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"T-taehyung?"

Durch die sanfte Stimme, welche er schon ewig kannte, hob der Rothaarige lieblich schmunzelnd den Kopf. 

"Du bist er?" 

Die zitternde Stimme des Jüngeren ließ Taehyungs Lächeln fallen. Yoongi hatte Angst. Zwar nicht genug, dass er ihn nicht mehr sehen wollte, dennoch tat es dem Ältesten weh. 

Der Junge vor ihm bedeutete ihm die Welt, wie auch seine tote Schwester. Auf den Rest der Menschheit konnte der Mann ruhig verzichten. 

"Eines Tages wirst du es Verstehen." - sich ein Lächeln aufzwingend überschlug der Rothaarige seine Beine.

"Nein! Nein..." - eine einzelne Träne löste sich aus dem Augenwinkel des Blauhaarigen und viel auf den Glasboden, mit den Fischen. - "Das sagst du immer. Mein ganzes Leben lang. Jedes mal aufs neue werde ich es irgendwann verstehen, doch tue ich es nicht. Ich konnte ja nichtmal sie treffen." 

Es stach in Taehyungs Herzen Yoongi so zu sehen, doch die Wahrheit konnte er auch nicht einfach so herausposaunen. Immer wieder war es für den Älteren nicht der richtige Zeitpunkt. Doch wann würde der richtige Moment kommen?

"Du kannst sie treffen... wenn du willst." - es war weder die Wahrheit noch eine Lüge. Doch wollte V es nicht hier besprechen. 

"Ok." - das Gesicht des Jüngsten hellte sich auf. - "Dann lass uns zu ihr gehen." 

"Wohin mit dem Geschenk?" - der Ältere zog den Umschlag aus der Tasche , weshalb er überhaupt hier her gekommen war. 

Yoongi hatte ihn vor Monaten gebeten eine Spa-Gutschein für Hoseoks Geburtstag zu Kaufen. Der Blauhaarige selber hasste es mit Menschen in Kontakt zu treten, somit erledigte Taehyung die meisten Sachen für ihn. 

"Hier her." - der Kleinere gab einen vierstelligen Code ein und das Schießfach für Angestellte, vor ihm, öffnete sich. Die beiden Angestellten hatten jeder ihr eigenes, zumindest war Taehyung der Meinung, dass Yoongi ihm mal sowas erzählt hatte. 

"Viel hast du da ja nicht drin." - die paar Keksboxen und Mandarinen begutachtend legte er den Brief dazu. 

"Was sol ich da auch groß hinein tun." - das Fach schließend blickte der Blauhaarige zu Tae hinauf. - "Und jetzt?" 

"Folg mir einfach." - seufzend verließ der Rothaarige das Café durch den Hintereingang. Er wollte Hoseok jetzt nicht noch erklären, wohin die zwei gehen würden. Der Weißhaarige hatte für den Älteren eine eher nervige und anstrengende Persönlichkeit, doch musste er ihn tolerieren, da Yoongi viel an dem Café-Besitzen lag. 

Gezielt durch unbelebte Straßen laufend nahm Taehyung immer wieder die kleinen Schritte des Blauhaarigen war und erinnerten ihn an die Zeit, wo noch alles einigermaßen normal war. 

Wo Yoongi ihn, als kleiner Junge, immer besuchte, er noch mit seiner Schwester reden konnte und die Welt noch Farbe hatte. Nun war sie eher trostlos und kalt. Jeder war nur noch auf die Leistungsfähigkeit fokussiert und das ja jeder 'normal' war. 

Ein kalter Schauer fuhr über den Rücken des Ältesten, als er sich an das Gespräch am Vormittag erinnerte. Namjoon hatte ihn zu sich geholt, um die Fortschritte zu sehen. 

Er hatte auch welche gemacht, doch war er keinesfalls stolz darauf. 

Er könnte nun das vernarbte Gewebe heilen, welches der Blauhaarige auf seinem Körper hatte. Taehyung wusste auch, dass er nicht mehr lange brauchen würde, um die Narben in seinem Gehirn heilen zu können. Für die fehlenden Haare und 'falsche' Augenfarbe hatte er noch kein Mittel gefunden. 

