kapitel 17 : startet das schiff

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Nanami kniete auf dem kühlen, feuchten Boden, direkt neben Jacks imposantem, wenn auch makaberen Thron. Der Boden fühlte sich hart und unerbittlich unter ihren Knien an, aber das kümmerte sie wenig. Ihre Gedanken kreisten um die düstere Realität, die sie beide gefangen hielt. Die Einheimischen, die Pelegostos, hatten Jack eine groteske Halskette umgelegt, gefertigt aus Fußzehen und Fingern – Relikte ihrer vergangenen Opfer, eine grausame und deutliche Erinnerung an die Gefahr, die über ihnen schwebte. Ihre Handgelenke waren noch immer fest zusammengebunden, ein stummer Beweis dafür, dass auch sie in dieser Welt der wilden Rituale und heidnischen Bräuche eine Gefangene war.

Sie hob den Blick, ihre Augen begegneten den seinen. „Was genau versuchst du hier herauszuziehen?", fragte sie mit leiser, aber drängender Stimme, die kaum den Hauch von Verzweiflung unterdrückte, der in ihrem Inneren loderte. Jack saß lässig auf seinem Thron, doch seine Haltung war trügerisch. Trotz seiner entspannten Miene und der scheinbaren Leichtigkeit, mit der er den Staubwedel durch die Luft gleiten ließ, war Nanami bewusst, dass sich hinter dieser Fassade eine tiefe Anspannung verbarg. Die Pelegostos hatten ihn zu ihrem Häuptling ernannt, aber es war eine Position, die nur so lange währen würde, wie er die Rolle spielte. Sobald er sich nicht mehr als der mächtige Anführer zeigte, der sie alle überlistet hatte, wäre seine Zeit abgelaufen. Er war ein Gefangener, genau wie sie – und auch wie die Crew.

Mit einem halbherzigen Lächeln, das jedoch nicht seine Augen erreichte, erwiderte Jack schließlich: „Die Pelegostos glauben, ich sei ein Gott in Menschengestalt." Nanami zog skeptisch eine Augenbraue hoch, ihr Blick blieb unerschütterlich auf ihm haften. „Sie oder du?" Jack ließ den Staubwedel sinken, als wäre ihm für einen Moment der Humor vergangen. „Sie wollen mich von meiner fleischlichen Hülle befreien", sagte er mit einem Hauch von Bitterkeit, der seine Worte durchdrang. Die Bedeutung seiner Worte traf Nanami wie ein Schlag in die Magengrube. Die Pelegostos wollten ihn töten, ihn opfern, um die göttliche Essenz freizusetzen, die sie in ihm sahen. In ihrer primitiven Überzeugung bedeutete das, ihn zu braten und zu essen, ihn buchstäblich zu verzehren, um sich seiner göttlichen Kraft zu bemächtigen.

Sie verstummte, der Ernst der Lage ließ keinen Raum für Spott oder Ironie. In diesem Moment wurde ihr bewusst, wie schmal der Grat war, auf dem sie wandelten. Jack, der stets ein Meister der Täuschung und des Tricksens gewesen war, befand sich nun in einem Spiel, dessen Einsatz sein eigenes Leben war. „Das Festmahl beginnt gleich, Liebes", fügte Jack mit einer Leichtigkeit hinzu, die Nanami eine Gänsehaut über den Rücken jagte. „Mein Leben wird enden, wenn die Trommeln schweigen..." Nanami starrte ihn an, die Worte sickerten langsam in ihr Bewusstsein. Die Trommeln, die in der Ferne monoton und unaufhörlich dröhnten, waren nicht nur ein Teil des Rituals – sie waren das Ticken einer Uhr, die unaufhaltsam auf das Ende eines Lebens zählte. Sie sah die absurde Ironie, die Jack in seiner Lage zu erkennen schien, doch für sie war es mehr als das. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, einer, den sie nicht verlieren durften.

„Willst du, dass ich hier rumsitze und warte, bis du gegessen wirst, um dann mich aus dem Staub zu machen?" fragte Nanami schließlich, ihre Stimme klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte, doch die wachsende Panik ließ sich kaum noch unterdrücken. Jack lächelte, ein müdes, aber doch verschmitztes Lächeln, das ihm auch in den finstersten Momenten eigen war. „Wenn du mich so gern loswerden willst, Liebes, dann wäre das sicherlich eine Möglichkeit. Aber...", er beugte sich leicht vor, seine Augen funkelten, „ich denke, du hast da einen besseren Plan, oder?" Nanami erwiderte seinen Blick, die Schärfe ihrer Worte wich einer klaren Entschlossenheit. Sie wusste, dass es jetzt keine Zeit für Angst oder Zweifel gab. Der Mann, der vor ihr saß, war vielleicht der einzige Mensch, der einen Ausweg aus diesem Alptraum finden konnte. Und wenn sie überleben wollten, dann musste sie alles daran setzen, dieses Spiel mitzuspielen – oder es sogar besser zu spielen als die Pelegostos selbst. „Ich hoffe, du weißt, was du tust, Jack", murmelte sie und begann, fieberhaft nach einem Plan zu suchen, der ihnen beiden das Leben retten könnte. Die Trommeln im Hintergrund hämmerten weiter, jeder Schlag eine weitere Sekunde, die ihnen blieb. Doch Nanami wusste, dass sie kämpfen würden – und zwar bis zum letzten Schlag.

NANAMI || ᵗʰᵉ ᵖⁱʳᵃᵗᵉˢ ᵒᶠ ᵗʰᵉ ᶜᵃʳⁱᵇᵇᵉᵃⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt