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"Guten Tag", begrüßte sie mich und lächelte mich an. "Ich bin Minji. Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, Jimin. Ich habe schon viel über dich gehört."

"Uhm... hallo." Überfordert sah ich zu der Mutter der jungen Frau, die anscheinend gerade mal achtzehn ist, ein Jahr jünger als ich. "Ich bin etwas überfordert, tut mir leid", teilte ich ihr mit. "Was ist gerade los?"

"Oh, wir haben das schon mit deinen Eltern vor Wochen besprochen", sagte sie und sah dabei aus, als wäre es nichts Großes, worüber sie sprich. "Ihr passt einfach zusammen, werdet schöne und erfolgreiche Kinder bekommen. Die Daten der Hochzeit sind natürlich noch in Planung, aber wenn ihr euch heute endlich mal kennenlernt, sollte das bald auch schon geregelt sein. Na, was meinst du, wie findest du meine Tochter?"

"Äh... Sie haben mit meinen Eltern darüber geredet?" Die Frau nickte und sah mich noch erwartend an, während ihre Tochter sich anscheinend nervös durch ihre Haare fuhr. "Entschuldigung, ich... Eine Sekunde." Mehr sagte ich nicht, sondern ging weg von der Frau, die ich davor schon ein paar Mal im Dorf gesehen habe.

Solche Sachen sind nicht selten, das weiß ich. Eltern besprechen sich und bevor es die Kinder wissen, sind sie dafür bestimmt, das Leben miteinander zu verbringen. Es passiert täglich, in vielen Familien. Sache ist nur die, dass, wenn das ein Junge wär, der mir angeboten würde, ich es sogar noch akzeptieren würde, so wie ein heterosexueller Mann eher eine Frau als Ehepartner annehmen würde, als einen Mann.
Ich will aber wirklich keine Frau heiraten. Wirklich, wirklich nicht. Lieber will ich nie eine Beziehung führen, als in einer heterosexuellen Beziehung mein Leben zu verbringen. Eventuell Sex mit einer Frau zu haben... Kinder bekommen! Nein, nein, nein. Bitte nicht.

"Papa!", rief ich meinen Vater, als ich ihn am Grill stehend, mit ein paar anderen Leuten, sah. Er sah zu mir und lächelte. "Was willst du essen, Jimin?", fragte er, doch das ignorierte ich. "Wer ist diese Kim Minji?", fuhr ich ihn an, ohne auf die anderen Leute zu achten. "Was soll das? Was hast du mit Mama und der besprochen?"

"Ach, hast du sie getroffen? Wie findest du sie?"

"Schrecklich!"

Mein Vater sah geschockt aus, so wie auch die fünf anderen. "So redest du nicht über deine zukü-"

"Was soll das?", unterbrach ich ihn wütend. "Warum macht ihr so etwas?"

Mein Vater schüttelte leicht seinen Kopf. Zu meinem Verachten bemerkte ich, dass er amüsiert aussah. Dann wandte er sich an die anderen Leute. "Mein Jimin hier hat noch keine Erfahrung mit Frauen erlangt, also hat er wohl etwas Angst vor seiner zukünftigen Frau." Und die Leute lachten, so wie auch mein Vater.

Das ist ein Witz für die. Für ihn. Meinen Vater.
Mein Leben ist ein Witz für ihn!

Ich merkte, wie ich den Tränen nah kam, weshalb ich mich schnell umdrehte, um zu gehen. Mit gesenktem Blick, damit keiner meinen verletzten Ausdruck sieht. Ich lief sofort in jemanden hinein. "Hey, alles okay?" Ich musste gar nicht hochsehen, ich erkannte Yoongis Stimme sofort. "Jimin?"

Hinter uns hörte ich meinen Vater weiter reden und lachen. "Es tut weh", sagte ich und ging an Yoongi vorbei, hoffend, dass er mit mir kommt. Zu meinem Glück hörte ich ihn folgen, dann legte er seinen Arm um meine Schulter. Zusammen gingen wir von dem Grundstück, in den Waldweg. Dort konnte ich meinen Frust nicht mehr innehalten und fing an zu weinen. "Jimin...", fing Yoongi hilflos an und wollte wohl seinen Arm von mir nehmen.

"Nicht jetzt", sagte ich mit gebrochener Stimme und griff mit meiner Hand an seine, die unterhalb meiner Schulter am Hängen war. Damit hielt ich ihn davon ab, von mir loszulassen. "Gleich, okay?"

"Wann immer du willst."

Ich nickte, weinte aber nur noch mehr.

Yoongi ist perfekt. Ich will ihn am liebsten heiraten. Er soll einfach sein Leben mit mir verbringen und dann wäre ich glück-

Oh, ich bin wirklich verliebt.

Aber so richtig.

Während ich aus irgendeinen Grund nicht aufhören konnte, zu weinen, gingen wir nicht redend bis zum See. Dort wischte ich mir über mein Gesicht und zusammen setzten wir uns ans Ufer, ließen unsere Füße schließlich nass werden, nachdem wir unsere Schuhe ausgezogen hatten. Yoongi wartete, bis ich bereit war. Seinen Arm ließ er um mich, bis ich ihn selbst von mir nahm, um seine Hand auf meinem Schoss, mit beiden Händen, zu halten und nervös an ihr herumzufummeln.

"Sie wollen, dass ich heirate", sagte ich schließlich.

"Deine Eltern?"

Ich nickte. "Sie haben sich mit einer Frau und ihrer Tochter getroffen. Heute kamen die zu mir und meinten, diese Minji ist meine zukünftige Frau."

"Davor wurde dir nichts darüber gesagt?"

"Nichts", bestätigte ich. "Ich... ich bin dann zu meinem Vater, weil ich mir eine Erklärung für die Frau, die von einer Hochzeit spricht, holen wollte." Yoongi sagte nichts, er ließ mich langsam reden und Pausen machen. Dafür bekommt er irgendwann ein spezielles Dankeschön von mir. "Er hat mich nicht ernst genommen. Seinen Freunden hat er gesagt, ich habe ja keine Erfahrung mit Frauen und habe jetzt Angst vor meiner zukünft-" Ich merkte, wie mir die Tränen kamen. "Zukünftigen Frau", schluchzte ich. "Aber das stimmt nicht. Ich will das alles einfach nicht. Ich will nicht, dass meine Eltern Hochzeiten hinter meinem Rücken planen, ich will nicht, dass Mütter zu mir kommen und mir von dieser Hochzeit erzählen und vor allem... ich will einfach nicht heiraten." Ich ließ mit einer Hand von seiner ab und wischte mir über mein Gesicht. "Jedenfalls keine Frau", nuschelte ich und hoffte irgendwie, er hat es gehört, aber irgendwie auch, er hat es nicht gehört.

"Verdammt", war Yoongis Kommentar zu meiner Erzählung. Dann dachte er ein paar Sekunden nach. "Heute wird ja sowieso nichts passieren. Am besten sprichst du mit deinen Eltern und sagst ihnen, dass du so etwas nicht willst. Wenn du willst, kann ich dabei sein und dir helfen... aber wenn das alles gar nicht klappt, mach ihn einfach klar, dass du dich mit Minji nicht verstanden hast und sie eigentlich voll scheiße ist. Dich zu so etwas zwingen können sie immerhin nicht, also- Ich meine, spätestens, wenn du vor allen Leuten "nein", statt "ja" sagst, ist es gelaufen."

Ich musste tatsächlich etwas lächeln, bei dem letzten Satz. "Danke, Yoongi."

"Immer doch. Denk einfach daran, sie können dein Leben nicht so umgestalten, wie sie es wollen, wenn du dich wehrst. Keine Angst, du musst dein Leben nicht mit Minji oder sonst..." Er nahm meine Hand in einen festeren, dennoch sanften, Griff. "Oder sonst einer Frau verbringen, wenn du nicht willst, Jimin. Okay?"
Mein Herz war schnell am Schlagen, doch ich konnte nur nicken. "Alles wird gut", sagte er noch mal, ehe er seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte. "Und wenn nicht, komm zu mir, dann helfe ich, dass alles gut wird, ja?"

Ich lächelte weiter und lehnte meinen Kopf auf seinem ab. "Ich li..." Schnell hörte ich auf zu reden, auch wenn das Geständnis mir wirklich auf der Zunge lag. Es wäre mir fast herausgerutscht. "Ich lege mich einfach zu dir, wenn die Welt zu grau ist", murmelte ich und schloss meine Augen.

Wir saßen eine Weile da, bis wir zurückgingen. Den restlichen Tag waren wir nicht getrennt. Yoongi folgte mir und erleichterte mir das Herz, auch wenn es schwer wurde, beim Gedanken, der manchmal kam, dass er mich niemals im selben Licht sehen wird, in welchen ich ihn sehe.

𝐋𝐞𝐭 𝐦𝐞 𝐛𝐞 𝐲𝐨𝐮𝐫 𝐦𝐮𝐬𝐞 | ʸᵒᵒⁿᵐⁱⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt