Die Magie des Meeres

175 28 69
                                    

Theon

Sachte streiften seine behandschuhten Fingerspitzen über die Nüstern eines der weißen Pferde, die die Kutsche ziehen würden.
Der warme Atem des edlen Tieres tänzelte wie der Rauch eines wohlig brennenden Kaminfeuers vor ihm durch der Lüfte.

Tief seufzte er auf, lehnte seine Stirn für wenige Sekunden an die des Hengstes, ehe er sich aufrichtete und den Blick zu Clair hinüber gleiten ließ. Jene beobachtete ihn geduldig bei seinem Tun.

Für ihr unliebsames Verhalten am Gartentor, hatte sie sich bei ihm bereits vor einer Woche entschuldigt. Genau genommen, noch am gleichen Abend.
Da er noch nie ein nachtragender Mensch gewesen war, hatte er die um Verzeihung bittenden Worte ohne zu zögern angenommen.

Doch trotz ihrer Versöhnung hatte er in den letzten Tagen kaum Zeit für sie gefunden.
Viele politische Angelegenheiten waren zu klären gewesen und wenn er ehrlich zu sich war, hatte er zunächst auch etwas Abstand zu ihr gesucht.
Gestern aber war er dann auf sie zugegangen und hatte ihr angeboten heute einen Ort außerhalb des Schlosses aufzusuchen.
Vielleicht würde ein Ausflug die immer wieder aufkochende, hitzige Stimmung zwischen ihnen etwas auflockern. Zudem hatte er ohnehin vorgehabt ihr Frostdorf zu zeigen.

Er wusste, dass sie nicht gerne in Bardo geblieben war. Immer wieder erwähnte sie die Schönheit Terosas und auch, wie sehr sie ihre Heimat doch vermisste. Ihr fehlten die freundlichen Bürger, die kleinen lieblichen Dörfer und nicht zu vergessen, die vielen Blumen.

Das hatte ihn schlussendlich auf die Idee gebracht, ihr sein eigenes Reich etwas näher zu bringen. Bardo mochte zunächst düster und trist wirkte, doch auch hier gab es helle und einladende Ecken, wie zum Beispiel das kleine Örtchen, auf das seine Wahl schließlich gefallen war.

Seine Mutter hatte ihm nahegelegt, den Weg über die Drachenküste zu nehmen.
Wenn eines eine junge Frau in seinen Bann zieht, dann ist es der Anblick des Meeres, hallten ihre Worte in seinen Ohren wider, während er zur Tür der Kutsche schritt, um sie Clair zu öffnen.

Auch am heutigen Tag kam er nicht um den Gedanken herum wie wunderschön sie doch war.
Sie hatte sich für ein goldenes Kleid entschieden, das der Farbe des Sandes am Strand sicherlich schmeicheln würde. Ihr Haar hatte sie nach oben stecken und mit kleinen, an Schneeflocken erinnernden, silbernen Elementen verzieren lassen.
Die grünen Augen, die auch ohne schon markant genug waren, hob ein dezenter Lidschatten in warmen Brauntönen, noch besser bevor.

Wie es sich für einen wohlerzogenen Mann gehörte, half er ihr in das Innere des Gefährts, gesellte sich aber nicht sofort hinzu.
Stattdessen umrundete er den hölzernen Wagen ein weiteres Mal, da er noch ein paar Dinge mit dem Kutscher zu besprechen hatte.
„Wenn wir die Drachenküste erreichen legen wir dort eine kurze Pause ein. Die Prinzessin sehnt sich danach, das Meer etwas ausgiebiger zu betrachten", begann er mit seiner Erklärung. „Dann reisen wir zügig weiter nach Frostdorf." Er steckte dem Mann einen braunen, mit Goldmünzen gefüllten Stoffbeutel zu. „So lange die Prinzessin und ich uns die Örtlichkeit ansehen werdet Ihr Zeit finden, um in das Gasthaus von Herrn Abernathy einzukehren."

Dankbar für die großzügige Geste des Prinzen, formten die Hände des Kutschers ein Amen, ehe er das Geld in der Tasche seiner schwarzen Hose verschwinden ließ und bereit zum Aufbruch die weiß behandschuhten Finger um die Zügel legte.

Theon wandte sich von ihm ab und ließ seinen Blick über die vier Ritter schweifen, die sie eskortieren würden.
Auch sie sahen so aus als wären sie bereit, um den Ausflug anzutreten. Mit hochgeklappten Visieren hockten sie auf den Rücken ihrer dunklen Reittiere und warteten darauf, dass Theon sich zur Prinzessin begab und somit das Zeichen zum Start erteilte.

VeilchenblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt