021 || Unruhe

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Völlig fassungslos starrt Niall sein Gegenüber an. Er glaub sich gerade verhört zu haben.

Es herrscht eine erdrückende Stille zwischen ihnen. Keiner weiß so recht, was er sagen soll. Harry ist einerseits erleichtert, sich endlich jemanden anvertraut zu haben, aber andererseits kann er nicht einschätzen, wie Niall darüber denkt. Schließlich weiß er selbst nicht, was er denken oder fühlen soll. Er weiß nur, dass Louis ihm nicht egal ist, dass er den Kuss schon genossen hat, auch wenn er sich etwas überrumpelt vorkam. "Niall? Jetzt sag doch was!" fleht Harry seinen Freund an. "Ja nun ähm, hast du gerade IHN gesagt, oder habe ich mich da verhört?" fragt Niall vorsichtig nach. Harry antwortet nur mit einem leichten Nicken und wendet seinen Blick ab. "Oh, wow" ist alles was ihm in diesen Moment einfällt.

"Ich weiß doch auch nicht, wie es dazu gekommen ist." versucht Harry sich zu erklären. Nervös läuft er im Zimmer auf und ab. "Ich hab mich doch noch nie für Männer interessiert. Das geht doch nicht." Verzweifelt fährt er sich durch seine Locken. "Warum soll das denn nicht gehen?" will Niall nun wissen, nachdem er seine Gedanken etwas sortiert hat. "Ich meine, Liebe lässt sich nicht erklären und Gefühle kannst du nicht beeinflussen." Er geht auf ihn zu und fasst Harry beruhigend auf die Schulter. "Du bist doch kein anderer, nur weil du einen Mann geküsst hast. Ich verstehe sowieso nicht, was man sich deswegen überhaupt Gedanken machen muss. Das Herz entscheidet und nicht dein Kopf. Also Hör auf dein Herz!" - "Bei dir klingt das so einfach, dabei bin ich mir selbst nicht sicher, was mein Herz sagt." - "Du solltest mir ihm reden." rät Niall ihm und schließt ihn in eine freundschaftliche Umarmung. "Danke Niall, danke das du mir zugehört hast und immer für mich da bist." erleichtert erwidert Harry die Umarmung.

"Erzählst du mir wer der Unbekannte ist?" erkundigt sich Niall vorsichtig. "Damit würde ich gern noch warten, bis wir das alles geklärt haben und ich mir über meine Gefühle im Klaren bin." - "Okay, das versteh ich."

Beide versuchen sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren, nur scheint es bei Harry nicht so recht zu funktionieren. Ständig schweifen seine Gedanken wieder ab. "Harry? Willst du nicht lieber Feierabend für heute machen? Du hast so viele Überstunden, da kannst du auch einmal eher gehen." Harry schaut seinen Kollegen fragend an. "Ich pack das schon." - "Nein, du packst es eben nicht. Du bist absolut nicht bei der Sache. So kommen wir nicht weiter. Du gehst jetzt zu ihm und klärst das." Niall duldet keine Widerrede und die Schärfe in seiner Stimme macht es mehr als deutlich.

Harry betritt seine Wohnung und lässt die Tür sachte ins Schloss fallen. Noch im Fahrstuhl hat er sich überlegt, wie er das Gespräch mit Louis beginnen soll. Ein flaues Gefühl macht sich in der Magengegend breit, was er nicht recht deuten kann. "Louis, ich bin wieder da." ruft er durch die Wohnung, aber niemand antwortet ihm. Er geht nach oben, vielleicht hat sich Louis nochmal schlafen gelegt. Vorsichtig klopft er am Gästezimmer. Wieder keine Antwort. Harry wird immer nervöser. Wo steckt dieser Kerl bloß. Noch einmal ruft er dessen Namen, aber es bleibt still.

Harry hat inzwischen jeden Raum durchsucht. Nichts. Langsam überkommt ihn Panik. Ist ihm vielleicht etwas zugestoßen? Oder ist er mit der Situation genau so überfordert und hat deshalb die Wohnung verlassen? Harry hofft, dass er sich in beidem täuscht. Ohne weiter zu zögern, holt er sein Handy aus der Hosentasche und wählt Louis Nummer. Das Freizeichen ertönt einige Male, bis schließlich die Mailbox ran geht. Immer und immer wieder versucht es Harry, ohne Erfolg. Sein Herz beginnt ungesund schnell zu schlagen. Erneut wählt er Louis Nummer, irgendwann muss er doch mal abnehmen. Das Freizeichen ertönt zwei Mal, dann wird der Anruf weggedrückt. Das kann doch jetzt nicht sein Ernst sein. Harry dreht fast durch vor Sorgen und Louis drückt ihn einfach weg. Ein paar Minuten später bekommt Harry eine Nachricht.

Louis: Melde mich später, kann jetzt nicht

Das Ganze ergibt für Harry keinen Sinn. Louis ist noch immer verletzt und sollte sich ausruhen und nicht durch London geistern.

Harry: Bitte komm nach Hause. Wir müssen darüber reden. Ich drehe sonst durch.

Harry hält es nicht länger in der Wohnung aus. Er braucht frische Luft um den Kopf frei zubekommen. Ziellos läuft er durch die Straßen, bis er irgendwann an dem kleinen See ankommt, an dem er schon einmal mit Louis war. Er setzt sich auf eine der Parkbänke, die rund um den See aufgestellt sind, und hält sein Gesicht den warmen Sonnenstrahlen entgegen. Eigentlich ein schöner Platz in dem sonst so tristen London. Die ersten Vögel zwitschern von den noch kahlen Bäumen und stimmen auf den Frühling ein. Ganz in der Nähe füttern ein paar Kinder die Enten auf dem See und Harry sieht ihnen dabei zu. Was würde er dafür geben, noch einmal so unbeschwert zu sein. Frei von den Sorgen und Problemen, die das Erwachsen werden mit sich bringt. Als Kind brauchte er nureinen Ball, um glücklich zu sein. Heute reicht das nicht mehr aus.

Harry muss an die letzten Tage denken. Wie wohl er sich in Louis Gegenwart fühlt. Wie schön es ist, wenn man von der Arbeit nach Hause kommt und den Abend nicht allein verbringen muss. Die letzten Jahre hat es ihn nicht weiter gestört, doch auf einmal merkt er, was ihm eigentlich gefehlt hat. Ein Kribbeln durchzieht seinen Körper, wenn er nur an Louis denken muss und sein Herzschlag verschnellert sich. Das kann doch nicht wahr sein! Warum gehen ihm diese blauen leuchtenden Augen nicht mehr aus dem Kopf. Kaum das er seine Augen geschlossen hat, sieht er Louis Gesicht vor sich.

Harry zieht sein Handy aus der Hosentasche und versucht erneut Louis anzurufen. Wieder nimmt er nicht ab und Unruhe macht sich wieder in Harry breit. Langsam steht er von der Bank auf, um sich wieder auf den Heimweg zumachen. Anscheinend saß er doch länger als gedacht am See. Seine Gedanken haben ihn so beschäftigt, dass er darüber die Zeit völlig vergessen hat. Die Sonne ist bereits am Untergehen und ein kalter Wind weht ihm um die Nase. Seine Schritte verschnellern sich etwas, bis er endlich vor dem großen Mehrfamilienhaus steht. Ein Blick nach ober lässt vermuten, dass Louis nicht zu Hause ist. In den Fenstern ist alles dunkel.

forced crimes  ➵ larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt