Augen wie der Ozean

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Clair

Ihr wurde furchtbar heiß unter dem samtenen Stoff ihres Kleides, als der Prinz ihren Blick erwiderte. Auch er schien seine Gefühle in diesem Moment nicht zuordnen zu können.

Noch ehe sie rot anlaufen konnte, wandte sie das Augenmerk wieder von ihm ab. Wie nützlich wäre nun doch ein Fächer gewesen, mit dem sie sich etwas Luft hätte zuwedeln können, um ihr erhitztes Gemüt etwas abzukühlen.

Der Prinz ließ ihre Hand sinken, richtete den Oberkörper auf.

Er war so schön, so unglaublich attraktiv und strahlte ein hohes Maß an Selbstbewusstsein aus. Wie war es einer Dame da möglich, ihm nicht zu erliegen? Es gab sicher hunderte andere junge Frauen, die sich bereits im Strudel seiner Anziehungskraft verfangen hatten. Ganz so, wie Motten, die sich nicht vom Bann des Lichtes losreißen konnten.

Der König Bardos klatschte in die Hände, woraufhin die Musiker ihr Tun wieder aufnahmen. Die sanften Klänge der Streichinstrumente und des Klaviers erfüllten erneut den Saal.

„Wir hoffen doch, dass der Weg nicht allzu beschwerlich war?", erkundigte sich die Königin des dunklen Reichs nach dem Wohlergehen Clairs Familie.

„Selbstverständlich. Wir freuen uns, dass wir am heutigen Ball teilnehmen dürfen."

Clair musste dem Drang widerstehen, die Augen zu verdrehen. Diese Heuchelei war beinahe nicht zu ertragen. Jahrelang waren Bardo und Terosa verfeindet gewesen und nun war es auf einmal so, als ob es nie Unstimmigkeiten zwischen ihnen gegeben hätte. Etwas lag in der Luft, das sie unglaublich schwer zu atmen werden ließ.

Auch der Prinz schien nicht gerade angetan von dem Schauspiel an guter Miene zu sein, das sich ihnen gerade bot. Galant wandte er sich Clair zu, hielt ihr seine Hand entgegen. „Dürfte ich um einen Tanz bitten?"

Wieder begegnete sie seinen unglaublich schönen Augen. Seine blonden Locken fielen ihm weich in die Stirn. Er musste ein Engel sein. Clair hatte keinen Zweifel an dieser Vermutung. Sie hatte zwar noch nie viel für Gott und dessen geistliche Anhänger übrig gehabt, doch vielleicht war Theon der Beweis dafür, dass das himmlische Reich tatsächlich existierte.

Sie zögerte keinen Augenblick und nahm seine Offerte an. Ihre Hand legte sich in seine und sie begleitete ihn hinab zur Tanzfläche.

Ob es nur ein Versuch seinerseits war ihrer beider Eltern und dem miesen Schauspiel zu entkommen? Oder hegte er doch wahres Interesse daran, Zeit mit ihr zu verbringen und ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken?

Clair war es in diesem Moment gleich, was seine Beweggründe waren. Es kam ihr alles absolut surreal vor. Es fühlte sich für sie an, als wäre sie der Hauptcharakter in einem ihrer Bücher.

Kurz warteten sie ab, bis die Musikanten das nächste Stück anspielten. Theon verbeugte sich tief vor ihr und sie knickste, ehe sie ihre rechte Hand an seine Schulter legte und ihre freien Finger sich in seinen verkeilten.

Wieder stieg die Hitze in ihr auf, als er seine Hand an ihrer Hüfte platzierte. Was war nur los mit ihr? Weshalb spielten ihre Gefühle so dermaßen verrückt? Sie kannte ihn doch gar nicht! Vielleicht trog der äußere Schein ja auch nur und er war gar nicht der perfekte Mann, der sich gerade in ihren Gedanken formte.

Mit eleganten Bewegungen führte er sie über die Tanzfläche, hielt sie dabei fest und machte deutlich, dass er die Oberhand behalten würde. Doch das störte Clair nicht. Im Gegenteil. Er beherrschte jeden Schritt, war ganz offensichtlich gut in dem was er tat und dies imponierte ihr.

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