Theon
Er war sich unsicher ob er seinen Augen in diesem Moment wirklich trauen konnte, oder ob ihm die Kraft des Schlages der jungen Frau, die da vor ihm stand, den Verstand benebelte und ihn Geister sehen ließ.
Seine Knie wurden weich, begannen zu zittern und er hatte das Gefühl sich nicht länger auf den Beinen halten zu können. Wie eine Dame die Blut sah, lief auch er nun Gefahr einfach in eine Ohnmacht zu sinken. Doch er riss sich zusammen, kämpfte dagegen an.
Die Reaktion der Weißhaarigen verriet ihm, dass er mit seiner noch unausgesprochenen Vermutung richtig liegen musste. Sie wirkte wie ein aufgeschrecktes Reh, das nicht wusste, ob es besser die Flucht ergreifen oder in der Hoffnung man würde es vielleicht doch nicht entdecken stehen bleiben sollte.
Selbst in dem fahlen Licht, konnte er ihre hellblauen Augen vor Nervosität schimmern sehen. Seine Worte hatten etwas in ihr ausgelöst, das ihr die vorhergehende Sicherheit nahm, die in ihrem Hieb mit der Faust geruht hatte.Theon nahm die Hand aus seinem Gesicht, ließ dem Blut, das noch immer wie ein schmales Rinnsal aus seiner Nase rann, freien Lauf. Stattdessen streckte er die Finger zaghaft nach der Frau aus, die er zu kennen glaubte und tat ein paar wenige Schritte auf sie zu.
Wie ein Jäger, der auf das Erlegen eines Beutetiers abzielte, ließ auch er nun jegliches Feingefühl spielen, um am Ende nicht doch noch ein Wegrennen ihrerseits zu provozieren.„Elody ...", hauchte er leise den Namen, von dem er niemals mehr gedacht hatte, ihn gezielt an eine Person zu richten.
„Keine Ahnung, wer das sein soll", antwortete ihm die Weißhaarige zischend, doch ihrem Gesicht nach zu urteilen, log sie offensichtlich. Verursacht durch ihre schnelle Atmung, blähten sich ihre Nasenflügel immer wieder auf und auch ihr schien nun, so wie ihm wenige Minuten zuvor, sämtliche Farbe zu entweichen. Ihre Haut, die zuvor schon blass gewesen war, beinahe so hell wie Porzellan, nahm einen unnatürlichen Ton an.
„Ich dachte ... ich dachte, du wärst tot und doch bin ich mir sicher, dass du jetzt vor mir stehst", flüsterte er, als wäre sie wirklich ein Reh, das er durch zu lautes Gerede ganz verscheuchen würde.
Sie wich vor ihm zurück, ihre Hand schloss sich um den Griff der Tür.Er blieb stehen, tat keinen weiteren Schritt.
„Bitte ... erklär mir, was das hier alles soll. Ich verstehe es nicht. Oder bin ich es, der nicht mehr am Leben ist? Bin ich in der Hölle und man zeigt mir Bilder von Dingen, die mich quälen sollen?"Beinahe schon hatte er Clair vergessen. Nun aber legten sich ihre zarten Finger an seine Schulter und er hörte sie sagen: „Ihr lebt, Theon."
„Ich dachte nicht, dass du dich erinnerst ...", folgten schließlich leise Worte seitens der jungen Frau. Kurz wirkte es als würden ihre Gesichtszüge jegliche Härte verlieren, doch nur einen Wimpernschlag später wurden sie wieder eisern. Sie schüttelte den Kopf, wobei ihr ein paar der hellen Strähnen in die Stirn fielen. Dann verschwand sie schneller aus dem Raum, als eine Maus es hätte tun können.
Die Tür knallte zu, das Klicken des sich verschließenden Schlosses ertönte.Erneut fand er sich allein mit Clair in dieser dunklen Kammer wieder. Doch nun wusste er, wer die Strippenzieherin dieser ganzen Sache war, auch wenn dies nicht einmal im Bereich seiner möglichen Vorstellungen und Ideen gelegen hatte.
Es war seine Schwester. Auch wenn sie nicht mehr aussah wie früher, entstellt durch eine grässliche Narbe im Gesicht, hegte er keinerlei Zweifel mehr. Sie lebte. All die Jahre hatte er sie totgeglaubt. Wie nur war das möglich?
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Veilchenblau
Historical Fiction„Ist es wirklich wahrhaftige Liebe, die wir füreinander empfinden, oder ist es nur die Verpflichtung, die uns miteinander verbindet?" Über den Zeitraum von vier Jahrzehnten herrschten Uneinigkeit und Unruhe zwischen den beiden mächtigsten Königreic...