Am Samstag beschließt Lilly, in ihre Wohnung zu gehen, um einige Dinge zu holen, aber auch, um zu sehen, was Sven tut, nachdem sich dieser sich, seit Lilly ihn mit der anderen Frau erwischt hat, nicht mehr bei ihr gemeldet hat. Ich begleite sie zur Unterstützung.
Als wir die Wohnung betreten, ist es still. Auf Lillys rufen nach Sven erhalten wir keine Antwort. Lilly geht vor und schaut in alle Zimmer, Sven ist nicht da. Sie wirkt erleichtert und geht ins Schlafzimmer, um Kleidung in ihre Tasche zu packen, ich gehe ins Wohnzimmer und sehe mich um. "Lilly, ist dir aufgefallen, dass hier Sachen fehlen?" Lilly kommt zu mir und mustert mit mir das halbleere Bücherregal. Auch der Platz, an dem Svens Spielekonsole stand, ist leer und der Couchtisch fehlt.
"Er hat seine Sachen mitgenommen.", stellt Lilly irritiert fest und fängt an, hastig durch die Wohnung zu laufen, in sämtliche Schränke zu schauen und zu überprüfen, was er noch mitgenommen hat.
Als ich ihr ins Schlafzimmer folge, wo sie vor seinem leeren Kleiderschrank steht, hat sie es realisiert. "Sven ist weg." Sie fängt an, zu weinen. "Er ist einfach so gegangen! Ohne ein Wort! Nach sechs Jahren!" Ich nehme sie in den Arm.
Als sie sich wieder etwas beruhigt hat, geht sie, immer noch weinend, nochmal systematisch durch die Wohnung und überprüft, was er mitgenommen hat. Da die meisten Möbel Lilly gehören, fehlen zum Glück nur der Couchtisch, Svens Schreibtisch, die Stühle in der Küche und eine Kommode. Allerdings hat er sowohl sämtliche Töpfe und Pfannen, als auch das Besteck und die Kaffeemaschine mitgenommen. Im Flur finden wir seinen Schlüssel auf der Kommode. Keine Entschuldigung, keine Erklärung, nicht mal eine Notiz.
Lilly wischt sich die letzten Tränen ab, atmet tief durch und fragt mich: "Lust auf einen Besuch im Möbelhaus?"
Der Besuch artet etwas aus, als Lilly beschließt, dass sie jetzt all die Dinge kaufen kann, die Sven nicht mochte und der Einkaufswagen füllt sich bald neben den essentiellen Dingen mit bunten Accessoires, Kerzen und einem weichen, großen Teppich.
Zurück in ihrer Wohnung verbringen wir den restlichen Tag damit, die Küchenschränke einzuräumen, Möbel umzustellen und die Wohnung so weit zu verändern, dass Lilly sich darin wieder wohl fühlt. Nebenbei füllt sich eine Kiste mit all den Kleinigkeiten, die wir noch von Sven finden. Neben zwei Tassen, einem Parfum das Lilly ihm geschenkt hat, Rasierschaum und einer Gesichtscreme landen dort auch einige Kleidungsstücke, die Lilly noch findet, sowie CDs. Als die Arbeit getan ist, bestellen wir Pizza, trinken dazu etwas Wein und überlegen, was wir mit Svens übrigen Sachen machen. Lilly beschließt, Sven eine Nachricht zu schreiben, dass er die Sachen innerhalb einer Woche abholen kann. Danach will sie sie feierlich verbrennen. Auch wenn ich wegen des Parfums und des Rasierschaumes Bedenken an dem Plan hege, lasse ich sie ihre Rachefantasien ausmalen. Bis zur Umsetzung ist ja noch etwas Zeit.
Als es später wird und wir gerade überlegen, eine zweite Flasche Wein zu öffnen und einen kitschigen Film zu schauen, fragt Lilly, ob sie noch eine Nacht bei mir schlafen kann, um nicht alleine zu sein. Also nehmen wir die Flasche Wein und den Film mit und gehen wieder zu mir, um den Abend auf meinem Sofa fortzusetzen.
Nach dem Film besteht Lilly auch noch auf einen zweiten "Mädchenfilm". Gerade als wir den Film gestartet haben, meldet sich Ben bei mir.
Hey Mina, Lust, da weiter zu machen, wo wir vor zwei Wochen aufgehört haben?
Ich: Heute nicht. Lilly ist bei mir. Sie hat mit Sven Schluss gemacht.
Außerdem, was ist mit Claire?Ben: Vergiss Claire. Lilly ist heiß, ein Dreier ist für mich auch in Ordnung.
Typisch Ben. Ich muss schmunzeln.
Ich: Keine Chance.
Ben: Man darf ja wohl noch träumen.
Ich lege das Handy weg und lasse mich von der übertriebenen Romantik des Films einwickeln.
Den Sonntag verbringen Lilly und ich bei schönstem Sommerwetter am See mit Baden, Sonnen, langen Gesprächen und der Erkenntnis, dass wir keine Männer brauchen, um uns gut zu fühlen. Als die Sonne langsam tiefer steht, beschließt Lilly, dass heute ein guter Tag ist, um in ihre Wohnung zurückzukehren. Auch wenn ich kein Problem damit gehabt hätte, wenn sie auch noch wochenlang bei mir geblieben wäre, bin ich froh, dass sie nach vorn blickt.
Als ich wieder daheim bin, finde ich - perfektes Timing - eine E-Mail meines Betreuers mit der korrigierten Version meiner Masterarbeit. So bleibt mit der Sonntag-Abend-Blues Großteiles erspart und ich konzentriere mich stattdessen darauf, die Arbeit möglichst bald fertig und damit endgültig los zu bekommen. Zum Glück ist mein Betreuer weitestgehend zufrieden und hat nur wenige Anmerkungen. Ich hoffe, innerhalb der nächsten Woche damit fertig zu werden.
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Mina
General Fiction[E] markiert Kapitel mit sexuellem Inhalt. Was macht man eigentlich, wenn man Anfang Dreißig ist, keinen Partner, keine Kinder, keinen Hund und keinen Garten hat, aber auch keinerlei Bedürfnis, das zu ändern? Was tut man, wenn Gleichaltrige von Fami...