Die Narben im Gehirn. Sie schränkten den Kleinen am meisten ein. Vermittelten ihm ein falsches Gefühl der linken Körperseite. Spitzes fühlt sich stumpf an, er vergisst oft, dass er eine linke Hand hat und humpelt ab und an beim Laufen. Eigentlich alles kein Weltuntergang, wenn es nicht manchmal diese Ausbrüche geben würde, wo der Jüngste sich versuchte die Hälfte der Körperseite abzutrennen oder eben die Anfälle. Doch sollte er ihm all das nehmen, in der Hoffnung, dem Blauhaarigen so zu helfen. Er würde ihm das Schlimme aber auch das Gute nehmen. Wer garantierte ihm, dass es Yoongi als 'normaler' Mensch besser gehen würde? 

Wer garantierte ihm, dass er sich dennoch verlieben würde? 

Wer sorgte dafür, dass ihm die Angst vor der Gesellschaft dann endlich erspart blieb? 

Niemand. 

Niemand konnte es Taehyung versichern. Selbst, wenn es dem Kleinen dann körperlich 'gut' gehen würde, die Vergangenheit hatte Narben hinterlassen. Viel, viel tiefere als sein Gendefekt. 

Doch konnte er weder die Zeit zurück drehen, noch seelische Schaden heilen. Was würde es ihm also nützen 'normal' zu werden, alles aufzugeben und am Ende an den psychischen Schäden komplett kaputt zu gehen? 

Ohne es zu bemerken stand der Rothaarige bereits vor seinem Ziel, dem Friedhof. 

"A-arbeitet sie hier?" - Yoongi, welcher den ganzen Weg über geschwiegen hatte trat neben den Größeren. 

"Nein." - die quietschende Tür öffnend trat er auf das Friedhofsgelände. - "Leider nicht." 

Gezielt durch das Labyrinth an Gräbern laufend blieb er letztendlich vor einem der letzten stehen. In feinen Buchstaben war ihr Name auf dem Stein zu lesen und einige Blumen schmückten die Fläche davor. 

"Hier ist sie." - schwer schluckte der Rothaarige als er seinen Blick senkte. Neben dem Grab seiner Schwester lag ein zweites. Es war ein typisches Grab, wo sich eigentlich verheiratete beerdigen ließen. 

Es war der junge Mann, welcher alles für sie getan hatte. Bis heute wusste Taehyung nicht, ob er sich selbst ein Ende gesetzte hatte oder aber ihm das Leben genommen wurde, da ihm die Person genommen wurde, für welche er geschaffen wurde. 

"Du kannst sie alles Fragen, was du willst." - seine Stimme war gefasster als er es erwartet hatte. - "Nur wird sie nicht mehr antworten."

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Was bedeutet Zuhause für euch? 

Ich kann dieses Wort nicht benutzen. Mir wird immer mehr bewusst, wie Fake ich mich verhalte. Keiner kennt mich gefühlt richtig oder nimmt mich so, wie ich bin. Wenn ich den Menschen ins Gesicht sage, wie es mir geht, dass es mir nicht gut geht usw. kommt es nicht bei ihnen an. Sie lachen darüber oder denken ich mache Witze. Nach außen hin wirkt man glücklich, ich schaffe irgendwie die Schule, indem ich all meine Kraft tag für tag zusammen nehmen. 

Ich habe angst auf Menschen zu treffen oder allgemein vor Begegnungen, habe angst in die Schule zu gehen und wenn die Menschen, die einen beschützen oder stärken sollen davon erfahren, werde ich entweder angeschrieen oder als Feigling betitelt. 

Ich hoffe euch geht es besser.

Hab euch lieb <3

𝙋𝙮𝙧𝙤𝙥𝙝𝙤𝙗𝙞𝙚 /ʸᵒᵒⁿᵏᵒᵒᵏ/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt