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So wirklich weiß ich nicht, was es an ihm war, dass dieses Gefühl in mir breitmachte. Klar, gut sieht er aus, jedenfalls besser als der "Standard-Koreaner", doch daran kann es ja nicht liegen, denn so fühle ich mich ja nicht bei jedem etwas besser aussehendem Mann. Also, was ist es?
Ich kann es mir selbst nicht erklären, doch nach einiger Zeit seiner Anwesenheit habe akzeptiert, dass ich mich so fühle. So voller Lust. Voller Verlangen, ihn zu haben. Ihn zu besitzen, oder besitzt zu werden, sei es auch nur für eine kurze Zeit.

"Tut mir leid." War das Erste, was er zu mir gesagt hat. Das kann ja nicht der Auslöser gewesen sein. Trotz der Hitze hatte er einen langen Pullover und eine lange Hose an. Das wird sich noch ändern.

"Nein, hier-" Bist? Sind? Du? Sie? Wie soll ich ihn ansprechen? Er ist älter als ich, ungefähr drei Jahre. "-ist der richtige Ort." Entschied ich mich dann. Eigentlich wollte ich sagen; "Hier bist du richtig", doch das tat ich dann eben nicht, um die "Du" oder "Sie" Frage für später aufzuheben.
"Ich hole nur noch diese Bücher." Erklärte ich und ging mit dem Stapel Bücher in meinen Händen auf ihn zu, er stand im Türrahmen und machte mir dann Platz.

Er wird drei Monate, den ganzen Sommer über, in meinem Zimmer schlafen. Am Anfang war ich wirklich nicht damit einverstanden, mein Zimmer für drei mal vier Wochen abzugeben, doch meine Eltern haben mir dann gesagt, für jede Woche bekomme ich eine kleine Menge Geld. Somit war das dann auch geklärt.

"Ich bin Jimin." Sagte ich ihm, als ich neben ihm bei der Tür stand. Hoffentlich ein guter erster Eindruck, so dass er mich nicht vergisst oder schlecht von mir denkt.

Er lächelte. "Yoongi." Für einen Moment hielt er seine Hand hoch, doch merkte dann wohl, dass ich mit dem Stapel Büchern in meinen Händen schlecht seine Hand hätte schütteln können, weshalb er diese Geste schnell verwarf.
Warum stellt er sich vor? Eigentlich kennen wir uns schon sehr lange. Nur haben wir uns eben schon gut zehn Jahre nicht gesehen. Ich habe mich vorgestellt, weil er sich bestimmt nicht an mich erinnern kann. Nun, um ehrlich zu sein, kann ich mich auch nicht so wirklich an ihn erinnern, jedoch haben meine Eltern die letzten zwei Wochen nur von "Yoongi", unserem Gast geredet. Wir sollen das Haus putzen, für Yoongi, ich muss mein Zimmer abgeben, für Yoongi, "wie, du weißt nicht mehr, wer das ist? Früher habt ihr mal miteinander gespielt. Du und Yoongi." Sein Name ist mir bekannt.

"Dann mach es dir hier gemütlich, Yoongi." Entschloss ich mich spontan für "Du", da er mir seinen Namen gegeben hat. Hoffentlich ist das okay für ihn.

"Werde ich", sagte er mit netter Stimme. Puh.

Ich nickte und ging durch die Tür, die gegenüber von meinem eigentlichen Zimmer, in welchen er ja jetzt schläft, liegt. Es ist viel kleiner, gerade mal ein Bett und eine Kommode passen rein, sonst nichts. Deshalb bekommt er, als unser Gast, mein Zimmer, denn es ist größer. Wäre er eine Woche geblieben, oder nur ein paar Tage, so hätte er in das kleine Gästezimmer einziehen müssen. Aber da sein Aufenthalt über einen Monat lang ist, haben meine Eltern sich dafür entschieden.

Nein, diese Begegnung kann es nicht gewesen sein.

Beim Abendessen, er ist am späten Nachmittag angekommen, sah ich ihn wieder. Diesmal hatte er schon keine langen Sachen mehr an, sondern ein lockeres T-Shirt und eine Hose, die ihm bis kurz über seine Knie ging.

"Ich bin wirklich, wirklich dankbar für ihre Gastfreundschaft." Bedankte sich Yoongi und sah wirklich, wirklich dankbar und froh aus.

"Deine Mutter und dein Vater kenne ich seit der Grundschule." Lächelte mein Vater. "Sie gehören schon mit zur Familie, also du auch."

Zur Familie.

"Ich habe es schon immer hier geliebt... Das letzte Mal war ich aber leider vor zehn Jahren hier." Er sah zu mir. "Du warst noch so winzig."

Röte stieg mir aus einem unerklärlichen Grund in meine Wangen. Yoongi erinnert sich an mich? An mich, Park Jimin? Wieso? Hoffentlich war ich vor zehn Jahren nicht so nervig, dass er sich nur deshalb an meine Existenz erinnert. "Jeder ist mal klein." Murmelte ich, doch keiner schien das zu bemerken. Unverschämtheit.

"Und du bist ein Maler geworden?" Fragte meine Mutter ihn, sichtlich interessiert.

"Ja, aber ich habe seit Monaten nichts mehr auf eine Leinwand bekommen, deshalb bin ich hier, um Inspiration zu sammeln. Sozusagen versuche ich eine Muse zu finden", erklärte er scherzend.

Eine Muse sucht er also.
Ich richtete meinem Rücken gerade auf, ohne dass ich es merkte. Später irgendwann, bemerkte ich, dass ich es immer tat, sind wir im gleichen Raum. Und noch viel später bemerkte ich, dass mein Unterbewusstsein wohl Schönheit ausstrahlen wollte, die eine Muse wohl ansatzweise braucht. Dabei weiß ich doch selber, Schönheit habe ich definitiv nicht.

Das Abendessen verlief ohne irgendwas Spannendes, ich wurde nicht mehr ins Gespräch einbezogen. Es ist doch immer so: "Die Erwachsenen reden." Und das, obwohl ich neunzehn bin. Aber ich werde sowieso oft vergessen und ignoriert, also habe ich mich schon daran gewöhnt wie ein Geist zu leben. Es muss okay sein, weil ich daran nichts ändern kann.

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Jeden zweiten Tag ein Kapitel 😉

𝐋𝐞𝐭 𝐦𝐞 𝐛𝐞 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐦𝐮𝐬𝐞 | ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt