Hunter
Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die dichten Baumkronen, streichelten seine Wangen und ließen das Fell seines Pferdes schimmern wie Onyx.
Dicht hinter ihm ritt Flora, in den Satteltaschen ihres Reittiers sicher verstaut neue Stoffe, die sie in der Stadt erworben hatte.
Am frühen Morgen dieses Tages war sie auf ihn zukommen, hatte ihn darum gebeten, sie zu begleiten und er war dem ohne Widerworte nachgekommen. Er konnte die Zofe seiner Mutter gut leiden, war sie doch stets freundlich zu ihm gewesen. Zudem wusste er natürlich um ihr kleines Geheimnis, das sie mit Theon teilte. Der Tanz auf dem Ball kehrte in seine Erinnerung zurück. Auch wenn sie mitnichten das gleiche Feuer wie die Prinzessin von Terosa in sich trug, musste er ihr dennoch einen gewissen Mut zugestehen.
Eine Eigenschaft, die ihn schon immer an Frauen imponiert hatte.Sie holte zu ihm auf, dass sie nebeneinander her ritten. Dabei schenkte sie ihm ein äußerst warmes Lächeln, welches er erwiderte. „Habt Ihr den lavendelfarbenen Samt gesehen?", fragte sie ihn.
Selbstverständlich interessierte er sich nicht für derlei Dinge. Seine Vorliebe galt vielmehr den Pferden und Strategiespielen wie Schach. Dennoch ging er auf ihren Versuch ein, ein Gespräch ins Leben zu rufen: „Aber ja. Sicherlich ist er angenehm zu tragen. Die Königin wird erfreut sein."
Er war sich sicher gewesen, seine Antwort würde den Anschein erwecken, als würde ihn diese Thematik nicht im geringsten ermüden. Aber Flora schien trotzdem zu bemerken, dass er sich nicht unbedingt mit Schneiderarbeit beschäftigen wollte. „Wenn Ihr ausreitet ...", wechselte sie also den Kurs ihrer Unterhaltung. „ ... habt Ihr einen liebsten Ort?"
„Wart Ihr schon einmal am Fuße des Drachenzahngebirges?", fragte er, sofort Feuer und Flamme.
Zaghaft schüttelte sie den Kopf. „Wenn ich die Mauern des Palastes verlasse, dann nur um neue Stoffe in den naheliegenden Städten zu kaufen."
„Dann solltet Ihr mich bei Gelegenheit begleiten. Ich reite am liebsten in der Dämmerung los, damit ich die Chance habe das Alpenglühen bewundern zu können." Ein verträumter Ausdruck schlich sich auf seine Züge.
„Alpenglühen?", fragte sie nach, entlockte ihm damit ein sanftes Schmunzeln.
„Ein unglaubliches Naturphänomen, das mit Glück sowohl während des Sonnenaufgangs, als auch während des Sonnenuntergangs beobachtet werden kann", erklärte er ihr, seufzte zufrieden bei der Vorstellung an das spektakuläre Lichterspiel.
Einige Minute verstrichen, in denen nur das Getrappel von Pferdehufen und das weiche Schnauben ebenjener Tiere zu hören war.
Dann mischte sich wieder Floras melodische Stimme darunter, die Hunter schon beim ersten Mal als er sie vernommen hatte an die Klänge einer Harfe erinnert hatte. „Wie lange ist es noch hin bis zur Abenddämmerung?"Er musste nicht lange nachdenken, bis er begriff worauf sie hinauswollte. „Erwartet die Königin Euch nicht pünktlich zurück, damit Ihr ihr beim Einkleiden in ihr Nachtgewand helfen könnt?"
Flora zögerte, woran er erkannte, dass er ins Schwarze getroffen hatte. „Wir finden ein andermal Gelegenheit dazu", meinte er, nickte ihr zu, um sein unausgesprochenes Versprechen zu untermalen.
Doch sie schüttelte den Kopf. „Nein", sagte sie mit solch einer Bestimmtheit, dass es ihn überrascht die Brauen anheben ließ. Peinlich berührt schlug sie die Augen nieder. „Verzeiht, aber ... wenn ich jedes Mal auf einen günstigen Moment warte, dann werde ich dieses Alpenglühen niemals im Leben zu sehen bekommen. Lasst es uns heute tun. Lasst uns zum Drachenzahngebirge reiten und ..."
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Veilchenblau
Historical Fiction„Ist es wirklich wahrhaftige Liebe, die wir füreinander empfinden, oder ist es nur die Verpflichtung, die uns miteinander verbindet?" Über den Zeitraum von vier Jahrzehnten herrschten Uneinigkeit und Unruhe zwischen den beiden mächtigsten Königreic...