034 || Schock

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„Kein Grund gleich das Telefon fallen zu lassen." scherzt Niall und bückt sich danach, doch auch sein Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig, als er einen Blick auf das Display wirft. „Nein!" entsetzt hält er sich eine Hand vor den Mund. „Nein! Harry! Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist." Doch Harry reagiert nicht. Wie in Trance sitzt er da und starrt in den Nachthimmel. Nicht fähig einen klaren Gedanken zu fassen. „Harry?" besorgt kniet sich Niall vor ihm nieder und zieht Harry einfach in seine Arme. Fest drückt er ihn an sich, gibt ihm zu verstehen, dass er für ihn da ist. „Niall," kommt es nur schluchzend „sag mir bitte, dass das auf dem Foto nicht Louis ist." - „Ich wünschte, ich könnte es dir sagen, aber da gibt es leider keinen Zweifel." Niall streichelt ihm liebevoll über den Rücken, versucht ihn etwas zu trösten, doch Harry schluchzt nur noch mehr. „Ich kann mich doch nicht so in ihm getäuscht haben. Ich meine, ich wusste, dass er mir etwas verheimlicht, aber so etwas... Nein, das glaube ich einfach nicht." - „Es tut mir so unendlich leid."

Harry löst sich schlagartig von Niall, springt auf und läuft Richtung Wohnungstür. „Ich muss zu ihm. Das kann nur ein Missverständnis sein." - „Harry, du bleibst jetzt hier. Du bist nicht in der Verfassung durch die Gegend zu fahren." Niall sprintet ihm sofort hinterher, erreicht ihn noch rechtzeitig und hält ihn am Handgelenk fest. „Lass mich, ich muss zu ihm." - „Jetzt sei doch bitte vernünftig." Immer wieder bittet und bettelt Niall, bis sich Harry doch endlich geschlagen gibt. „Zeig mir das Bild nochmal" bittet Niall und lässt sich Harrys Handy geben. Er macht eine nachdenkliche Miene, vergrößert mit den Fingern das Foto etwas und hält es schließlich Harry entgegen. „Sind das nicht die zwei Typen von neulich aus dem Pub?" Harry nimmt ihm das Telefon wieder ab und betrachtet es ebenfalls genauer. „Ja, du hast recht. Der eine ist dieser Zayn, der Louis so böse zugerichtet hat. Und ich schätze mal, das andere ist sein zweiter Mitbewohner." Harry überlegt einen Moment, blickt dann aber Niall mit großen Augen an. „Worauf wartest du? Lass uns los. Ich weiß wo die Wohnung ist. Die schnappen wir uns jetzt!" - „Moment, du gehst nirgendwo hin. Du bist viel zu befangen, das kann ich nicht verantworten. Aber ich mach dir einen Vorschlag." - „Der da wäre?" - „Meine Güte, du bist doch immer noch so ungeduldig... Ich rufe Luke jetzt an und erklär ihm alles. Dann kann er mit ein paar Kollegen hinfahren." - „Worauf wartest du dann noch?" Niall verlässt kurz darauf das Wohnzimmer, um alles weitere mit Luke zu besprechen, ohne dass Harry ihm ständig im Nacken sitzt.

„Was machen wir mit Louis?" stellt Niall die Frage, vor der Harry am meisten Angst hat. „Niall, bitte? Lass mich erst mit ihm reden. Ich weiß, dass er die Konsequenzen tragen muss, aber ich würde erst gern mit ihm reden. Du kannst auch hierbleiben, bis er nach Hause kommt, aber bitte halt die Kollegen erst einmal da raus." - „Harry ich weiß nicht..." Niall hadert mit sich selbst. Eigentlich muss auch Louis sofort verhaftet werden, aber er weiß auch dass sein bester Freund daran zerbrechen würde. Unschlüssig läuft er auf und ab, versucht eine Lösung zu finden, ohne selbst mit dem Gesetz in Konflikt zu geraden.

„Du machst es mir echt nicht einfach. Wir sind Polizisten und sollten für Gerechtigkeit einstehen und Verbrecher nicht decken." - „Niall, ich will ihn doch gar nicht decken, ich möchte einfach nur Antworten auf all die Fragen in meinem Kopf." - „Und das kannst du nicht auf dem Revier im Verhörraum machen?" - „Würdest du mich denn das Verhör von Louis führen lassen?" Über die Antwort muss Niall nicht lange nachdenken. „Nein, niemals." - „Wusste ich es doch. Ich bitte dich nur um ein Gespräch hier in der Wohnung, danach kannst du ihn verhaften." Erneut hadert Niall mit sich, stimmt aber letztendlich Harrys Bitte zu.

„Aber unter einer Bedingung. Ich bin die gesamte Zeit anwesend. Ich lasse dich nicht allein mit ihm reden. Nicht, weil ich dir nicht vertraue, aber zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir beide nicht, zu was Louis alles fähig ist." - „Du stellst ihn ja dar, als wäre er ein Schwerstverbrecher. Immerhin reden wir hier von meinem Freund." - „Harry mach endlich die Augen auf, Louis ist ein Verbrecher." Harry will und kann sich das alles nicht mehr anhören. Er spürt, wie ihm die Tränen in die Augen steigen und wendet sich von Niall ab. „Ich brauch frische Luft." äußert er nur knapp und steuert wieder den großen Balkon am Wohnzimmer an.

Er lehnt an der Brüstung und versucht seine Gedanken zu ordnen. Warum hat er nichts gemerkt? Hatte er Louis wirklich so falsch eingeschätzt und sich nur von seinen Gefühlen leiten lassen? Harry fühlt sich komplett überfordert in dieser Situation. Eine Träne nach der anderen dringt aus seinem Augenwinkel. Zuerst hat er sie noch weggewischt, doch inzwischen macht er sich die Mühe nicht mehr, dafür sind es zu viele geworden. Schniefend schaut er wieder in den Sternenhimmel, aber auch das beruhigt ihn diese Mal nicht. Augenblicklich fällt ihm wieder der Abend ein, an dem er mit Louis hier saß und sie sich eine warme Decke geteilt hatten. Damals haben sie sich die Sterne gemeinsam angesehen. Kaum dass seine Gedanken wieder bei Louis angelangt, sieht er wieder das leuchtende Paar blaue Augen vor sich, was ihn so um den Verstand bringt.

Niall lässt Harry etwas Zeit für sich und genehmigt sich ein kühles Bier aus dem Kühlschrank. Auch er hatte ein anderes Bild von Louis. Für ihn war er der kleine ruhige Barkeeper, der sich nicht so recht zu wehren weiß. Wenn er nur an die erste Begegnung mit ihm denkt, wo er vollkommen überfordert vor der wütenden Meute an Gästen stand, bis Harry eingegriffen hatte. Das passt für Niall alles nicht zusammen. Auf der einen Seite wirkt er so hilflos, aber andererseits soll er Leute berauben? Nein! Da stimmt etwas ganz und gar nicht, oder ist er wirklich so ein guter Schauspieler?

„Harry?" vorsichtig tritt Niall aus der Balkontür und nähert sich seinem Partner. „Darf ich dir etwas Gesellschaft leisten?" behutsam legt er ihm eine Hand auf die Schulter und drückt leicht zu, um ihm zu zeigen, dass er für ihn da ist. Harry antwortet lediglich mit einem Nicken, gefolgt von einem tiefen Seufzer. Daraufhin stellt Niall sein Bier zur Seite und zieht Harry in eine tröstende Umarmung. Fürsorglich stricht er ihm mit einer Hand immer wieder über den Rücken, während seine andere Hand auf Harrys Kopf ruht. „Ich bin für dich da. Hörst du?" doch dieser Satz bringt Harry nur noch mehr aus der Fassung. „Das habe ich Louis auch so oft gesagt. Warum hat er sich mir nicht anvertraut?" - „Weil du nun mal ein Polizist bist..." beginnt Niall, bringt es aber nicht übers Herz den Satz zu beenden. Harry ist so schon aufgelöst genug und braucht keinen Spruch, dessen er sich auch so schon bewusst ist.

Harry löst sich aus Nialls Armen und tritt wieder an die Brüstung. Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. „Eigentlich müsse er gleich nach Hause kommen. Das heißt, wenn nicht wieder einer ausgefallen ist." stellt Harry mit zittriger Stimme fest.

„Niall, da gibt es noch eine Sache, die ich dir noch nicht erzählt habe,..." Harry richtet seinen Blick nach unten. Nach einer kurzen Pause gesteht er Niall dann: „Louis macht, neben seinem Job im Pub, eine Ausbildung zum Maskenbildner" Harrys Stimme bricht am Schluss des Satzes. Er will es einfach nicht wahrhaben. Niall schaut ihn ungläubig an. „Das macht es nicht besser für Louis, das ist dir schon klar. Damit zählt er offiziell zu den Tätern." - „Ich weiß! Ich hatte es bis jetzt auch nur für einen Zufall gehalten, aber..." wieder bricht Harry seinen Satz ab. Er ist ausgelaugt, weiß nicht mehr was er überhaupt noch glauben kann. „Komm." Niall zieht ihn am Arm zur Couch und wirft ihm eine Decke über. „Wir bleiben jetzt hier sitzen und warten auf Louis. Auf seine Erklärung bin ich mindestens genauso gespannt wie du." Harry lehnt sich an Nialls Schulter und beginnt wieder etwas zu schluchzen. Behutsam hält er ihn im Arm und summt eine beruhigende Melodie für Harry, bis dieser völlig fertig einschläft. Auch Niall hat Probleme seine Augen weiterhin offen zu halten, nicht zuletzt, weil Alkohol ihn schnell müde werden lässt. Aber er ist sich sicher, dass er mitbekommen wird, wenn Louis die Wohnung betritt.

forced crimes  ➵ larry stylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt