in die Küche, um mir etwas zu Essen zu machen.
Ein Salat später liege ich wieder auf dem Sofa, jetzt mit meiner Ukulele in der Hand. Ich spiele ein bisschen vor mich hin, finde aber keine richtige Inspiration.
Ich mache mir trotz der Hitze einen Kaffee. Nachdem das Koffein mir neue Energie gegeben hat, mache ich mich auf den Weg zum Supermarkt. Die Sonne wirkt immer noch viel zu hell.
Als ich zurück bin und die Einkäufe verstaut habe, gönne ich mir eine erfrischende Dusche. Als ich mich danach gerade nochmal an der Ukulele versuchen will, höre ich lautes Gelächter durch die Balkontüre. Hoffentlich feiern meine Nachbarn heute keine Party. Das Pärchen, welches die Wohnung neben mir bewohnt, liebt es laut. Egal, ob beim Fernsehen, beim Sex oder mit Freunden, sie schaffen es grundsätzlich, laut genug, dass ich dank der dünnen Wände problemlos an ihrem Leben teilhaben kann. Egal, ob ich will oder nicht. Leider haben wir weder bei der Musik, noch beim Fernsehen den gleichen Geschmack, so dass ich meist lieber darauf verzichten würde.
Und wie befürchtet, wird die Musik aufgedreht. Die Mischung aus Partyhits und Schlager erinnert mich an Dorffeste. Und das nicht gerade im positiven Sinne.
Ich lege die Ukulele wieder weg und bin froh, als es klingelt. Ich öffne Lilly die Türe.
"Wie geht's dir?" frage ich sie.
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Mina
General Fiction[E] markiert Kapitel mit sexuellem Inhalt. Was macht man eigentlich, wenn man Anfang Dreißig ist, keinen Partner, keine Kinder, keinen Hund und keinen Garten hat, aber auch keinerlei Bedürfnis, das zu ändern? Was tut man, wenn Gleichaltrige von Fami...