Theon
Wie an all den vergangenen Tagen, hockte er auch heute auf dem dreckigen Boden der Kammer, die sein Gefängnis und auch das, seines Bruder darstellte.
Doch etwas hatte sich verändert - jegliche Hoffnung war aus den Augen der beiden jungen Männer gewichen.Elody und ihr Gefolge waren am Morgen aufgebrochen, um den König auf der Mohnblumenwiese in Empfang zu nehmen. Er war nicht erschienen. Er hatte sie im Stich gelassen, wohlwissend, dass dies ihren Tod besiegeln würde.
Theon wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder in tiefster Trauer versinken sollte. Denn zum einen hatte dies zu bedeuten, dass die Herrschaft seiner Familie weiter fortbestehen würde. Zumindest bis die Rebellen sich einen neuen Plan zurechtgelegt hatten, um es erneut zu wagen, den König und seine Gemahlin zu stürzen. Zum anderen hieß es aber auch, dass Hunter und er diesen Ort nicht lebend verlassen würden.
Seine Schwester war vermutlich genau in diesem Moment dabei zu planen, wie ihre Hinrichtung ablaufen sollte.
Kurz ließ der Ältere seinen Blick zu seinem Halbbruder gleiten. Jener schien völlig in Gedanken versunken, starrte die gegenüberliegende Wand an.
„Soll ich auch in deinem Namen schreiben?", wollte er von ihm wissen, holte ihn damit in die Realität zurück und befreite ihn aus dem gefährlichen Strudel der Angst und Verzweiflung.Hunter legte seine dunklen Augen auf ihn, während er sich die Frage durch den Kopf gehen ließ. „Erwähn meine tiefste Dankbarkeit an unseren Vater, dass er mich bei meiner Geburt nicht abgeschoben, sondern sich meiner angenommen hat. Und schreib dem Stalljungen Levin, dass ich ihm Mutbringer schenken will. Er hat sich stets so gut um ihn gekümmert, wenn ich nicht in der Nähe war."
Theon nickte, nahm die Feder und das Pergament in die Hand. Beides hatte Elody ihm gnädigerweise zukommen lassen. Es war sein letzter Wunsch gewesen, eine Nachricht an diejenigen zu verfassen, die ihm wichtig waren und den letzten Wunsch verwehrte man einem Todgeweihten nicht. Er wollte seinen Eltern und Clair seine Gedanken mitteilen. Alles, was er ihnen niemals gesagt hatte, als er noch am Leben gewesen war.
Liebster Vater, liebste Mutter,
Ich gräme euch nicht, das solltet ihr wissen. Mir ist bewusst, dass euer Nichterscheinen die einzig richtige Entscheidungen gewesen ist. Es geht hier in erster Linie nicht um euch und nicht um mich, sondern um den Fortbestand unserer Regentschaft und somit auch um die Sicherheit Bardos.
Ich habe versucht Elody umzustimmen. Ja, ihr lest richtig. Elody. Ich glaubte es zu Beginn selbst nicht, doch sie lebt und sie ist die Anführerin dieser rebellischen Bewegung.
Ich habe versagt.
Ihr Verstand ist zu vergiftet von Hass und Zorn, als dass ich ihn jemals hätte retten können.
Solltet ihr Gelegenheit dazu bekommen, dann bitte ich euch, nicht den gleichen Fehler zu begehen, den ich bereits begangen habe.
Glaubt nicht sie vor sich selbst schützen zu können.
Sie ist nicht mehr das kleine, unschuldige Mädchen, das sie einst gewesen ist. Ich erkenne sie nicht wieder und ich bin mir sicher, dass ihr dies auch nicht werdet.Liebster Vater,
auch Hunter ist noch hier bei mir. Ich gab auf ihn Acht und dies bis zum bitteren Ende, denn ich weiß, er war dir niemals weniger wert als ich.
Ich soll dir sagen, er dankt dir zutiefst dafür, dass du dich seiner angenommen hast, sobald er das Licht der Welt erblickte.
Bitte gib dem Stalljungen Levin kund, dass er nun im Besitz von Mutbringer ist. Das ist Hunters letzter Wunsch.
Und dann erweise mir den Gefallen und reiche diesen Brief weiter an Clair.
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Veilchenblau
Historical Fiction„Ist es wirklich wahrhaftige Liebe, die wir füreinander empfinden, oder ist es nur die Verpflichtung, die uns miteinander verbindet?" Über den Zeitraum von vier Jahrzehnten herrschten Uneinigkeit und Unruhe zwischen den beiden mächtigsten Königreic...