Das Lied von Blut und Tod

154 26 47
                                    

Clair

Schneller als sie es begreifen konnte, hatte Theon sie an den Hüften gepackt und wieder auf die Beine gezogen.
Nur einen Augenblick später, hielt er sein Schwert in den Händen und sah hinüber zur königlichen Kutsche.

Sie folgte seinem Blick.
Und als sie endlich verstand, was hier gerade vor sich ging, beschleunigte sich ihre Atmung auf der Stelle, Hitze schoss ihr vor Nervosität in die Wangen und ihr Herz raste wild wie ein galoppierendes Pferd.

„Bleibt am Wasser!", wies Theon sie mit bebender Stimme an, rannte dann, so schnell ihn seine Beine tragen konnten, auf das Geschehen zu.

Am Liebsten hätte sie ihm hinterhergerufen, dass er bei ihr bleiben sollte, doch sie wusste, dass er seine Pflicht zu erfüllen hatte.
So verharrte sie einfach an Ort und Stelle und das nicht nur, weil er es ihr befohlen hatte, sondern auch, weil ihr Körper sich vor Angst ohnehin keinen Millimeter gerührt hätte.
Zu tief saß der Schock über den Anblick der kämpfenden Männer.

Das Blut rauschte lautstark durch ihre Ohren, wodurch ihr die Geräusche der aufeinander schlagenden Eisen, der brüllenden Wachleute und wiehernden Reittiere weit entfernt vorkamen.

Das Wasser schwappte stetig weiter um ihre Beine, der Stoff  ihres Kleides sog sich damit voll und langsam aber sicher begann sie zu zittern.
Doch das nahm sie gar nicht bewusst wahr. Ihr Blick blieb starr auf die Soldaten gerichtet, die krampfhaft und tapfer versuchten, die Angreifer abzuwehren.

Schreiend ging einer der Fremden zu Boden, als die Klinge einer der Wachmänner sich durch seine Brust bohrte, welche durch keinerlei Rüstung geschützt war.
Es mussten Diebe sein, die es auf sie abgesehen hatten. Zumindest deuteten die dreckigen Stofflumpen, die sie an ihren Leibern trugen und die stumpf wirkenden Waffen darauf hin.
Vermutlich hatten sie die königliche Kutsche von oberhalb der Klippen erspäht und wie eine Elster einem funkelnden Ring, hatten auch sie der Versuchung nicht widerstehen können.

Was die vermeintlichen Banditen allerdings nicht wussten war, dass das hölzerne Gefährt keinerlei Schätze beherbergte.
Das einzig Wertvolle, das es transportiert hatte, waren Clair und Theon selbst gewesen.

Unbewusst griff sie nach der silbernen Kette, die um ihren Hals baumelte, während sie beobachtete, wie ein Dieb nach dem anderen keuchend und Blut spuckend zu Boden ging.
Es sah ganz danach aus, als würden die königlichen Soldaten, gemeinsam mit dem Prinzen, die feindliche Truppe spielend leicht in die Flucht schlagen.

Doch plötzlich bemerkte sie ein bedrohliches Funkeln in ihrem Augenwinkel.

Noch ehe sie einen warnenden Ruf loslassen konnte, bohrte sich auch schon die Spitze eines Pfeils in die Lücke der Rüstung eines Wachmannes - direkt in dessen Hals.
Rote Flüssigkeit spritzte augenblicklich in sämtliche Richtungen und bedeckte den sandigen Boden unter ihm, während gurgelnde Laute aus seiner Kehle drangen. Verzweifelt versuchte er, sich die Hände auf die blutende Stelle zu pressen, doch den kurz darauf eintretenden Tod konnte er damit nicht mehr verhindern.

Theon, der unmittelbar zu seiner Rechten gekämpft hatte, konnte nicht anders, als seinem sterbenden Mann den Blick zuzuwenden.
Der Dieb, der gegen ihn das Schwert geschwungen hatte, nutzte indes seine Chance und stieß den Prinzen zu Boden.

Clair schrie auf, schlug die Hände vor dem Mund zusammen. Tränen begannen sich ihren Weg über ihre Wangen zu bahnen. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie meinte, es müsste jeden Moment ihren Brustkorb sprengen.

VeilchenblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt