Ekstase

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Bone

Wie ein Reh.
Das waren die ersten Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen, sobald er ihr direkt in ihre vor Angst funkelnden Augen sah.
Was hatte sie erwartet? Dass er sie niemals finden würde?
Zugegeben hatte er wohl zuerst das falsche Haus unter die Lupe genommen. Der Mann, den er zuvor übel zugerichtet hatte, tat ihm nun schon beinahe leid. Aber eben nur beinahe.
Das Gefühl von purem Glück überschattete das von Reue.

Sie versuchte ihm zu entkommen, doch er versperrte ihr den Weg durch die Tür und somit in die Freiheit. Alles was ihr blieb, war sich mit dem Rücken an eine der Wände zu pressen und ihn dabei für keine Sekunde unbeobachtet zu lassen.

„Verschwinde, sonst schreie ich", wollte sie ihm drohen, doch ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

Ein siegessicheres Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. Oh, wie er es genoss, die Furcht in anderen Menschen zu sehen. Er selbst hatte seinen Ängsten schon lange abgeschworen. Sie machten einen schwach. Nicht einmal der Gedanke an den Tod jagte ihm noch einen Schauder über den Rücken.

Panisch tasteten die Hände der Prinzessin das Holz unter ihren Fingern ab, wanderten weiter in Richtung eines Schränkchens.
Ihre Augen ruhten dabei die ganze Zeit über auf Bone.
Schließlich umgriff sie einen gusseisernen Kerzenständer. Als wäre er eine gefährliche Waffe, hielt sie ihn, mit dem Ende auf Bone gerichtet, schützend vor ihren zitternden Leib.

Nun konnte er nicht mehr anders und brach in schallendes Gelächter aus. Dachte sie wirklich, das würde ihn abschrecken?
Naives, junges Ding.

Er machte ein paar Schritte auf sie zu, bereit ihr den Kerzenständer einfach aus der Hand zu schlagen, sie in die Bewusstlosigkeit zu befördern, anschließend über seine Schulter zu werfen und zurück zur Siedlung zu tragen.
Doch noch ehe er den ersten Punkt seines Plans abhaken konnte, begann sie aus vollster Kehle zu schreien: „Hilfe! Hier ist ein Mann, der versucht mich zu entführen! So helft mir doch!"

Zeitgleich nutzte sie den Moment seiner Perplexität und schlug mit ihrer Waffe nach ihm, traf ihn tatsächlich am Kopf, doch das mit viel zu wenig Schwung, als dass sie ihn damit ernsthaft hätte verletzen können.
Ein Schmerz durchzuckte seine Stirn, ließ ihn nur rasend vor Wut werden.
Äußerst grob packte er ihr Handgelenk und drückte es zusammen, sodass sie aufkreischte und der Kerzenständer aus ihren Fingern rutschte. Mit einem dumpfen Geräusch kam er auf dem Boden auf.
Anschließend presste er ihr die Hand auf die Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen.

Nur kurz darauf spürte er, wie sich ihre Zähne in sein Fleisch gruben. Brüllend zuckte er zurück. „Du Miststück!" Sie hatte ihn gebissen und dies mit solch einer Kraft, dass kleine Tropfen Blut auf die dreckigen Holzdielen fielen.

Die Prinzessin flüchtete auf die andere Seite des Raumes, hob im Rennen den Kerzenständer wieder auf.
„Hilfe!", schrie sie erneut. Verzweifelt. „Hört mich denn niemand?!"

„Schluss mit lustig", knurrte Bone und wischte sich die pochende Hand an seiner Hose ab. Bedrohlich gleich einem Wolf, trat er abermals auf sie zu. Er hatte die Schnauze gestrichen voll von ihren Spielchen.

Erneut wollte er sie ergreifen, doch da hörte er laute, polternde Schritte. Jemand anderes hatte das Haus betreten, war ihren panischen Rufen gefolgt.
Er fluchte innerlich, zog seinen Dolch aus der Halterung an seiner Hose.

VeilchenblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt