Clair
Zwei Tag war es her, dass sie sich bei Theon entschuldigt hatte und doch mied er sie noch immer.
Zwar behauptete er, es läge daran, dass es wichtige politische Unterredungen mit seinem Vater zu führen gäbe, doch Clair glaubte nicht daran, dass seine Abwesenheit nur dem zu Grunde lag.Der metallische Geschmack von Blut breitete sich auf ihrer Zunge aus. Geplagt von ihrem schlechten Gewissen hatte sie sich auf die Unterlippe gebissen.
„Eure Hoheit?", vernahm sie die sanfte Stimme Dotties.
Seufzend wandte Clair den Blick von der Welt hinter dem Fenster ab und richtete ihn auf die wartende Zofe. Mit einem warmen Lächeln im Gesicht stand jene mit einer Bürste in der Hand vor dem deckenhohen Spiegel. Kaum erkennbar nickte sie in Richtung des Hockers, der davor platziert war.
Clair erhob sich, trat zu der Bediensteten hinüber und ließ sich auf dem weichen Samt sinken.
Vorsichtig begann Dottie damit Ordnung in die braune Haarpracht der Prinzessin zu bringen.„Hat der Prinz heute nach mir gefragt?", wollte Clair wissen. Sie versuchte die aufkeimende Hoffnung zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht. Zu sehr wünschte sie sich, dass Theon ihr einen Teil seiner Zeit schenken würde.
Langsam schüttelte die Zofe den Kopf. „Nein, MyLady, das hat er nicht." Als sie bemerkte, dass sich Enttäuschung in der Miene ihrer vorübergehenden Herrin abzuzeichnen begann, fügte sie hinzu: „Aber der Halbbruder, Sir Hunter, er bat mich darum Euch auszurichten, dass er Euch liebend gerne auf einen Ausritt entführen würde."
Sofort hellten sich ihre Züge wieder auf. Sie lächelte sogar.
In freudiger Erwartung auf ihr Vorhaben ließ sie sich von Dottie die Haare in einem festen Dutt nach oben stecken und anschließend in ein schwarzweißes Reitkleid helfen.„So gefallt Ihr mir schon viel besser", meinte die rothaarige Zofe, sobald sie Clair dabei beobachtete, wie sie sich zufrieden wirkend im Spiegel betrachtete. „Glücklich, meine ich."
Clair ließ ihre Finger mehrmals über die mit Rüschen bestückten Röcke gleiten, bevor sie sich Dottie wieder zuwandte. „Geleitest du mich zu den Stallungen?"
„Aber ja. Ich bin ganz zu Euren Diensten, MyLady." Die Bedienstete eilte sich das Chaos zu beseitigen, das entstanden war, während sie Clair zurechtgemacht hatte und bot dieser dann ihren Arm an. Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Kichern, doch das Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen. „Beinahe wie ein Prinz, der eine Dame auf die Tanzfläche führt, nicht?"
Auch wenn die Leichtigkeit Dotties in gewisser Weise ansteckte, war dies doch ein i-Tüpfelchen zu viel, weshalb Clair dankend ablehnte. Ihre Miene wurde kurz erst. „Ich mag nicht so streng sein wie die Königin, dennoch verbitte ich mir solche Kindereien."
„Verzeihung." Entschuldigend senkte die Zofe ihr Haupt und nahm ihren Arm zurück. „Wenn Ihr soweit seid ..."
Die Vorfreude ergriff erneut Besitz von der Prinzessin. Sie nickte und so ließen die beiden Frauen das Gästegemach hinter sich.
Gemeinsam durchwanderten sie die langen Flure, in denen sich Clair mit jedem Tag den sie hinter den Mauern Bardos verbrachte besser zurechtfand.
Sie hatte sich einige der Porträts eingeprägt, die ihr dabei halfen sich zu orientieren.Es dauerte nicht lange, bis sie das große Tor erreichten, welches in den Innenhof führte.
Sie überquerten diesen und fanden sich nur wenig später vor den Stallungen wieder.
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Veilchenblau
Historical Fiction„Ist es wirklich wahrhaftige Liebe, die wir füreinander empfinden, oder ist es nur die Verpflichtung, die uns miteinander verbindet?" Über den Zeitraum von vier Jahrzehnten herrschten Uneinigkeit und Unruhe zwischen den beiden mächtigsten Königreic...